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GIDEON SPICKER
Die Ursachen des Verfalls
der Philosophie

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"Die Beschaffenheit der Körper liegt nicht im Stoff, sondern in der Form."

"Gerade auf der Allgemeinheit, welche die alte Sophistik für die innere und äußere Erfahrung leugnete, beruth der Begriff des Gesetzmäßigen und der wissenschaftlichen Erkenntnis. In der Hervorhebung dieses Allgemeinen und Gesetzmäßigen besteht hauptsächlich das Verdienst eines Sokrates und seiner großen Nachfolger gegenüber den Sophisten, bei denen alles auf subjektive Meinung und Willkür hinauslief. Es bleibt ihnen aber immerhin das Verdienst, wenigstens indirekt auf die wissenschaftliche Bedeutung des Prinzips der Subjektivität aufmerksam gemacht und mit der Tradition gebrochen zu haben."

"Bacon den kausalen Zusammenhang aller Erscheinungen und deren objektive Gesetzmäßigkeit begreifen. Durch sinnliche Vorstellungen, die aus den einzelnen zufälligen Eindrücken der Außendinge bestehen, können aber solche Gesetze mit einem Charakter der Allgemeinheit und Notwendigkeit nicht erkannt werden. Wir wissen nur um die Aufeinanderfolge solcher Vorstellungen und Erscheinungen, welche wir gewohnheitsmäßig miteinander verbinden. Die in den Erscheinungen wirkende Kraft aber kann sinnlich nicht wahrgenommen werden. Bloße Gewohnheiten des Vorstellens nach gewissen Ideenassoziationen sind keine objektiven Gesetze. Diese Konsequenzen mit vielem Scharfsinn gezogen zu haben, ist das große und bleibende Verdienst von David Hume."

"Der Materialismus ist die eine Konsequenz aus dem Sensualismus; die andere, die skeptische, hat Hume gezogen, indem er die objektive Erkennbarkeit des Zusammenhangs zwischen Ursachen und Wirkungen und damit die wissenschaftliche Berechtigung, vermöge des Kausalprinzips die sinnliche Erfahrung zu überschreiten, leugnet".


E M P I R I S M U S

"Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung beginnt", ist heute ein allgemein angenommener Satz, der kaum mehr eines Beweises bedarf (1). Versteht man unter Erfahrung nur die sinnlichen Wahrnehmungen, die Eindrücke der Gegenstände auf das denkende Subjekt und hält man solche Einwirkungen für die einzige Quelle der Erkenntnis, so bezeichnet man diese Auffassung vorzugsweise mit dem Ausdruck Sensualismus. Die Grundformel für diese Denkart liegt in dem Satz ausgesprochen: nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu [Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war. - wp] (2). Das Richtige an dieser These ist, daß der Mensch ohne Sinneswahrnehmung nichts erkennen kann. Es sind Bedingungen, unter welchen das Denken erst möglich wird. Allein die Wahrnehmungen ansich führen noch zu keinem Erkennen; sie müssen miteinander verbunden und logisch geordnet werden und dazu gehört das Denken. Mit Recht ergänzte deshalb LEIBNIZ das sensualistische Motto durch den Satz "nisi intellectus ipse" [außer der Verstand selbst - wp] um anzudeuten, daß die tiefere Voraussetzung der Sinneserkenntnis der Verstand ist (3). Übertreibt man die eine oder andere These, indem man entweder behauptet, daß alle Erkenntnis nur aus der sinnlichen Erfahrung stammt, und was die Grenzen derselben überschreitet, eitel Täuschung ist, oder umgekehrt, daß uns die Sinne täuschen und die wahre Erkenntnis nur aus der richtigen Anwendung des Verstandes gewonnen wird, so verfällt man Einseitigkeiten, welche in dem einen Fall die Erklärung des geistigen Lebens, im andern die Naturwissenschaft unmöglich machen. KANT sucht diese beiden Extreme dadurch zu vermitteln, daß er Sinnlichkeit und Verstand miteinander verbindet.
    "Durch die Sinne werden uns die Gegenstände gegeben, durch den Verstand werden sie gedacht." "Anschauungen ohne Begriffe sind blind, Begriffe ohne Anschauungen leer." (4)
Gehen wir davon ab, daß es neben der äußeren auch eine innere Erfahrung gibt, wie: Recht, Sittlichkeit, Religion, Kunst, Poesie usw., die weder der Empirismus noch der Rationalismus hinreichend berücksichtigt, und vergleichen wir nur jene beiden Richtungen miteinander, so ergibt sich, daß die Einseitigkeit immer von der Prävalenz [Vorrang - wp] der einen oder anderen Gemütskraft abhängt. Man ist Empiriker, wenn man das Hauptgewicht auf die Sinnlichkeit, und Rationalist, wenn man es auf den Verstand legt. Es gibt einzelne Individuen und ganze Eposchen, in welchen diese Prävalenz mit elementarer Gewalt hervorbricht und sich *Geltung verschafft. In der Regel ist es die Reaktion eines lange unterdrückten und vernachlässigten Grundtriebes gegen die tyrannische Herrschaft eines anderen, der nichts neben sich aufkommen lassen will, weil er selbst lange unter dem Druck eines Gegners gestanden und seine Mängel erst zu Vorschein kommen, wenn er sich theoretisch und praktisch nach allen Richtungen erschöpft und ausgelebt hat. Andere Gründe, welche sich zur Erklärung dieses eigentümlich historischen Phänomens anführen ließen, sind die Macht der Gewohnheit und Tradition. Die anständige Mittelmäßigkeit hat weder die Kraft noch den Mut neue Bahnen zu eröffnen und die wahrhaft großen und epochemachenden Geister treten erst dann auf, wenn ihnen durch die tausendfältige Kleinarbeit die Wege geebnet sind, den letzten entscheidenden Schritt zu tun. Die Größe eines solchen Mannes besteht weniger in der Summe des Wissens seiner Zeit, dieses besitzt der Gelehrte und Fachmann häufig in ausgedehnterem Maß als das Genie, sondern in der intuitiven Konzeption einer neuen Idee, in dem sicheren Ergreifen des Wesentlichen, worauf es ankommt, in welchem das was ist und was sein soll, das Vergangene wie das Künftige einheitlich erfaßt und wie in einem Brennpunkt gesammelt wird. Die Neuheit und Originalität einer solchen Idee ist nur relativ; denn sie ist das Resultat der bisherigen Entwicklung, gleichsam die Blüte oder Frucht, die einen Organismus, einen langen Prozeß und mannigfaltige Bedingungen voraussetzt, unter welchen das Ergebnis erst möglich war.

