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HERMANN COHEN
Logik der reinen Erkenntnis
(4/5)

 - Vorrede / Einleitung und Disposition
1. Die vierfache Bedeutung von Erkenntnis
2. Die Geschichte des Begriffs der reinen Erkenntnis
3. Das Verhältnis der Logik der reinen Erkenntnis zur Kritik
4. Das Problem der Psychologie
5. Das Denken der Wissenschaft
6. Das Denken der Wissenschaft und die Psychologie
7. Die Terminologie des Denkens
8. Die Logik des Ursprungs
9. Umfang der Logik
10. Das Urteil und die Kategorien
11. Das Urteil und das Denken
12. Die Arten des Urteils und die Einheit der Erkenntnis
Erste Klasse: DIE URTEILE DER DENKGESETZE
Erstes Urteil: Das Urteil des Ursprungs
Zweites Urteil: Das Urteil der Identität
Drittes Urteil: Das Urteil des Widerspruchs
   
"Und wie die Identität das schlechthin herrschende Prinzip ist, so ist ihr Widerspiel, der Widerspruch, das Grundgesetz der Verwaltung in allen Gebieten der Forschung. Recht muß Recht bleiben. Und Unrecht kann niemals Recht werden. Gut ist gut und schlecht ist schlecht. Hier darf es keine sogenannte Vermittlung geben, so wenig wie Wahrheit eine solche verträgt mit der Unwahrheit."

"Die Identität von Natur und Geist, von Materie und Bewußtsein ist ein Sehnsuchts-Gedanke, in dem sich Spiritualismus und Materialismus begegnen."

"Wir wissen es, das Prinzip ist die Erkenntnis."

"Die verkehrte Ansicht, daß das Denken als Vereinigung im Bilden von Ordnungen bestehe, hat ihren Grund im fundamentalen Vorurteil, daß dem Denken sein Stoff von der Empfindung gegeben werde und daß das Denken diesen Stoff nun zu bearbeiten habe."
   

9. Umfang der Logik

Die Logik hat nunmehr ihren Schwerpunkt erlangt, von dem aus alle Probleme der Erkenntnis behandelt werden, von dem sie ausstrahlen und aus dem sie zur Lösung kommen müssen. Diesem Archimedischen Punkt ensteht nun aber eine neue Aufgabe. Wir haben gesehen, daß von Anfang an die Grundlegung, das Prinzip nicht ausschließlich für die mathematische Naturwissenschaft, nicht einmal für die Mathematik gedacht worden war. Und wie es bei PLATON war, so wiederholt es sich bei DESCARTES. Wir erkannten in dieser unkontrollierten Ausdehnung der Grundlage und demgemäß der Erkenntnis den allgemeinsten Grund der Verwirrung in der Geschichte der Logik. Und die neue Zeit kündigt sich allgemein an als die Morgenröthe dieses Bewußtseins der Aufrichtigkeit und des Mutes: daß die moralische Gewißheit von anderer Art sei, als die mathematische.

Wenn nun aber gleich die Arten der Gewißheit verschieden sind, soll damit zugleich auch das  moralische Denken  aller Gewißheit verlustig gehen? Vermag es nicht an seinem Teil sowohl Lehrgebäude aufzurichten, wie Einrichtungen und Stiftungen der Kultur herbeizuführen, welche an Geschlossenheit und Macht mit den Schöpfungen der Natur wetteifern? Wie in der Natur Kräfte und Gesetze walten, so herrschen in der sittlichen Kultur Gewalten und Normen, die man nicht auf den zufälligen Einfluß wechselnder Personen in ihrem letzten Grund wird zurückführen wollen. Auch da erhebt sich der Gedanke und die Forderung eines  Gesetzes  und damit das Problem eines Prinzips und einer Grundlegung für die Möglichkeit solcher Gesetze.

Eine dritte Art der Kultur taucht früh in der  Kunst  auf. Ist es etwa die Willkür, die sie hervorzaubert? Und ist es die Willkür, die sie in der Geschichte der Menschheit erhält? Befriedigt für diese Frage etwa die Annahme eines Naturtriebes? In gleicher Weise könnte man auch den Instinkt verantwortlich machen für den Plan sittlicher Gesetze. Und wenn man dem instinktiven Naturtrieb das Brutale nimmt, wird er etwa unter dem humanen Schein des Naturgesetzes eine präzisere Instanz? Mit dem Naturgesetz könnte man auch die Logik behandeln, vielmehr erledigen. Denn das Denken verlöre damit seine notwendige Relation zur Wissenschaft und ihren Gesetzen, für welche die Logik die Grundlagen zu entdecken hat. Die Gesetze wären dann nicht die in der Wissenschaft zur Entdeckung kommenden Gesetze, sondern im Bewußtsein würden sie angenommen. Und aus dem allgemeinen Gebiet der Wissenschaft würde als ein spezielles das des  Bewußtseins  abgezweigt.

Gilt denn aber für diesen Zweig des Bewußtseins noch die methodische Wurzel der mathematischen Naturwissenschaft? Ist darüber nicht gerade großer und tiefer Streit? Und kann dieser Streit auf anderem Weg geschlichtet werden, als auf dem Weg der Logik? Ist es nicht eine Tautologie der Probleme, wenn man die Logik die Lehre von den Gesetzen des Denkens nennt? Was sind denn Gesetze? Soll nicht vielmehr das Denken den Begriff des Gesetzes zur Bestimmung bringen? Der Schein der Tautologie versteckt sich hinter die Illusion, daß diese Gesetze die Naturgesetze des Denkens sein sollen. Aber die  Naturgesetze  sind ja gerade das Problem. Und zur Lösung dieses Problems geht die Logik vom Grundgedanken geschichtlicher Einsicht aus, daß den Gesetzen der Natur Erkenntnisse oder Prinzipien zugrunde liegen und daß das Denken diese Grundlegungen zu entdecken habe. Das Problem der Naturgesetze also führt zur Logik. Der verkehrte Weg wäre es demnach, in der Logik bereits angebliche Naturgesetze des Denkens anzunehmen, um von diesen aus hinterher erst zum Begriff eines Naturgesetzes aufzusteigen. Diese Verkehrtheit wäre unmöglich, wenn das Denken ausschließlich auf die Erkenntnis bezogen würde und nicht vielmehr als das Erkennen zu einem Vorgang des Bewußtseins nivelliert und in den Mischmasch der Probleme geworfen würde, welche bisher das Gebiet der Psychologie ausfüllen.

Gehen wir nun zu den ursprünglichen Fragen zurück, so sind die Naturtriebe als Naturgesetze ebensowenig für die Ästhetik und für die Ethik ein methodisches Prinzipg, wie für die Logik. Nichtsdestoweniger aber erhebt sich die Forderung eines Gesetzes für alle diese  drei Grundrichtungen der Kultur.  Sie erhebt sich unter dem methodischen Ausdruck einer Grundlegung, eines Prinzips, einer Erkenntnis, welche bei scharfer Reinhaltung der Verschiedenheit, dennoch die Gemeinsamkeit einer Wurzel oder einer Quelle, die Gemeinsamkeit eines Ursprungs zu bedeuten vermöchte. Wir haben das Denken, um es von der Phantasie und von der Vorstellung zu unterscheiden, auf die Erkenntnis bezogen. Der methodische Zweck hat diese Unterscheidung geleitet. Nicht aber war dies etwa die Meinung, daß nur das mathematische Denken als Denken verstanden werden dürfe.

Auch auf die Sittlichkeit und auf die Kunst bezieht sich mit Fug das Denken. Auch in der Sittlichkeit und in der Kunst walten Bestimmungen und Regeln, die den Charakter von Gesetzen an sich tragen. Wenn dieses Ansehen kein leerer Schein ist, so müssen diese Regeln auf Grundlegungen sich zurückführen lassen, die zwar unterschieden werden mögen von denen der mathematischen Naturwissenschaft, die aber dennoch den methodischen Wert von Grundlegungen zu behaupten haben. Und wenn jene Regeln der Sittlichkeit und der Kunst auf den Erkenntnissen analoger Grundlegungen zurückführbar sein sollen, so muß das Denken auch auf sie Bezug gewinnen. Denn Grundlagen zu erzeugen, das ist und bleibt die Aufgabe des Denkens.  Also muß die Logik auch zur Ethik und zur Ästhetik in Beziehung gesetzt werden. 

Hier könnte der Einwand entstehen, daß an Stelle dieser Beziehung zwischen der Logik und den Geisteswissenschaften samt der Kunst die  Psychologie  eintreten dürfte, die von der Logik der mathematischen Naturwissenschaften geschieden bleiben mag. Man könnte meinen, zur Logik der Geisteswissenschaften sei sie brauchbar und hinlänglich. Und gerade, wie wir die Psychologie mit einem neuen Inhalt erfüllt haben, könnte man, von der mathematischen Naturwissenschaft absehend, die Berechtigung dieser Beziehung begründet und anerkannt glauben. Dabei würde man aber, ganz abgesehen von der mathematischen Naturwissenschaft, die Hauptsache fallen lassen.

Wenn wir hier die Ausdehnung der Logik auf die  Geisteswissenschaften  ins Auge fassen, so ist es keineswegs die Meinung, daß die Logik inhaltlich die Bestimmungen und Regeln zu erzeugen hätte, welche dort walten mögen; sondern nur methodisch soll sie die Anlage der zu fordernden Grundlegungen vorbereiten und zubereiten.  Diese methodische Disposition allein wird in der Beziehung auf die Logik angenommen.  Wenn dagegen die Psychologie den Geisteswissenschaften als leitende Disziplin vorgesetzt wird, so ist der Sinn dabei, daß die Psychologie auch inhaltlich jene Normen der Sittlichkeit zu erklären und vertreten habe.  So geht die Selbständigkeit der Ethik und der Ästhetik an die Psychologie verloren.  Und die Folge würde sein, daß der Begriff des Gesetzes in der Ethik und vollends in der Ästhetik zunichte und eitel würde. Denn so wenig die Psychologie Gesetze des Denkens zu erzeugen vermag, ebensowenig kann sie Gesetze für Sittlichkeit und Kunst gewährleisten.

Wir sehen jetzt klar, in welchem rein methodischen Sinn eine Erstreckung der Logik auf die Geisteswissenschaften hier gefordert wird. Vor den Geisteswissenschaften aber meldet sich noch von der Seite der Naturwissenschaft ein natürlicher Anspruch an. Zugleich mit der mathematischen Naturwissenschaft hat sich im griechischen Altertum die  beschreibende  Naturwissenschaft erhoben und ARISTOTELES, der die Methodik der Mathematik verfehlte, hat die Biologie ausgebaut. Eine Eigenart des Denkens wird auf diesem Gebiet begünstigt, bevorzugt, man möchte sagen, zu einem Eigenwert ausgeprägt. Wir haben soeben auf den Ausdruck Bezug genommen, mit welchem besondern in der mathematischen Naturwissenschaft die Bestimmungen und Regelmäßigkeiten bezeichnet werden, den Ausdruck der  Gesetze,  der jedoch allgemein in Anspruch genommen wird. Wir hatten unsere Betrachtungen, welche von vornherein auf das Problem des Gesetzes gerichtet waren, unter Vermeidung dieses Ausdrucks an den Terminus der  Erkenntnis  angesponnen. Wir sahen aber, wie die Erkenntnis durch den Begriff zur Entwicklung kam.

Der Begriff ist es, mit dem vorzugsweise die Naturwissenschaft der Organismen operiert und an den sie sich in der  Species  anklammert. Der Begriff ist unterschieden vom Gesetz. Aber das Gesetz hat doch notwendigerweise den Begriff zur Voraussetzung. Und so ist  im Begriff die beschreibende Naturwissenschaft mit der mathematischen Naturwissenschaft so verbunden, als geschieden.  Die Verbindung im Begriff, so weit sie statthaft ist, stellt zugleich die Verbindung des Denkens her in beiden Gebietenf. Und so ist die Ausdehnung der Logik auf das Gebiet der beschreibenden Naturwissenschaft vorerst gerechtfertigt. Ohnehin verharren die Methoden dieses Gebietes keineswegs in einem Gegensatz zur mathematischen Naturwissenschaft, sondern sie betrachten diese als ihr Ideal, dem sie zustreben und dem sie ihre Methoden anpassen.

Anders steht es mit den  Geisteswissenschaften.  Hier liegen die Verbindungen bei weitem nicht so nahe, wie dort. Und gerade der Schein der Nähe ist verführerisch und gefährlich. Und es ist der Aberglaube einer Spekulation, welche die Jahrtausende durchzieht, durch den diese Illusion genährt wird. Die  Identität von Natur und Geist von Materie und Bewußtsein ist ein Sehnsuchts-Gedanke, in dem sich Spiritualismus und Materialismus begegnen. Und immer wieder soll es nicht eine Jenseits-Hoffnung bleiben, sondern auf dem Boden der Forschung wird der Zauber zu lösen versucht, der beide Reich bannt. Angesichts dieser auch jetzt wieder obschwebenden Gefahr ist Behutsamkeit erforderlich und Vorsicht für den Gedanken, in welchem Sinn und Maß der Logik auf die Geisteswissenschaft Beziehung zu verstatten sei. Aber es kann keine Frage sein, daß die Beziehung gefordert, daß die Art und die Richtung und das Maß derselben bestimmt werden müssen.

Leitend muß hierbei der Gedanke sein, den wir schon der Psychologie gegenüber ausgesprochen haben. Die Selbständigkeit, die Eigenart, der eigene Inhalt kann und darf den Prinzipien der Geisteswissenschaften auch von der Logik nicht gegeben werden, so wenig als von der Psychologie. Aber die Dispositionen zu diesen Grundlagen müssen allerdings innerhalb der Logik liegen. Unmittelbar naheliegend ist hier der Gedanke, daß alle Wissenschaften ja schließlich menschliches Denken seien. Indessen so plausibel diese Begründung scheint, so dürfen wir uns doch nicht von ihr leiten lassen. Das Denken gilt uns hier nicht als menschliches Denken. Im Begriff der Erkenntnis allein darf die Verwandtschaft gesucht werden. Und durch ihn wird auch der Kern des Richtigen, der in der Annahme des menschlichen Denkens liegt, getroffen, ohne daß er irreführend werden kann.

Die durchgreifende Bedeutung der Mathematik ist auch für die Geisteswissenschaften unbestreitbar. Die  Geschichte  beruht auf Chronologie. Die  politische Ökonomie  auf Statistik. Die  Rechtswissenschaft  hat zum mindesten eine ihrer Wurzeln im Begriff der Bedingung. Und schon die Einheit ist ein wichtiges Problem in ihr. Die  Religion  könnte man die Logik des Zwecks nennen. So umfassend ist das Prinzip des Zwecks die Grundlage bei allen ihren Fragen. Durch den Zweck hängen Gott und Natur zusammen. Aber es ist nicht die mathematische Natur, sondern vielmehr die biologische, auf welche der Zweck bezogen werden kann. Diese Unterscheidung aber wurde nicht zugestanden, nicht erkannt. Seit ARISTOTELES hatte daher die Wissenschaft und die Erkenntnis ausschließlich teleologischen Charakter. Darauf beruht der Kampf der neuen Zeit gegen ARISTOTELES und gegen den Zweck. Und doch ist der Zweck eine unvermeidliche, eine unentbehrliche Grundlage, wenn sie in einer genauen methodischen Grundlegung gewonnen wird.  So hängen im Zweck die Geisteswissenschaften zunächst durch die beschreibende Naturwissenschaft mit der Logik zusammen.  Die Logik muß die Art von Ordnung bestimmen und ihr Gebiet begrenzen, als welche im Unterschied von den Gesetzen der mathematischen Naturwissenschaft der Zweck-Begriff wirksam und fruchtbar ist.