Vergleicht man die verschiedenen Standpunkte und Denkrichtungen in der Philosophie miteinander, so ist es auffallend, wie sehr der Empirismus in allen Epochen bis in die neueste Zeit gegenüber den andern, die sich auf Verstand, Willen, Gemüt und Phantasie stützen, zurücktritt. Schon in der vorsokratischen Periode hielten die Eleaten (5), HERAKILIT (6) und sogar DEMOKRIT, sowie auch die Sophisten die Sinne nicht für die eigentliche Quelle der Erkenntnis. Die sokratische Schule, mit Ausnahme von ARISTOTELES, war überhaupt mehr auf die sittliche und geistige Welt gerichtet, als auf die sinnlich wahrnehmbare. Und so sehr ARISTOTELES vermöge seiner Universalität auch dieser Seite gerecht zu werden suchte, so ist doch seine Auffassung der Materie als solcher derart abstrakt und metaphysisch, daß sie wegen ihrer absoluten Qualitätslosigkeit zur Erklärung der sinnlichen Erscheinungen unbrauchbar wird (7). Die Beschaffenheit der Körper liegt nicht im Stoff, sondern in der Form. Zwar hat es nach ARISTOTELES nie eine Materie ansich gegeben; die Welt ist ewig und so waren Stoff und Form immer miteinander verbunden; dennoch sind beide nicht identisch. Die Materie ist die allgemeine Grundlage des Werdens und als solche unbegrenzt, unendlich, d. h. qualitativ unbestimmt und daher unwahrnehmbar; sie kann ihrem allgemeinen Wesen nach nur durch einen Analogieschluß gedacht werden (8). Als das schlechthin Bestimmungslose ist sie die Möglichkeit aller Bestimmungen und allen konkreten Seins. (9)

Diese metaphysische Auffassung der Materie ist nicht geeignet dem Sensualismus und Empirismus als sicherer Stützpunkt zu dienen. Das qualitätslose Sein ist der sinnlichen Wahrnehmung, wie auch dem begrifflichen Denken zu sehr entrückt, als daß man sich eine klare Vorstellung von ihm bilden könnte. Dagegen hat ARISTOTELES hinsichtlich der materia secunda die Bedeutung der Sinneswahrnehmung keineswegs verkannt.
    "Die Wissenschaft und Theorie", sagt er, "entsteht dem Menschen aus der Erfahrung, die Erfahrung führt zur Theorie, der Mangel an Erfahrung gibt dem Zufall Preis."
Zur Theorie aber gelangen wir, fährt er weiter fort, wenn sich aus vielen der Erfahrung entnommenen Einsichten eine allgemeine Anschauung über Gleichartiges gebildet hat (10). "Die Erfahrung ist die Erkenntnis des Einzelnen, die Theorie die des Allgemeinen." Obgleich jedoch "die sinnliche Wahrnehmung von der entscheidensten Wichtigkeit für die Erkenntnis des Einzelnen ist, so gibt sie uns doch nirgends das Warum an". Die Kenntnis der Tatsache muß sich mit der der Ursache verbinden, und
    "deshalb schreiben wir das Wissen und das Verständnis mehr der Theorie zu als der Erfahrung und halten den Mann der Theorie weise als den Mann der Erfahrung - und dies darum, weil jener die Gründe und die Ursachen kennt und dieser nicht." (11)
Aus allen Äußerungen des ARISTOTELES geht hervor, daß er das Hauptgewicht auf das ursächliche und nicht bloß auf das tatsächliche Wissen legt, auf das Allgemeine und Gesetzmäßige und nicht auf die einzelnen Wahrnehmungen. Das Allgemeine zu erfassen ist aber Sache des Verstandes. Dieses Vermögen ist die eigentliche Quelle der Wissenschaft, die sinnliche Wahrnehmung hingegen bietet nur einzelne zufällige Kenntnisse, welche der Verstand erst ordnen und verbinden muß, wenn Wissenschaft zustande kommen soll. Wir werden später aus anderen und entscheidenderen Gründen sehen, daß ARISTOTELES mehr unter die Rationalisten als unter die Empiriker zu rechnen ist.

Man sollte nun glauben, daß die Hauptvertreter des Materialismus im Altertum, Demokrit und Epikur, dem Empirismus gehuldigt hätten. Dies ist aber nicht der Fall. Ihre Theorie ist nichts weniger als empirisch. Die Atome, die sich nur durch ihre Lage, Größe, Figur - lauter geometrisch-räumliche Vorstellungen - voneinander unterscheiden sollen, sind so gut metaphysische, logische Abstraktionen, wie die qualitätslose Materie des ARISTOTELES (12). Sie sind kein Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung; sie begegnen uns nirgends in der Erfahrung; von gewissen Tatsachen aus wird auf sie nur geschlossen, so daß DEMOKRIT ganz folgerichtig die Erkenntnis der Wahrheit nicht in der sinnlichen Wahrnehmung, sondern im Denken findet (13). Die praktische Seite dieser Richtung, welche besonders EPIKUR weiter ausbildete, ist allerdings insofern empirisch und sensualistisch, als Lust und Unlust zu ethischen Prinzipien erhoben wurden, was jedoch für unseren Zweck hier nicht weiter in Betracht kommt (14). Dagegen verdienen die Skeptiker, obwohl sie alle objektive Erkennbarkeit leugneten, womit der Sinnlichkeit wie dem Verstand die Fähigkeit abgesprochen wird, Wahrheit erreichen zu können, gerade deshalb eine nähere Berücksichtigung. Ähnlich verhält es sich mit den Sophisten. Sie waren die ersten, welche theoretisch die Bedeutung des Subjekts gegenüber dem Objekt hervorhoben, wenn auch in einseitiger Weise. Der Mensch ist ihnen sowohl das Maß aller Dinge, aber nicht der logisch denkende, sondern der sinnlich wahrnehmende und empfindende Mensch (15). Wahrnehmung und Empfindung sind aber, wie PROTAGORAS behauptet, bei der stetigen Veränderung der äußeren und inneren Welt in keinem Augenblick dieselben (16); sie sind nicht nur verschieden in den verschiedenen Menschen, sondern sogar höchst wechselnd in ein und demselben Subjekt, so daß es keine objektive Wahrheit geben kann und somit die entgegengesetzten Behauptungen in Bezug auf denselben Gegenstand als gleichberechtigt anerkannt werden müssen. Die zehn Tropen, welche später die Skeptiker, namentlich AENESIDEMUS, zusammenstellten, sind nichts als die weitere Ausführung dieses sensualistischen Grundsatzes (17).

Bei dieser allgemeinen theoretischen Negation lassen sich die antike Sophistik und Skeptik nicht wohl auf eine Linie stellen mit dem modernen Sensualismus und Empirismus, welche die Sinnlichkeit für die Hauptquelle der Erkenntnis ansehen. Neben der äußeren Wahrnehmung gibt es auch noch eine innere, die man ebenfalls mit "Erfahrung" bezeichnet. Diese innere Erfahrung ist eine Tatsache, die kein Vernünftiger leugnet. Was aber bezweifelt wird, ist: ob diesen Tatsachen, z. B. dem sittlichen und religiösen Gefühl, ein geistiges und göttliches Prinzip als Ursache zugrunde liegt. Insofern hat der moderne Empirismus Ähnlichkeit mit dem antiken. Er unterscheidet sich aber von ihm dadurch, daß er eine allgemein gültige Norm für Recht, Ethik usw. anerkennt, auch wenn er von jener transzendentalen Überzeugung und Beweisbarkeit absieht. Gerade auf dieser Allgemeinheit, welche die alte Sophistik für die innere und äußere Erfahrung leugnete, beruth aber der Begriff des Gesetzmäßigen und der wissenschaftlichen Erkenntnis. In der Hervorhebung dieses Allgemeinen und Gesetzmäßigen besteht hauptsächlich das Verdienst eines SOKRATES und seiner großen Nachfolger gegenüber den Sophisten, bei denen alles auf subjektive Meinung und Willkür hinauslief. Es bleibt ihnen aber immerhin das Verdienst, wenigstens indirekt auf die wissenschaftliche Bedeutung des Prinzips der Subjektivität aufmerksam gemacht und mit der Tradition gebrochen zu haben. Ebenso ist ihr literarischer Einfluß, namentlich in Bezug auf Grammatik, Rhetorik, Stylistik, ihre Popularisierung und Verbreitung der Wissenschaften und vor allem die Opposition, welche sie in SOKRATES und PLATO hervorriefen, wodurch erst die Philosophie wahrhaft wissenschaftlich begründet wurde, zu bedeutend, als daß man sie übergehen dürfte. Auch wollen wir nicht verkennen, daß der große tiefgreifende Gedanke, der Mensch sei das Maß aller Dinge, nach Abzug des empirischen Charakters und des Mißbrauchs, den die späteren Sophisten damit getrieben haben, vom Standpunkt der modernen Erkenntnistheorie eine allgemeine und bleibende Wahrheit enthält.