Was ferner wäre die  Ethik  ohne den Begriff des Ursprungs? In ihm liegt die Wurzel für die Grundlage der Ethik: das Prinzip der Freiheit. Sie aber liegt in einem alten Streit mit dern Notwendigkeit und so wird zur Sicherung der Freiheit selbst das Denken der Notwendigkeit erforderlich. Wie die Freiheit die methodische Grundlage der Ethik bildet, so dreht sich ihr Inhalt um die Begriffe Gemeinschaft und Individuum. Und so hängt sie wiederum mit den logischen Begriffen der Einheit und der dynamischen Gemeinschaft zusammen.

Auch die  Ästhetik  endlich muß im Ganzen ihres Entwurfs, wie in einzelnen Grundbegriffen auf die Logik zurückgehen. Hierfür ist schon entscheidend, daß eine der Voraussetzungen der Kunst die Natur ist und wahrlich nicht allein und schlechthin die biologische Natur. Zahl und Größe sind ihre Maße. Das Ganze und die Teile ihre Normen. Und was ist die Harmonie anderes, als eine Proportion? Somit hängt die Ästhetik im Grundbegriff der Relation mit der Logik zusammen.

Gemeinsam aber ist allen Geisteswissenschaften mit der mathematischen Naturwissenschaft die Voraussetzung, daß das Denken festgeprägte, unveränderliche Erzeugnisse zu geben und zu sichern vermag. Die Identität des PARMENIDES ist der Polarstern aller Wissenschaft und aller Forschung, alles Denkens. Und wie die Identität das schlechthin herrschende Prinzip ist, so ist ihr Widerspiel, der Widerspruch, das Grundgesetz der Verwaltung in allen Gebieten der Forschung. Recht muß Recht bleiben. Und Unrecht kan niemals Recht werden. Gut ist gut und schlecht ist schlecht. Hier darf es keine sogenannte Vermittlung geben; so wenig wie Wahrheit eine solche verträgt mit der Unwahrheit. So sind die Grundpfeiler des Denkens ebensosehr die Voraussetzungen in den Geisteswissenschaften, wie im Denken der Erkenntnis.


10. Das Urteil und die Kategorien

Die Elemente der reinen Erkenntnis sind früh und zwar zuerst als  Begriffe  zur Auszeichnung und Aufstellung gekommen. Die  Pythagoreische Tafel der Gegensätze  enthält beinahe schon das ganze Inventar, das die Folgezeit gebraucht und nur in einigen Termini im Ausdruck verändert hat. ARISTOTELES sodann hat diese Grundbegriffe vom Schema der Gegensätze befreit; denn der Gedanke der Gegensätze gehörte einer anderen, mehr kosmogonischen Richtung an. Aber er hat zugleich bei aller sonstigen Übereinstimmung durch die Voranstellung des Begriffs der  Substanz  eine wesentliche Veränderung vorgenommen. Gerade PYTHAGORAS hatte die Substanz entdeckt, dennoch sie aber in die Tafel nicht aufgenommen: es fehlte und mußte ihr der Gegensatz fehlen. Erst PARMENIDES hat im Denken das einzige Korrelativ dazu entdeckt. Aber die Veränderung, die ARISTOTELES an den Grundbegriffen vollzog, betraf einen noch allgemeineren Punkt.

Die Grundbegriffe sollen Elemente der reinen Erkenntnis sein. Mithin sind sie nach PARMENIDES ebensosehr Elemente des Seins wie des Denkens. Und es darf kein Zweifel bestehen, daß ARISTOTELES in seiner metaphysischen Logik ihnen diese Doppelbedeutung zugedacht hat. Aber er hat ihnen einen eigenen Namen gegeben, der ihnen bis auf unsere Tage geblieben ist, obwohl in diesem Namen die Schwierigkeiten in der Bedeutung und Behandlung der Logik verkörpert sind. Die  Kategorie  bedeutet sprachlich die  Aussage.  Die Wahl des Wortes läßt sich gut verstehen. Alle Aussagen beruhen, bewegen sich in diesen Grundrichtungen, welche die Kategorien bezeichnen. Alle Aussagen in allen Arten und Inhalten des wissenschaftlichen Denkens sind daher durch diese Grundformen der Aussage bedingt. Sie alle in ihrer unabsehbaren Mannigfaltigkeit sind daher nur als Abwandlungen zu betrachten von jenen Motiven. So läßt sich also der Terminus Kategorie für die Elemente der reinen Erkenntnis verstehen und rechtfertigen.

Indessen ist der Ausdruck Aussage ein Hinweis auf die Sprache. Wir kennen im Logos den innerlichen Zusammenhang von Sprache und Vernunft. Der Hinweis auf die Sprache ist kein fremder, kein äußerlicher und dennoch enthält er eine gefährliche Ablenkung. Die Logik konnte dadurch verleitet werden, sich auf die  Grammatik  zu stützen. Sie würde damit aber die Orientierung auf die reine Erkenntnis, als die Grundlagen der Wissenschaft, verlieren.

Diese Schwierigkeit ist für die Logik dadurch noch größer geworden, daß sie vom rein sprachlichen Interesse abzulenken schien. Schon ARISTOTELES hat diese Abwendung angebahnt, indem er die Aussage auf die  Wahrheit  bezog. Aber wie schon PLATO auf die Bildung des Gedankens im Wort, ja in der Silbe Rücksicht nahm und hierbei den Ausdruck Verflechtung gebrauchte, so ist ihm ARISTOTELES mit dem Ausdruck  Synthesis  gefolgt. Auch er hat hierbei den Nachdruck auf den Inhalt und Wert des Denkens gelegt, auf die "Synthesis zur Einheit". Er ist also keineswegs bei der psychologischen Bedeutung der Synthesis stehen geblieben. Dennoch aber hat sich der grammatische Ausdruck als verhängnisvoll erwiesen. Das Prädikat, die Aussage ist zwar nicht schlechterdings zum Satz geworden, aber zum Urteil. Kategorie ist nicht nur der Ausdruck für den Grundbegriff, sondern zugleich der Hinweis auf das  Urteil,  auf die Grundformen des Urteils.

Auch hier ist die Gefahr von einem Vorteil begleitet. Von Anfang an war der Gedanke des Grundbegriffs mit dem Vorurteil bedroht, als ob er fix und fertig dem Verstande eingeboren und ein erblicher Besitz desselben sei. Dieses Vorurteil hat sich forterhalten. Als die  Stoa  Axiome auszeichnete, benannte sie dieselben nicht nur als allgemeine Begriffe, obschon dem Gemeinsamen schon von HERAKLIT her der Naturgeruch anhaftet; sondern auch als natürliche Begriffe. Und beim Einfluß der Stoa in allen diesen Fragen des Rationalismus auf die neuere Zeit ist durch diese Terminologie auch jenes Vorurteil bestärkt worden. Wie nun aber der Gedankenbau der Stoa allenthalben auf Widersprüche stößt, so findet sich auch hier ein Gegengewicht gegen diese Richtung auf geschlossene Grundbegriffe. Die Denker der Stoa haben die formale Logik vornehmlich ausgebildet. Und sie haben bei der Einteilung derselben  die Lehre vom Urteil der Lehre vom Begriff vorausgehen lassen.  Wir sahen, daß im Ausdruck der Kategorie bei ARISTOTELES diese Richtung schon vorgezeichnet war. Die Elemente des Denkens, als die des Seins, sind nicht ausschließlich als Begriffe verzeichnet, sondern als Urteile.