Vom Empirismus im Mittelalter kann nur in einem uneigentlichen Sinn gesprochen werden, insofern nämlich, als dieses sowohl den Inhalt der Offenbarung als auch der griechischen Philosophie, soweit ihm letztere bekannt war, als glaubwürdige, äußerlich überkommene Tatsache einfach hinnahm. Diesem allgemeinen Grundzug gegenüber kommen einzelne Verbesserungen und selbst Umbildungen in der Dogmatik und Metaphysik kaum in Betracht. Auch der heftige, jahrhundertelange Streit zwischen Nominalismus und Realismus ist für unsere Frage nicht von Wichtigkeit und fällt außerdem mehr unter die Kategorie des Rationalismus. Will man aber dennoch den Empirismus im engeren und eigentlichen Sinn nicht gänzlich übergehen, so ist höchstens die auffällige Erscheinung zu beachten, daß man an der Richtigkeit der Sinneswahrnehmung, die Dinge zu erkennen, weniger zweifelte, als an der Fähigkeit des Denkens, übersinnliche Wahrheiten zu erreichen. Aus diesem Grund wurde die Offenbarung für etwas Notwendiges gehalten. Man hatte kein Vertrauen in den eigenen Willen, die eigene Vernunft, das eigene religiöse Gefühl, weil dies die Offenbarung überflüssig gemacht hätte. Eine sittliche, geistige und religiöse Autonomie war aufgrund dieser Voraussetzung unmöglich. Alles mußte der unmündigen Menschheit von den beiden Autoritäten: Kirche und Offenbarung vorgeschrieben werden. Einzelne Versuche, sich von dieser Bevormundung frei zu machen, wurden rasch unterdrückt und können deshalb zur allgemeinen Charakteristik des Zeitalters nichts beitragen (18). In diesem kritiklosen, unselbstständigen Glauben an eine äußerlich gegebene Autorität ist der dogmatische Empirismus des Mittelalters, wie man ihn füglich nennen kann, enthalten. So sehr Scholastik und Sophistik einander entgegengesetzt sind, wie unbedingtes Fürwahrhalten und radikaler Zweifel an jeder Art von objektiver Erkenntnis, so stimmen sie doch dem Wesen nach darin überein, daß auch den Scholastikern, zumindest den Hauptvertretern, Denken, Fühlen und Wollen ansich keine objektive Wahrheit verbürgen und sie ohne den Glauben an die Offenbarung so schlimm dran gewesen wären wie die Sophisten. Man kann nicht autonom und autoritätsgläubig zugleich sein. Selbständigkeit und Abhängigkeit schließen sich gegenseitig aus. Dies fühlten die Scholastiker selbst und suchten daher Glauben und Wissen miteinander zu verbinden. Weil sie sich aber nicht von der Autorität losreißen und zur Autonomie erheben konnten, ist ihnen der Versuch mißlungen, ja geradezu ins Gegenteil umgeschlagen, indem sie dadurch den Keim zur Selbstauflösung der Scholastik legten.

Obgleich diese Denker an die objektive Wahrheit der Sinneseindrücke glaubten und hinsichtlich der konkreten Erscheinungen einem naiven Realismus huldigten, so sind sie doch nicht als Empiristen zu betrachten (19). Denn sie verlegten den Schwerpunkt nicht aus dem Inneren ins Äußere, aus dem Verstand in die Sinnlichkeit. Überdies hatten sie bei ihrer religiös transzendentalen Richtung nicht nur kein Interesse an der Sinnlichkeit der Materie, sondern sie verabscheuten vielmehr beide als Sitz und Domäne des Bösen. Diese moralische Verwerfung des Sinnlichen im Allgemeinen hatte auch die Mißachtung der theoretischen Seite desselben im Gefolge. Sophisten und Epikuräer suchten die höchste Glückseligkeit in der angenehmen Empfindung, das Mittelalter in der Askese und Unterdrückung der Naturtriebe. Das Ideal der Heiligkeit bestand in der Selbstverleugnung und Weltflucht. Die wahre Bestimmung des Menschen lag im Jenseits. Das irdische Leben ist zu kurz und nur eine Vorbereitung auf das ewige. Da lohnt es sich nicht der Mühe, sich mit dem Irdischen zu befassen und das Himmlische darüber zu verlieren. Diese asketisch transzendentale Richtung war der Hauptgrund, weshalb die Naturwissenschaft so gänzlich vernachlässigt wurde (20). Vom Empirismus im engeren oder weiteren Sinn kann deshalb in der ganzen Epoche nicht die Rede sein. Erst in der neueren Zeit, als man sich von der Kirche und Tradition befreit und mehr der Natur und dem praktischen Leben zugewandt hatte, bekam dieser Begriff einen bestimmteren und faßbareren Inhalt. Der Grund dieser tiefgreifenden Umwandlung ist scheinbar höchst einfach. Mit der Veränderung des Objekts veränderte sich sofort auch der Standpunkt und die Methode. Das Objekt ist die Natur und der einzig mögliche Weg, sie wissenschaftlich zu erforschen, die Erfahrung, d. h. sinnliche Wahrnehmung und Beobachtung, Experiment und Kalkül. Daß man zu diesem Zweck den Standpunkt weder in der Offenbarung noch auch in der religiösen Empfindung, ja nicht einmal in erster Linie im Verstand, sondern in der Sinnlichkeit nehmen mußte, leuchtete zwar anfänglich nicht gleich von selbst ein, aber die Natur des Gegenstandes und die nutzlosen aprioristischen Konstruktionen führten mit Notwendigkeit allmählich darauf hin. Seitdem kam die Sinnlichkeit als Haupterkenntnisquelle immer mehr zur Geltung. Alle Zweifel, die von Seiten des Rationalismus und Skeptizismus dagegen erhoben wurden, waren nicht imstande, ihr Ansehen zu verringern. Vergleicht man die antike Sophistik und Skeptik, den Eleatismus und Platonismus, sowie auch die Scholastik, also die sensualistisch-metaphysische und moralisch-religiöse Verachtung der Sinnlichkeit mit der modernen Anerkennung derselben, so darf man wohl behaupten, daß man sich dieses Organs als Erkenntnisquelle erst in der Neuzeit völlig bewußt wurde.

Als den ersten klassischen Vertreter der wissenschaftlichen Empirie bezeichnet man gewöhnlich BACO von VERULAM. Die Naturwissenschaft selbst hat er direkt nicht gefördert, aber die Methode hat er gezeigt, die Irrtümer und Vorurteile nachgewiesen, welche als Hindernis einer richtigen Naturerkenntnis im Weg stehen (21). Diese Richtung auf das Natürliche im Allgemeinen, nicht bloß auf die Natur im Besonderen, war jedoch schon früher verbreitet, teils durch die Humanisten und Philologen, welche das klassische Altertum sowie die Philosophie aus den Quellen kennen lernen wollten, teils durch selbständig systematische Denker wie NIKOLAUS von KUES und GIORDANO BRUNO, teils durch Physiker wie CARDANUS und TELESIUS, endlich durch die französischen Skeptiker wie MONTAIGNE, CHARRON und andere. Alle diese standen im Widerspruch und Gegensatz zu der einseitig theologischen Denkrichtung des Mittelalters. Durchschlagenden Erfolg hatte jedoch keine dieser Richtungen. Sie bestanden nebeneinander, ohne daß die eine die Herrschaft über die andere erringen konnte. Im Ganzen waren es ja doch nur selbständige Wiederholungen des Alten mit mehr oder weniger neuen Ansätzen und modernem Inhalt (22). Der Geist der Neuzeit hatte ein viel höheres Ziel. Man wollte nicht bloß eine Autorität mit einer anderen vertauschen, etwa das klassische Altertum anstelle der Kirche und Scholastik setzen, sondern man wollte selbständig werden und sich auf die eigene Erfahrung stützen im Leben und Denken, im Wollen und Handeln. Nur was wir innerlich und äußerlich an uns selbst erfahren, kann maßgebend und fruchtbringend sein. Gesetzt, wir brächten es zu der Vollkommenheit der Alten, so wäre dies doch immer nur eine Nachahmung und würde uns nie zur Selbständigkeit führen. Erst mit dieser zweifachen Emanzipation vom Mittelalter und vom Altertum und jeder Art von Tradition beginnt die moderne Zeit. Reformation, Renaissance, Humanismus waren nur Vorbereitungsstadien, Übergangsstufen zur vollen Freiheit und Selbständigkeit im Denken und Forschen.

Aus diesem Streben ging die heutige Naturwissenschaft hervor und mit ihr der großartige Fortschritt der Mathematik. Alle Gebiete des Lebens: Ethik, Politik, Religion, Kunst, Philosophie waren in den beiden vorhergehenden großen Perioden, dem Altertum und Mittelalter, kultiviert worden und hatten eine gewisse Vollkommenheit erreicht, die in mancher Beziehung nicht mehr überboten werden kann. Sie lagen dem Menschen so nahe, er konnte sie aus sich selbst entwickeln und nicht wohl ohne sie leben. Die Natur hingegen stand ihm als etwas Fremdartiges gegenüber, sie folgt anderen Gesetzen und hat ihre eigene, vom Menschen unabhängige Existenz. Schon vorhin wurde angedeutet, weshalb das Christentum grundsätzlich kein Interesse für sie hatte. Aber auch das Altertum sah sie mehr ästhetisch-spekulativ als empirisch an. Den Griechen war das Universum ein Kosmos, kein Mechanismus, ein lebendiges, beseeltes, von der Vernunft beherrschtes Wesen, keine tote Maschine. Selbst der universelle ARISTOTELES, außer DEMOKRIT, ARCHIMEDES und einigen Alexandrinern, in dem langen Zeitraum von fast zweitausend Jahren das größte, wenn nicht einzige Beispiel von echt naturwissenschaftlichem Sinn, hatte seine Hauptstärke doch mehr in der Spekulation und in den ethisch-geistigen Wissenschaften, als in den empirischen Beobachtungen und Experimenten (23). Zwar gilt ARISTOTELES als "der erste und bedeutendste Zoologe des Altertums, sowohl nach der systematischen als auch nach der morphologischen Seite hin." Die Beispiele, welche zur Kennzeichnung der Feinheit, mit der ARISTOTELES auch auf naturwisenschaftlichem Gebiet arbeitete, von den hervorragendsten Autoritäten angeführt werden, können allerdings unsere Bewunderung erregen. Dennoch treten diese Leistungen im Verhältnis zu denjenigen auf geistigem Gebiet sehr in den Schatten zurück (24). Im Ganzen werden wir die Anfänge und Leistungen in der Naturwissenschaft bis in die neuere Zeit gegenüber den Schöpfungen in der Religion, Kunst, Philosophie doch wohl als sehr dürftige bezeichnen müssen. Vergleicht man die Ergebnisse der heutigen Forschung mit denjenigen des Altertums, so ist es kaum eine Übertreibung, wenn man behauptet, daß es eine Naturwissenschaft im eigentlichen Sinn früher noch gar nicht gegeben hat. Sie ist etwas völlig Neues und das Charakteristische der modernen Zeit.