Die Grundform des Seins, das ist die Grundform des Denkens, ist also nicht die Grundform des Begriffs, sondern die Grundform des Urteils.  So ist auch mit Bezug auf den Inhalt und das Ergebnis des Denkens die Synthesis zur Wahrheit geworden, die Synthesis zur Einheit. Das Alles ist schon bei ARISTOTELES vorliegend und konnte von ihm gelernt werden.  Die Kategorien sind nicht angeborene Begriffe,  sondern vielmehr die Grundformen, die Grundrichtungen, die Grundzüge, in denen sich das Urteil vollzieht. Der Aberglaube des Angeborenen konnte nicht wirksamer bekämpft und widerlegt werden, als durch die Charakteristik der Grundbegriffe, als Kategorien, als Betätigungsweisen des Urteils. Der Grundbegriff besteht also nicht in einem Resultat, sondern in einer Handlung. So enthält die Kategorie schon in ihrem Namen die sicherste Abwehr gegen den falschen Nativismus.

Trotz dieses großen Vorteils, den die doppelte Bedeutung oder wenigstens Beziehung der Kategorie mit sich brachte, ist sie andererseits schädlich geworden. Erstlich entstand die  Kollision dadurch zwischen Urteil und Satz.  Und während die Grundbegriffe in den Schein der Abhängigkeit von den  Redeteilen  gerieten, entstand für die Urteilsformen der Schein einer solchen Abhängigkeit von den  Ausdrucksformen  des Urteils. Die erste Art der Abhängigkeit, wie gefährlich sie war, konnte doch nicht so eingreifend gedacht werden, wie die zweite. Denn jetzt konnte der Gedanke entstehen, daß nur so weit und nur in der Weise, als das Urteil zum sprachlichen Ausdruck gebracht werden kann, eine Art des Urteils berechtigt sei; daß daher, wo die Satzform nicht ausgebildet oder verstümmelt ist, die etwa entsprechende Urteilsform ausfallen müsse. Und von der Urteilsart geht der Schluß auf den Grundbegriff, auf das Element der reinen Erkenntnis. Eine so schwere Gefahr liegt für die Ermittlung der Elemente der Erkenntnis im Ausgehen vom Urteil.

KANT hat diese Gefahr gesteigert. Zwei Gesichtspunkte beherrschen seine Ableitung der Elemente der Erkenntnis. Der eine Gesichtspunkt liegt in seinen synthetischen Grundsätzen, seinem Ausdruck für die Grundlagen, die Prinzipien der Erkenntnis. Der andere aber liegt in den Formen des Urteils, wie solche in der "allgemeinen Logik", seinem Ausdruck für formale Logik, traditionell verzeichnet sind. Die beiden Gesichtspunkte entsprechen seinen beiden Ansichten vom  a priori.  Die Grundsätze vertreten das  Transzendental - a priori;  die Urteilsarten das  metaphysische a priori.  Beide werden zusammengefaßt  in der Einheit des Bewußtseins. 

Aber auch dieser Ausdruck bringt in sich jene beiden Bedeutungen. Er bedeutet einmal gemäß der beherrschenden Bedeutung, welche in der neuen Zeit und zumal seit LEIBNIZ dem Bewußtsein zusteht, vorzugsweise die  Einheit der Grundsätze;  zugleich aber auch die  Einheit des Selbstbewußtseins.  Der metaphysischen Deduktion der Kategorien, mit welchem Namen KANT allein die Grundbegriffe benennt, entsprechen die Formen des Urteils. Da nun aber in der metaphysischen Bedeutung des a priori der Wert desselben in KANTs kritischem Sinn keineswegs liegt, sondern vielmehr in seiner transzendentalen Begründung und Ermöglichung, so ist damit zugleich die Gefahr bezeichnet, die im Ausgehen von der traditionellen Einteilung der Urteile für KANT gelegen war.

Sollen wir nun von der Tafel der Urteile gänzlich absehen und die Elemente der reinen Erkenntnis als Kategorien, als Grundbegriffe zu ermitteln suchen? Woher aber diese nehmen? Aus welchem Gesichtspunkt und auf welchem Gebiet sie aufsuchen? Man wird freilich sagen, im Gebiet der Prinzipien der mathematischen Naturwissenschaft. Aber diese Prinzipien sind nirgend auch nur mit dem Anspruch einer definitiven Gliederung aufgestellt. NEWTON hatte schon auf dem Titel den Anspruch eingeschränkt gemäß dem Losungswort GALILEIs: "Im Buche der Natur ist die Philosophie mit mathematischen Buchstaben geschrieben." Diese Losung ist jedoch nicht ohne Zweideutigkeit. Enthält denn etwa nur und ausschließlich die Mathematik diese Buchstaben? In NEWTONs Titel scheint sie die Prinzipien zu erschöpfen. Zwar liefert sie die Prinzipien für die  Philosophia naturalis , wie auch bei GALILEI durch die mathematischen Buchstaben im Buche der Natur die Philosophie geschrieben wird. Dennoch aber war damit der vielfach herrschenden Unklarheit über die richtige Verteilung der Anteile an den Prinzipien Vorschub geleistet. Während mächtige und tiefe Förderer der  Mechanik  in jenem Zeitalter am Anteil der  Metaphysik  festhielten, suchten diejenigen, welche genauere Präzision von der ausschließlichen Beziehung auf die Mathematik erstrebten, die Metaphysik ganz auszuschließen und scheuten es nicht, dafür den vagen Ausdruck der  Erfahrung  einzutauschen. Wo also sind die Prinzipien zu einer reinen Aussonderung gekommen?

Die Schwierigkeit liegt tiefer. Es handelt sich nicht allein um die Unterscheidung von Mathematik und Metaphysik für die Prinzipien. Denn  in der Mathematik selbst ist Metaphysik enthalten.  Man muß daher vorerst die Metaphysik in der Mathematik von der Metaphysik in der Physik unterscheiden, um zu den Prinzipien der Mechanik, als den Grundlagen der reinen Erkenntnisse vordringen zu können. Auch in der neueren Zeit ist an einem hervorragenden Beispiel der Fehler zu bemerken, daß bei der Begründung der Mechanik abgesehen wird von der Begründung der Mathematik. Wenn nun aber beim Pythagoreischen Element die Begründung der Wissenschaft, die Ermittlung ihrer reinen Erkenntnisse bei der Mathematik ihren Anfang nehmen muß, so wird der Blick unabwendlich wiederum auf das  Urteil  zurückgelenkt und der Gedanke stellt sich wieder ein, ob es recht und möglich sei, dem Urteil und seiner Orientierung zu entsagen. Sollte sich nicht die Gefahr, die bei dieser Abhängigkeit gegeben ist, beschwören lassen, ohne daß man der Anleitung gänzlich enträt, die bei methodischer Vorsicht in den Urteilsformen trotz aller Bedenken gegen sie doch gelegen zu sein scheint? Prüfen wir einmal vorläufig die allgemeine Schwierigkeit im  Verhältnis zwischen Kategorie und Urteil. 