Man spricht allerdings auch von einer neueren und neuesten Philosophie und versteht darunter die Epoche von CARTESIUS bis HEGEL. Neu ist sie aber doch nur im Verhältnis zur Scholastik und zwar hauptsächlich in Bezug auf einzelne Problem und den Standpunkt, den sie statt in der Offenbarung, im autonomen Denken einnahm, nicht aber in Bezug auf die Methode und die letzten Prinzipien. Materialistische, pantheistische, theistische Systeme gab es im Altertum wie im Mittelalter. Sogar zur Erkenntnistheorie, wohl das Originellste in der neueren Zeit, nahmen die Eleaten, Sophisten, Skeptiker und indirekt auch SOKRATES und seine Nachfolger in der wissenschaftlichen Begründung der Allgemeingültigkeit der Begriffe einen bedeutenden Anlauf. Was aber den Standpunkt des selbständigen, autonomen Denkens betrifft, so wird man zugeben, daß ihn schon die Alten einnahmen, daß er durch den Offenbarungsglauben nur verdrängt und wieder aufs Neue erobert werden mußte. Auch die induktive Logik und Methode, als deren Urheber FRANCIS BACON genannt wird, ist nicht neu. SOKRATES ist eigentlich deren Begründer; er hat die Induktion praktisch eingeführt, mit der größten Meisterschaft gehandhabt und ARISTOTELES sie wie kein anderer vor und nach ihm bis in die neuere Zeit, sowohl in seinen naturwissenschaftlichen Forschungen wie auch insbesondere auf geistigem Gebiet angewandt und theoretisch ausgebildet. Das induktive Verfahren lag schon in seiner vorwiegend realistischen Denkweise begründet, falls man unter Realismus die Erfahrung überhaupt und nicht bloß das, was durch äußere Sinneswahrnehmung erkannt wird, versteht (25). Es ist nicht einzusehen, weshalb BACON und mit ihm die neuere Naturwissenschaft soviel Wesens aus dieser Methode machten, als ob sie etwas durchaus Neues und Unerhörtes wäre. Tatsächlich wurde sie zu allen Zeiten und wird sie tagtäglich von Jedermann geübt. Sie ist so alt wie die menschliche Erfahrung selbst. Etwas anderes ist es freilich, wenn die Induktion mit Absicht auf einen bestimmten Gegenstand angewendet wird. Erst von da an wird sie methodisch und wissenschaftlich, während sie vorher bloß praktisch und zufällig war (26). Das Neue und Verdienstvolle bei BACON besteht also nicht in der Erfindung, sondern ausschließlich in der Anwendung der Induktion auf die Natur, oder noch genauer darin, daß er ihre Notwendigkeit und Unentbehrlichkeit zum allgemeinen Bewußtsein brachte. Nur in der Aufstellung und Geltendmachung dieser Methode auf die gegebene Wirklichkeit liegt seine Bedeutung. Dadurch ist er der Hauptvertreter und Begründer des Empirismus geworden. Daß er aber die Methode mit den Gebieten, auf welche sie sich anwenden läßt, verwechselte und von der Ansicht ausging, daß auch Philosophie und Mathematik rein empirische Wissenschaften sind und in gleicher Weise behandelt werden müssen, war ein Fehler, den seine Nachfolger, statt ihn zu korrigieren, noch verschlimmerten. Da es eine innere und äußere Erfahrung gibt, BACON aber vorzugsweise nur die letztere ins Auge faßt, so bildeten sich aus dieser Einseitigkeit drei verschiedene Richtungen aus: eine subjektive, objektive und absolute. Die erstere bezieht sich hauptsächlich auf das Erkennen - Sensualismus; die andere mehr auf die sozialen Gebiete: Naturrecht, Nationalökonomie, Staatslehre - Naturalismus; die dritte auf die letzten Gründe allen Seins - Materialismus (27).

Der Hauptvertreter des Sensualismus ist LOCKE. Er unterscheidet zwar zwischen Sensation und Reflexion bzw. äußerer und innerer Wahrnehmung. Dennoch sollen alle Vorstellungen aus jener entspringen. Da nach LOCKE die Seele ansich eine tabula rasa ist und ihre geistige oder materielle Beschaffenheit dahingestellt bleibt, so ist die Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Sinnen zumindest unbestimmt. Die innere Sinnestätigkeit, welche in der Selbstverfassung des Menschen als eine denkenden und wollenden besteht, kann ebenso materiell sein, wie die äußere. HOBBES hatte im Anschluß an BACON bereits vor LOCKE diese Konsequenzen gezogen. Nach ihm beruhen alle realen Vorgänge auf Bewegungen; diese affizieren die Sinne, pflanzen sich von da aus zum Gehirn und weiter zum Herzen fort, welches sodann eine Rückwirkung ausübt, woraus die Empfindungen entstehen. Wie aber aus der mechanischen Bewegung rein materieller Körperchen bewußte Empfindungen hervorgehen können, hat er nicht erklärt. An diesem Widerspruch leidet der Materialismus alter und neuer Zeit. Indem nun LOCKE den Empirismus auf das Subjekt beschränkte, hat er die sensualistische Erkenntnistheorie begründet, aber auch zugleich BACONs Induktion eine andere Richtung gegeben. BACON erstrebte mittels seiner Methode die Erkenntnis der Natur und Geschichte; er wollte den kausalen Zusammenhang aller Erscheinungen und deren objektive Gesetzmäßigkeit begreifen. Durch sinnliche Vorstellungen, die aus den einzelnen zufälligen Eindrücken der Außendinge bestehen, können aber solche Gesetze mit einem Charakter der Allgemeinheit und Notwendigkeit nicht erkannt werden. Wir wissen nur um die Aufeinanderfolge solcher Vorstellungen und Erscheinungen, welche wir gewohnheitsmäßig miteinander verbinden. Die in den Erscheinungen wirkende Kraft aber kann sinnlich nicht wahrgenommen werden. Bloße Gewohnheiten des Vorstellens nach gewissen Ideenassoziationen sind keine objektiven Gesetze, wonach sich der Prozeß der Natur und Geschichte vollzieht. Diese Konsequenzen mit vielem Scharfsinn aus der Theorie des Sensualismus gezogen zu haben, ist das große und bleibende Verdienst von DAVID HUME.

Der Sensualismus ist keine notwendige Folge der empirischen Induktion, außer insofern alle Erkenntnis aus der Sinnlichkeit abgeleitet und das ganze Gebiet der inneren Erfahrung als geistiges geleugnet wird. Innere und äußere Erfahrungen sind ohne nähere Bestimmung unklare und zweideutige Unterscheidungen. Die innere kann ebenso materialistisch gefaßt werden, wie die äußere, und die Induktion als Methode ist neutral. Denn: wie gesagt: SOKRATES und ARISTOTELES bedienten sich ihrer mit demselben Erfolg auf geistigem, wie die heutige Naturwissenschaft auf empirischem Gebiet, ohne daß jene deshalb dem Sensualismus und Materialismus verfielen. Es kommt nich auf die Methode, sondern auf die Beschaffenheit des Gegenstandes an, worauf man sie anwendet, und auf die Quelle, woraus man die Erkenntnis des Gegenstandes schöpft. Schließlich handelt es sich um den großen Gegensatz von Geist und Materie. Die verschämte, versteckte Art des Sensualismus, wie ihn LOCKE auffaßt, umgeht diese entscheidende Frage. Aber die weitere Entwicklung des englischen Sensualismus zum französischen Materialismus hat die natürlichen Konsequenzen an den Tag gelegt. Der Sensualismus im Sinne LOCKEs ist entweder eine Halbheit und Inkonsequenz oder ein verkappter Materialismus. Daß alle Erkenntnis aus den Sinneswahrnehmungen entspringt, ist von vornherein falsch. Versteht man aber unter Sinnlichkeit die Empfindung überhaupt, sei sie innerlich oder äußerlich, so hat man nur eine allgemeine Tatsache konstatiert, womit noch gar nichts erklärt ist. Denn das ist es ja gerade, was man wissen möchte, ob die Empfindung als Grundlage des gesamten Lebens und Denkens aus materiellen, mechanischen oder geistigen Ursachen zu erklären ist. Ehe man den Widerspruch beseitigt hat, daß aus toter Materie Bewußtsein entspringen kann, ist alles andere bloß eine Beschreibung von Funktionen, die absolut nichts zur Entscheidung der wichtigen Frage beiträgt, ob man den Menschen und überhaupt das animalische Leben als etwas Besonderes und Eigenartiges oder als ein gewöhnliches Naturwesen, das in jeder Beziehung unter mechanisch wirkenden Gesetzen steht, zu denken hat.