Erstlich kann die Frage entstehen, ob die  Anzahl  in beiden entsprechend angenommen oder in Aussicht genommen werden darf. Es will scheinen, also ob für die armen Kategorien von Anfang an ein Prokrustesbett zum Maß gedient hätte. Sollten ihrer wirklich so wenige sein, daß sie sich auf die heilige Zehnzahl oder auf das Dutzend reduzieren ließen? Wenn es ihrer aber mehr, als bisher angenommen wurde, geben sollte, geben müßte, so bildetetn die traditionell gegebenen Urteilsarten mit ihrer Wurzelung in der Sprache ein autoritatives Hemmnis. Soll man, entsprechend den etwaigen neuen Kategorien, neue Urteilsformen aufstellen? Oder überhaupt etwa die Schablone der Urteile neu gestalten? Das Problem des Ursprungs, als das neue Grundproblem der Logik, könnte dazu anzureizen scheinen.

Demgegenüber halten wir an der historischen Ansicht fest, daß die echten schöpferischen Elemente des wissenschaftlichen Denkens in der Geschichte des wissenschaftlichen Denkens sich offenbaren und also in der Antike wurzeln.  Die Welt der Griechen ist nicht nur in der Kunst der Gallerie der Vorbilder; auch für die Wissenschaft enthält ihre Philosophie alle Grundlagen und alle Motive zu den  ewigen Abwandlungen  derselben. In der Einteilung der Urteile hat zwar erst die Nachblüte der Antik die Übersicht erweitert, aber sie ist den alten Spuren gefolgt und hat sich ihnen folgerichtig eingefügt.

Wenn sonach das Bedenken von der Anzahl sich erledigt, so bestehen doch noch andere Mißverhältnisse zwischen Kategorie und Urteil.  Darf in einer Urteilsart eine Mehrheit von Kategorien zur Aushebung gelangen?  Wenn wir auf die traditionelle Anzahl uns nicht beschränken wollen, so muß dieses Bedürfnis eintreten. Wird nicht aber dadurch die Bedeutung des Urteils undurchsichtig, wie prägnant auch und vielseitig es dadurch werden mag? Indessen schlägt dieses Bedenken gerade zum Vorteil für das Urteil aus.  So wird die Urteilsform wieder flüssig und urbar gemacht.  Kein fester, unveränderlicher Inhalt soll in ihr abgelagert und fixiert werden; sondern sie als ein Quellgebiet sich zu bewähren haben, das neue Ansammlungen von Problemen befruchten kann. Und die innere Abfolge der Kategorien, die in ihrer Mehrheit aus der einen Urteilsart entspringen, hat an ihr einen Leitfaden, durch den ihr genealogischer Zusammenhang gesichert bleibt.

Das schwierigste Bedenken dürfte aber das folgende sein. Der eigentliche Kern einer Kategorie kann scheinbar in einer Urteilsart liegen, während bei besserer Einsicht eine andere sich als Wurzel erweist. Die Kategorie ist vielleicht erst im Verlauf der wissenschaftlichen Entwicklung zu ihrer tieferen Bedeutung gediehen und daher auch erst deutliches Problem geworden. So konnte man sich in der angemessenen Urteilslage irren oder sie ganz verfehlen. Hier scheint sich eine unausgleichbare Differenz zwischen Kategorie und Urteil aufzutürmen. Indessen schon in der Erörterung der Schwierigkeit ist die Ausgleichung angebahnt. Wie hätte sich, entsprechend der neuen Kategorie, eine geeignetere Urteilsart für deren neue Bedeutung auffinden lassen, wenn nicht grundsätzlich eine solche Korrelation zwischen Kategorie und Urteil bestände? Die Urteilsform hat vielmehr in ihrem dunklen Drang auf ein Ziel losgesteuert, das die späere Entwicklung der Wissenschaft ans Licht des Tages gebracht hat. So gewiss aber die neue Fassung mit dem alten Kern zusammenhängt, so gewiß muß auch in einer Urteilsart die Richtung vorgezeichnet sein für die neue Ausprägung des Kategorien-Motivs.

Indem wir als am Verhältnis von Kategorie und Urteil festhalten, nehmen wir keine Scheidung unter ihnen dergestalt an, daß nur die Reihe und die Gliederung der einen, sei es die der Urteile oder die der Kategorien, zum Leitfaden für die andere werden müßte, sondern  wir nehmen eine durchgängige Korrelation zwischen ihnen an.  Demnach kann nicht nur eine Urteilsart eine Mehrheit von Kategorien enthalten, sondern auch eine Kategorie kann zugleich in mehreren Urteilsarten enthalten sein. Die Verzweigung und Verästelung des Motivs erweitert zugleich seine Verwurzelung. So fließend müssen den Kategorien gegenüber die Grenzen der Urteilsarten gedacht werden, ohne daß sie deshalb ihre eigene Gliederung verlieren dürfen. Die Direktion zwischen Kategorie und Urteil ist eine wechselseitige. Die Kategorie ist das Ziel des Urteils und das Urteil ist der Weg der Kategorie.


11. Das Urteil und das Denken

Den Wert des Urteils haben wir im Wort Kategorie erwogen. Das Bedenken, das in der Aussage liegt wegen der Nivellierung des Urteils in den Satz, hat sich durch die andere Bedeutung der Kategorie erledigt. Das Urteil, das sich ohnehin durch die Beziehung auf die Wahrheit von der Rede, dem Logos unterscheidet, ist durch die Immanenz der Kategorie in ihm auf die Erkenntnis bezogen und aller Abhängigkeit von der Grammatik entrückt.

Es läßt sich vielleicht noch ein anderer methodischer Vorteil der Fixierung des Terminus Urteil entnehmen. Wir kennen die Gefahr, mit der das Denken behaftet ist. Es ist nicht nur unbestimmt bezüglich seines Inhalts, sondern auch dem entsprechend als Vorgang und Tätigkeit des Bewußtseins. Die Kollision mit der Psychologie ist noch gefährlicher für die Logik, als die mit der Grammatik. Das Denken darf nicht nivelliert werden zur Vorstellung. Die Unterscheidung von Denken und Vorstellung hat dieser Gefahr keinen hinreichenden Widerstand geleistet. So muß es als ein günstiger Umstand betrachtet werden, daß das Denken für den Behuf der Logik als Urteil qualifiziert wurde. Und wir haben nunmehr die Bedeutung zu betrachten, die dem Denken als Urteil zukommt.

Das Denken, als Denken der Erkenntnis, hat sich uns als  Erzeugung  erwiesen. Wir bedurften dieser vorläufigen Charakteristik des Denkens, weil wir unsere Logik als die Logik des Ursprungs proklamieren wollten. Das Erzeugen aber bleibt unbestimmt, wenn es nicht als Erzeugen des Ursprungs gedacht wird. Auch die Erklärung des Ausdrucks reine Erkenntnis forderte diese Charakteristik des Denkens. Wir sahen auch,  die Erzeugung selbst ist das Erzeugnis.  Der Nebensinn des Gleichnisses wurde damit abgewiesen. Die Tätigkeit selbst ist der Inhalt, den es zu erzeugen gilt.

Auch die  Einheit  wurde als der Inhalt des Denkens hervorgehoben. Und die Mehrheit wurde ebenfalls als Einheit der Erzeugung gedachtf. Verkehrt und irreführend ist die Meinung, als ob das Denken darin bestände und darin seine eigene Leistung zu vollführen hätte, daß es am Mannigfaltigen der Mehrheit eine sogenannte Einheit herstellt. Diese Einheit ist eine Art von Ordnung, von Sammlung und Gruppenbildung, die freilich auch zur Tätigkeit des Denkens gehört, aber keineswegs dieselbe erschöpft. Das Vereinigen, in dem die Erzeugung der Einheit sich vollzieht, hat eine strengere, prägnantere Bedeutung. Die Vereinigung erstreckt sich nicht allein auf die Einheit, sondern ebensosehr auf die Mehrheit. Auch die Mehrheit ist Aufgabe der Erzeugung.

Die verkehrte Ansicht, daß das Denken als Vereinigung im Bilden von Ordnungen bestehe, hat ihren Grund im fundamentalen Vorurteil, daß dem Denken sein Stoff von der  Empfindung  gegeben werde und daß das Denken diesen Stoff nun zu bearbeiten habe. Dagegen denken wir auch die Mehrheit als zu erzeugende Einheit; auch für die Mehrheit die Aufgabe der Erzeugungs-Vereinigung. In dieser Bestimmtheit verstehen wir den Satz,  daß die Tätigkeit den Inhalt erzeuge.  Der ganze, unteilbare Inhalt des Denkens muß Erzeugnis des Denkens sein. Und die ganze unteilbare Tätigkeit des Denkens selbst ist es, welche den Inhalt bildet. Diese Einheit von Erzeugung und Erzeugnis fordert der Begriff des reinen Denkens. Die Beziehung des Denkens auf die Erkenntnis hat diese Bedeutung des Denkens gefordert und gefördert. Sehen wir jetzt nun, wie sich diese Charakteristik des Denkens aus dem Gesichtspunkt des Urteils zu genauerer Bestimmung bringt.

Die Unterscheidung des Denkens von der Vorstellung, welche durch das Urteil gefördert wird, hat eine andere Unterscheidung zur Folge. Es scheint eine unauflösliche, abenteuerliche  Paradoxie, daß das Denken seinen Stoff sich selbst erzeugen soll.  Und aller Verdacht und aller Spott, der von jeher den falschen Apriorismus befallen hat, scheint hier herausgefordert zu werden. Man möchte demgegenüber lieber für die alte aristotelische Unterscheidung zwischen  Materie und Form  begeistern, um die Form allein dem Denken zu wahren, die Materie aber der  Empfindung  vorzubehalten. Wir wissen bereits, daß dadurch das reine Denken preisgegeben wird in derjenigen Bedeutung, in der wir es fordern. Aber man zieht es vielleicht vor, dieser strengen Bedeutung der Reinheit sich zu ergeben, um dem Schwindel zu entgehen, von dem man bei jener Forderung erfaßt wird. Hier mag nun die Unterscheidun helfend eintreten, welche durch das Denken als Urteil begünstigt wird.

 Der Stoff des Denkens ist nicht der Urstoff des Bewußtseins.  Nicht um den psychologischen Inhalt handelt es sich und nicht um den psychologischen Vorgang. Das reine Denken ist nicht Vorstellungen, ist nicht Bewußtseinsvorgang. So ist auch der Inhalt des Denkens überhaupt nicht Stoff, sondern eben Einheit. Und alle Mehrheit muß selbst wieder Einheit sein. Der Stoff ist also nicht nur eine heterogene Voraussetzung, als ein Stoff der Empfindung; sondern der  Stoff des Denkens kann nur Inhalt, das will sagen, nur Einheit sein.  Welche Forderungen man anderweitig von anderen Gesichtspunkten aus an diesen Inhalt zu stellen habe, bleibt hier gänzlich außer Betracht. Hier ist nur die Logik in Frage: nur das Denken der Erkenntnis, nicht die Psychologie mit ihren Bewußtseinsvorgängen. Das Denken der Erkenntnis fordert das Denken als Einheit und nur als Einheit. Diese Bedeutung und dieser Wert läßt sich aus dem Satz gewinnen:  Die Tätigkeit selbst ist der Inhalt.  Die Erzeugung selbst ist das Erzeugnis. Die Vereinigung ist die Einheit. So weit läßt sich die Charakteristik des Denkens aus dem Gesichtspunkt der reinen Erkenntnis hinaus führen. Der Terminus "Urteil" bringt weitere Klarheit über diese tiefsten Schwierigkeiten.

Wir bezeichneten oben das Denken als eine ganze,  ungeteilte  Tätigkeit. Diese Bezeichnung aber schein der üblichen Ansicht vom Denken zu widersprechen. Schon ARISTOTELES unterschied die  Abstraktion  und die  Determination  im Denken gleichsam als eine negative und eine positive Richtung des Denkens. In der Tat darf die erstere nicht übersehen werden. Die falsche Etymologie, nach der man das deutsche Wort "Urteil" versteht, hebt sie hervor:  das Teilen, Sondern.  Die Sonderung muß der Vereinigung vorangehen; vielmehr sie ist selbst eine Art Einigung. Aber es genügt nicht, die Mehrheit als Einheit zu denken.  Es muß auch gefordert werden, daß die Einheit als Mehrheit gedacht werde.  So auch genügt es nicht, die Vereinigung als Sonderung zu denken.  Die Sonderung muß  ebenso sehr und ebenso bestimmt als  Vereinigung gedacht werden.  Ohne diese Korrelation kommt die Tätigkeit des reinen Denkens nicht zu durchsichtiger Bestimmtheit. Nach dieser Korrelation aber scheint diese Tätigkeit eine gespaltene, zwiespältige. Und wir nannten sie doch eine ungeteilte.

Aus diesem Bedenken, aus dieser Schwierigkeit soll das Urteil heraushelfen. In ihm vollzieht ich nach dem Ausdruck des ARISTOTELES, den KANT festhielt, die "Synthesis zur Einheit". Aber wir haben diese Synthesis jetzt zugleich als Sonderung, als Scheidung erkannt. Was kann die Scheidung zur Einheit bedeuten? Und doch ist die Synthesis nicht nur die Operation mit der gewöhnlich so genannten Einheit. Die Synthesis der Einheit ist ebenso Sonderung, wie Vereinigung.

Aber diese Korrelation überhaupt bedarf genauerer Bestimmung. Es kann doch wohl nicht die Meinung sein, daß ein beliebiger  Wechsel zwischen Sonderung und Vereinigung  stattfinden dürfe; daß das Denken von der einen zur anderen Tätigkeitsweise überspringe und daß im Reiz dieser Abwechslung die Energie des Denkens sich behaupte. Das psychologische Interesse am Bewußtseinsvorgang des Denkens schleicht sich hier in die logische Prüfung ein und stumpft sie ab. Der Wechsel kann hier nicht ergötzen. Er kann nur als Störung betrachtet werden; und das Urteil stellt das Problem unverkennbar auf, daß es sich um etwas ganz anderes hierbei handele, als den Wechsel zwischen Sonderung und Vereinigung. Nicht darf einmal die Sonderung auf den Plan treten, um alsbald der Vereinigung den Platz einzuräumen, die selbst wieder gegen die Sonderung eine Weile zurückzutreten hätte. Nicht als einen solchen Szenenwechsel darf man das Schauspiel des Denkens sich vorstellen. Der Titel des Urteils warnt davor und hütet davor.

In der neueren Wissenschaft ist besonders seit DESCARTES ein Ausdruck hervortretende, dessen sich die neueste Zeit für das einheitliche Grundgesetz der mathematischen Naturwissenschaft bemächtigt hat: der Terminus der  Erhaltung.  Erhaltung dürfte auch der Begriff sein, der die Korrelation der beiden Tätigkeitsrichtungen im Urteil zur Bestimmung bringt.  Nicht ein Wechsel findet statt, sondern Erhaltung zugleich für Sonderung und Vereinigung.  In der Sonderung erhält sich die Vereinigung und in der Vereinigung erhält sich die Sonderung.