Der Materialismus ist die eine Konsequenz aus dem Sensualismus; die andere, die skeptische, hat, wie schon erwähnt, HUME gezogen, indem er die objektive Erkennbarkeit des Zusammenhangs zwischen Ursachen und Wirkungen und damit die wissenschaftliche Berechtigung, vermöge des Kausalprinzips die sinnliche Erfahrung zu überschreiten und auf das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele zu schließen, leugnet (28). Äußerlich führt dieser Skeptizismus zu demselben Resultat, wie der französische Materialismus. Die Folgerichtigkeit von jenem Standpunkt aus verlangt aber, daß, wenn wir überhaupt keine objektive Substanz und Ursache kennen, es dahin gestellt bleiben muß, von welcher Beschaffenheit die Ursache ansich ist. Da HUME die Ursache keineswegs leugnet, sondern nur deren Erkennbarkeit bestreitet, so ist weder auf die geistige nocht auf die materielle Beschaffenheit der Seele oder des Absoluten ein Schluß gestattet. Der französische Materialismus verfährt empirisch und dogmatisch, HUME dagegen empirisch und skeptisch; er ist scharfsinniger und konsequenter als jene. Ohne den Nachweis, daß unsere Denkfähigkeit über die Sinnlichkeit hinaus allgemeine Wahrheiten erreichen kann, ist der Schluß auf eine ewige Materie willkürlich. Nun kennt aber der französische Sensualismus nur Empfindungen; auf diesen beruth alles Wissen. Das Leben nötigt uns, anzunehmen, daß zwischen diesen Empfindungen und den Außendingen eine Beziehung stattfindet. Woher aber diese Empfindungen stammen und welche Beschaffenheit ihnen zukommt, wissen wir nicht. Wir haben uns mit der Tatsache zu begnügen, daß sie existieren und daß die Wissenschaft nur eine Phänomenologie des Bewußtseins ist. Es bedarf wohl keines Beweises, daß aus diesen Voraussetzungen nur ein Skeptizismus folgen kann. Trotzdem schloß man auf ein metaphysisches Prinzip und huldigte dem Materialismus, was natürlich die Inkonsequenz und Oberflächlichkeit dieser Denker erst recht an den Tag legt.
LITERATUR - Gideon Spicker, Die Ursachen des Verfalls der Philosophie in alter und neuer Zeit, Leipzig 1892
    Anmerkungen
    1) KANT, Kritik der reinen Vernunft, Ausgabe von KIRCHMANN, 1868, Seite 46. ARISTOTELES, Anal. post I, 1. Metaphysik I, 9, 992b, 30. Ethik VI, 3. De anima III, 8, 432a, 4. De sensu. VI. 445b, 16.
    2) Treffend bemerkt schon ARISTOTELES gegen die Konsequenz dieses Satzes, es würde, wenn nur das sinnlich Wahrgenommene existiert, gar nichts vorhanden sein, falls nicht die lebenden Wesen wäre, denn dann gäbe es keine Wahrnehmung. (Metaphysik III, 5, 1010b, 30)
    3) Ähnlich sagt auch ARISTOTELES, obgleich er die Seele als ein "ungeschriebenes Buch" betrachtete, daß sie trotzdem "gewissermaßen alles Seiende" ist und sich zu Formen verhält, wie die Hand zu den Werkzeugen. (De anim. III, 8)
    4) KANT, Kr. d. r. V., a. a. O., Seite 102
    5) ARISTOTELES, Metaphysik I, 5, 986b, 27. Vgl. Phys. I, 3.
    6) HERAKLIT, Fragmente 22
    7) ARISTOTELES, Phys. I, 6-10. Metaphysik VIII, 4, 1044a. ZELLER, Griechen II, Seite 313f.
    8) ARISTOTELES, Phys. I, 7, 191a
    9) Metaphysik VII, 3, 1029a, 20. De coelo III, 8. Zeller, Griechen II, 2, Seite 323f. BÄUMKER, Das Problem der Materie in der griechischen Philosophie, 1890, Seite 238-241.
    10) ARISTOTELES, Metaphysik I, 1, 981a, 1-30. Anal. post. XIX, B, 10-16.
    11) ARISTOTELES, a. a. O. I, 1, 981a, 20-29.
    12) ARISTOTELES, Metaph. I, 4, 985b, 13. Simpl. i. phys. 106.
    13) SEXTUS EMPIRICUS, adv. Math. VII, 135, 139 bei RITTER und PRELLER Hist. philos. Seite 50.
    14) Die Philosophie besteht ihm in der Betätigung der Vernunft zum Zweck eines glücklichen Daseins. SEXT. EMP. adv. Math. XI, 169. DIOGENES LAERTIUS X, 122: Dabei werden allerdings die geistigen Genüsse über die sinnlichen gesetzt. DIOGENES LAERTIUS X, 137.
    15) DIOGENES LAERTIUS IX, 51. PLATON, Theaet. 152a, 160-166a. Crat. 386a
    16) DIOGENES LAERTIUS IX, 51. ARISTOTELES, Metaphysik IV, 5, 2.
    17) DIOGENES LAERTIUS IX, 78. ZELLER III, 2, 24, Anm. 2
    18) Man kann eine konservative und radikale Scholastik unterscheiden. Jene verhält sich zu dieser wie die Regel zur Ausnahme. Letztere hatte allerdings die Zukunft für sich und wird deshalb im zweiten Teil des Näheren beleuchtet werden.
    19) Vgl. in Bezug auf diesen Terminus EDUARD von HARTMANNs Abhandlungen: von Kirchmanns erkenntnistheoretischer Realismus, 1875, Seite 2f und "Das Grundproblem der Erkenntnistheorie, 1889, Seite 1-40f
    20) Vgl. HEINRICH von EICKEN, Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung, 1887, Seite 311-325, 611-623. Dieses inhaltsreiche, aber einseitige Werk ist nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen.
    21) JUSTUS LIEBIG, Über Francis Bacon von Verulam und die Methode der Naturforschung, 1863, Preußische Jahrbücher 1863, Bd. XII, Heft 2.
    22) FRIEDRICH HARMS, Die Philosophie seit Kant, 1876, Seite 39
    23) Bei ARISTOTELES muß man das System von der Person unterscheiden. Treffend bemerkt ZELLER hinsichtlich der Naturanlage des großen Denkers und Forschers: "Beide Züge (dialektische Begriffsentwicklung und umfassendste Beobachtung) sind gleich sehr in der geistigen Anlage seines Stifters gegründet, dessen Größe eben auf dieser seltenen Vereinigung dessen beruth, was sich in den meisten Menschen ausschließt, auf der gleichmäßigen Entwicklung des philosophischen Denkens und einer dem Tatsächlichen mit lebendiger Empfänglichkeit zugewendeten Beobachtungsgabe." (Griechen II, 2, Seite 798) Dagegen heißt es weiter in Bezug auf das System Seite 801: "Wie in seinem wissenschaftlichen Verfahren die Dialektik und die Beobachtung, das spekulative und das empirische Element nicht völlig im Gleichgewicht stehen, sondern die sokratisch-platonische Begriffsphilosophie immer wieder über die strengere Empirie den Sieg davon trägt, so stehen wir auch in seinen metaphysischen Grundsätzen die gleiche Erscheinung sich wiederholen."
    24) Vgl. GÜNTHER und WINDELBAND, Geschichte der antiken Naturwissenschaft und Philosophie, 1888, Seite 103f. ZELLER, Griechen II, 2, Seite 246, Anmerkung 3
    25) ZELLER, Griechen II, 2, Seite 179, 240f. EUCKEN, Die Methode der aristotelischen Forschung, Seite 122f, 152f.
    26) Bezüglich der Einseitigkeit und Unzulänglichkeit dieser Methode namentlich auf geistigem Gebiet vgl. EUCKEN, Geschichte und Kritik der Grundbegriffe der Gegenwart, 1878, Seite 31f, sowie den ganzen Abschnitt "Erfahrung", Seite 28-78.
    27) HARMS, a. a. O., Seite 52.
    28) vgl. FRIEDRICH JODL, Leben und Philosophie David Humes, 1872, Seite 148f