Bei der  Tätigkeit  läßt sich dies leichter verstehen; denn die Sonderung ist selbst ja Vereinigung, nur eine andere Richtung derselben. So kann sich freilich die Vereinigung in ihr erhalten, da sie selbst ja Vereinigung ist. Und dennoch muß die Vereinigung, als eine eigene Richtung, von ihr unterschieden werden. Also nur die andere Richtung hat sich zu behaupten, wenn die eine Richtung sich vollzieht. Diese Bedeutung der Erhaltung für die Tätigkeit des Urteils ist eher zu begreifen und ihre Forderung erscheint einwandfrei. Anders dagegen steht es, wenn die Erhaltung auf den  Inhalt  bezogen wird. Und diese Beziehung ist unausweichlich; denn die Tätigkeit ist ja zugleich der Inhalt. Es ist demnach zu fordern,  daß in der Mehrheit die Einheit und in der Einheit die Mehrheit Erhaltung behaupte. 

Hier liegt die Schwierigkeit. Die Mehrheit soll nicht in die Einheit zusammenfallen. Und die Einheit soll nicht in die Mehrheit sich abspalten. Die Mehrheit soll, als Einheit freilich, Mehrheit bleiben. Und die Einheit soll als Einheit sich erhalten. Und beide sollen nicht nebeneinander lagern, sowenig, als in einander übergehen. Eine Durchdringung, wie man sie sich dynamisch nicht vorzustellen vermag, wird für die Erhaltung gefordert. Die psychologische Ansicht, nach welcher das Denken nur eine Bahnung sei in der Spuren der Empfindung, zeigt hier ihren verwirrenden Einfluß. Nicht die Spuren haben sich zu erhalten, sondern für die Tätigkeit in ihrer frischen Lebendigkeit und Gegenwart fordern wir die Erhaltung. Aber gerade die  Gegenwart  enthält eine Illusion, einen Anstoß zum Irrtum. Durch die Beseitigung dieses Anstoßes kann auch die Erhaltung als Durchdringung genauer bestimmt werden.

Wie kann es verständlich gemacht werden, daß die Mehrheit als Inhalt sich erhalten müsse, während in der Vereinigung die Einheit sich erhält?  Wie  kann diese gleichzeitige Forderung verständlich werden? Welche neue Forderung oder welche Bedeutung der Forderung kann sie verständlich machen? Die Antwort hat den Schein einer psychologischen Erklärung für sich. Sie würde ihn aber, da es sich hier um die logische Charakteristik handelt, vielmehr gegen sich haben. Daher dürfen wir uns vom psychologischen Schein nicht berücken lassen. Um Forderungen handelt es sich hier, die einander zur Durchführung des Problems fördern sollen.

Wir sagten oben, daß wir für die Tätigkeit die frische, aktuelle Gegenwart fordern. In dieser Beziehung auf die Gegenwart liegt schon eine unbewußte Rücksicht auf den psychologischen Vorgang.  Die Gegenwart muß zur Zukunft werden.  Und diese Korrektur ist keine zeitliche - dann wäre sie eben eine psychologische - was bedeutet sie aber, als eine logische? Die logische Bedeutung der Korrektur, der zufolge  die Mehrheit nicht lediglich als Gegenwart gedacht, sondern in die Zukunft gehoben wird,  soll uns den Terminus der Erhaltung und dadurch die Bedeutung des Urteils zur Klarheit bringen.

Wir denken bei der Richtung der Sonderung an den Akt, der und sofern er sich vollzieht. Und ebenso bei der Vereinigung. Demgemäß auch denken wir die entsprechenden Inhalte als abgeschlossene. Hierin liegt der Fehler. Beide Tätigkeiten sind aus der aktuellen Gegenwart in die Zukunft, zur Zukunft in Beziehung zu versetzen. Die Vereinigung ist nicht als ein Ereignis zu denken, dessen Vollzug zum Abschluß gekommen wäre, sondern als eine  Aufgabe,  und als das Ideal einer Aufgabe; denn die Aufgabe darf niemals als zur Ruhe, zur Vollendung gekommen betrachtet werden. Ebenso steht es bei der Sonderung.  Beide Richtungen heben sich in die Zukunft hinein.  Die Sonderung, die niemals als abgeschlossen gedacht werden darf, erhält sich dadurch als Sonderung. So läßt sich die Durchdringung beider Richtungen kraft der Erhaltung verstehen.  Beide Richtungen sind Aufgaben und müsen unaufhörlich Aufgaben bleiben. 

Die Sonderun darf nicht  Zerreissung  des Zusammenhangs werden. Das würde sie, wenn die Sonderung zum Abschluß kommen dürfte. Die Vereinigung muß sich in ihr erhalten. Um immer neue Sonderungen und immer feinere und innigere gilt es zu vollziehen.  Je feiner die Sonderungen werden, desto weniger wird die Vereinigung bedroht.  Dieser Gedanke dürfte ein Grundgedanke sein für den psychologischen Aufbau des Bewußtseins. Uns geht hier nur die logische Charakteristik des Urteils an. So wird hierdurch auch zugleich verständlich,  daß die Vereinigung nicht zum fixen Abschluß kommen darf,  sondern zur Mehrung und Befestigung ihres eigenen Wertes in sich selbst die Sonderung fordern muß. Denn die Vereinigung darf nicht niedergeschlagen werden in eine Einheit, die keine Einheit, sondern nur ein  Eins  wäre. Die Erhaltung leistet jenem Niederschlag Widerstand und rettet und sichert so den Wert des Urteils als reines Denken.

Diese gegenseitige Erhaltung, welche sonach das Urteil ermöglicht, bestimmt auch einen fundamentalen Begriff, mit dem wir von Anfang an und besonders eingehend hier operiert haben: den Begriff der  Einheit.  Wir wissen bereits, daß er zu den Grundbegriffen des antiken Denkens gehört. Bei PYTHAGORAS wird er als das Zentrum bezeichnet. Und PLATO bestimmt seine Idee durch ihn. Das Verständnis des Urteils ist durchaus bedingt durch das genaue Verständnis der Einheit. Denn sie bezeichnet den Inhalt des Urteils. Und sie verantwortet, daß die Tätigkeit zugleich den Inhalt bedeute.

Die Einheit ist eben nicht die Eins;  nicht ein Ding, sondern eine Tätigkeit, die einzige Tätigkeit des Urteils. Alle Leistungen des Urteils beruhen auf diesem Charakter und Grundzug seiner Tätigkeit. Daher können wir  die Einheit von der Vereinigung,  als einer der beiden Richtungen,  unterscheiden.  Die Tätigkeit des Urteils, die sich kraft der Erhaltung vollzieht, ergeht sich in Sonderung und Vereinigung. Beide im Verein machen das Urteil aus.  Diesen Verein bezeichnet die Einheit.  Durch diesen Verein, den die Erhaltung gewährleistet, vollzieht sich das Urteil, als Einheit.  Das Urteil ist daher zu denken als Einheit des Urteils.  So kommt der Grundbegriff der EInheit dem Urteil zustatten. Oder richtiger: so begründet das Urteil vermöge seiner Einheit den Grundbegriff der Einheit.

Diese Bedeutung der Einheit, als Durchdringung von Sonderung und Vereinigung, macht das Urteil zur Grundlage der Erkenntnis.  Die Erkenntnis ist die Einheit der Erkenntnis."  Diese Einheit wird für den Begriff gefordert. Der Begriff aber ist nur ein Ausdruck, man möchte sagen, nur einer der Ausdrücke für die Erkenntnis. Der methodische Wert der Erkenntnis ist bedingt durch die Einheit derselben. Es ist nicht nur der formale Zusammenhang, der durch die Einheit für die Erkenntnis gefordert wird. Um diese Ordnungseinheit würde nicht viel Streit sein. Eine sachliche Bedeutung der Einheit der Erkenntnis steht in Frage und bildet die Schwierigkeit.

Ohne diese sachliche Bedeutung der Einheit der Erkenntnis gäbe es überhaupt keine Sache. Was ist denn das  Ding?  Es ist doch nicht etwa in der Empfindung schon gegeben? Dann freilich bedürfte man zu seiner Entdeckung keiner Physik und keiner Mathematik. Wenn anders also das Ding erst wissenschaftlich zu entdecken ist, so muß das Urteil das Schema enthalten, nach und in welchem diese Entdeckung sich vollziehen könne. Und so muß die Einheit des Urteils die Einheit der Erkenntnis vollziehen.  Und in dieser Einheit der Erkenntnis muß diejenige Einheit bestehen, welche das Problem des Dinges bildet. 

Bisher wurde aller Inhalt in Tätigkeit aufgehoben. Und durch die Erhaltung wurde die Einheit dieser Tätigkeit und damit die Einheit des Inhaltes gewährleistet. Jetzt gilt es, den  Inhalt  hervorzukehren. Der Tätigkeit muß endlich ein Gegengewicht geboten werden, ohne sie selbst etwa darum aufzugeben. Vielleicht darf man die Erhaltung in Rücksicht auf den Inhalt durch ein stofflicheres Wort vertreten lassen. Wenn die Einheit nicht lediglich in der Tätigkeit schweben soll, sondern an einem Ding sich bezeugen, so mag die Erhaltung als  Bestand  gedacht werden. Und dieser Bestand mag als  Widerstand  leistend gedacht werden gegen jene schwebende Tätigkeit.  So wird das Ding zum Gegenstand.  Und während dem Ding nicht eigentlich eine Einheit zukommen könnte, vollzieht sie sich nun in der Einheit des Gegenstandes.

Auch am Problem des Gegenstandes lassen sich die Zeitalter unterscheiden. Bei den Griechen heißt er das  Seiende.  Und zu seiner wissenschaftlichen Bestimmung wird das wahrhaft Seiende und die Substanz zugrunde gelegt. Im Mittelalter behauptet sich nach der lateinischen Übersetzung des Seins als Grundlage, durch die  Substanz  und das  Subjektum  der substanzielle Charakter des Gegenstandes. Und je nachdem man die Substanz auffasste, stellte sich auch demgemäß die Ansicht vom Gegenstand. Das  Objekt  aber galt durchweg als das im Geiste objizierte, also als die Vorstellung des Gegenstandes, während das  Subjektum  nicht das Subjektive, sondern das sachlich zugrunde Liegende bezeichnete. Der skeptische, vielmehr kritische, der wissenschaftliche Charakter der neueren Zeit prägt sich darin aus, daß diese steinerne Selbständigkeit vom Subjekt abgewälzt wurde und daß man dem Objekt andererseits die Maske der Vorstellung abriss und ihm dennoch kein gediegeneres Dasein zusprach, als das des Vorwurfs.  Das Objekt ist der Vorwurf. 

Diesen Vorwurf, dieses Problem des Dinges gilt es zur Bearbeitung, zur Lösung zu bringen. Und der Weg dieser Lösung,  die Voraussetzung dieser Bearbeitung ist das Urteil.  Die Einheit des Urteils vollzieht und gewährleistet die Einheit des Gegenstandes. Denn die Einheit des Urteils erzeugt die Einheit der Erkenntnis. Und es gibt keine andere Möglichkeit, den Gegenstand zu entdecken, als welche die Einheit der Erkenntnis bietet. Sie vertritt die Einheit des Gegenstandes. Und die Einheit der Erkenntnis wird erzeugt in der Einheit des Urteils. So gewinnen wir diese Bestimmung des Urteils:  Die Einheit des Urteils ist die Erzeugung der Einheit des Gegenstandes in der Einheit der Erkenntnis. 


12. Die Arten des Urteils und die Einheit der Erkenntnis

Das Urteil ist, als Erzeugung, als Tätigkeit in seinen beiden Richtungen, der Sonderung und der Vereinigung, bestimmt. Und die Einheit, welche in diesen beiden Richtungen sich erhält; bildet die Einheit des Urteils. Die Tätigkeit aber sollte zugleich den Inhalt darstellen; die Erzeugung das Erzeugnis. So hat die Einheit des Urteils zugleich die Einheit seines Inhalts zu bedeuten. Der Inhalt aber ist nicht schlechtweg das Ding, sondern der Gegenstand. Dieser aber kann nur in der Erkenntnis bestehen und gewonnen werden. Der unmittelbare Inhalt des Urteils muß daher die Erkenntnis sein. Ist doch das Urteil Denken und das Denken Denken der Erkenntnis. Da nun das Urteil Einheit des Urteils ist, so muß diese ihrem Inhalt nach Einheit der Erkenntnis bedeuten. Wir sagten oben, diese Einheit der Erkenntnis habe nicht nur formale Bedeutung. Ohnehin hat sich der Begriff der Einheit von schwerster Prägnanz erwiesen. Die Einheit der Erkenntnis wird gefordert zur Einheit des Gegenstandes. Und so wurde die  Einheit  als eine  dreifache  bestimmt: die des  Urteils,  die der  Erkenntnis  und die des  Gegenstandes. 

Durch diese dreifache Einheit wurde die allgemeine Leistung und Bedeutung des Urteils abgegrenzt. Die Einheit des Urteils wurde als Tätigkeit zu genauer Bestimmung gebracht. Nicht dasselbe dürfen wir von den inhaltlichen Einheiten sagen, weder von der der Erkenntnis, noch von der des Gegenstandes. Gibt es überhaupt und darf es eine Einheit des Gegenstandes geben? Wenn aber nicht, so ist dieselbe Frage auch bezüglich der Einheit der Erkenntnis entschieden. Denn auf der Einheit der Erkenntnis beruth die Einheit des Gegenstandes und für den Gegenstand wird sie angenommen. Die Frage darf nicht so verstanden werden, als ob die unübersehbare Vielheit der Dinge der geforderten Einheit des Gegenstandes widerspräche. Jene Vielheit der Dinge ist nicht an sich eine Vielheit der Gegenstände. Jene Vielheit der Dinge könnte sehr wohl in die Einheit des Gegenstandes sich vereinigen lassen.

Aber das darf gefragt werden, ob im  methodischen  Sinne der Wissenschaften die Einheit des Gegenstandes eine zulässige Forderung bilde. Sehen wir vorerst einmal vom Organismus, als dem Gegenstand der Biologie ab: bilden denn die Disziplinen der mathematischen Naturwissenschaft einen einheitlichen Gegenstand? Lassen sich die verschiedenen Disziplinen der Mathematik mit denen der Naturwissenschaft dergestalt vereinigen, daß die Einheit des Gegenstandes möglich und notwendig wird? Die Antwort liegt bei der anderen Frage: sollte es für die reinen Erkenntnisse, von deren faktischer Geltung unsere Logik ausgeht, - ähnlich, wie PLATO und KANT ausgehen von der faktischen Geltung der Mathematik - sollte es für sie nicht einen Inbegriff, eine Einheit geben müssen, aus der sie hervorwachsen? Ist dies aber der Fall, so ist die Einheit des Gegenstandes dadurch gesichert.

Gehen wir wieder vom Gegenstand aus, so kann uns schon PYTHAGORAS orientieren. Seine Substanz stellt die Einheit des mathematisch formulierbaren Seins dar. Und diese mathematische Formulierung hatte durch ihn selbst bereits angefangen, die Physik zu erobern. Aber es blieb nicht bei der mathematischen Formulierung allein und isoliert.

Und man hat nicht auf die neue Zeit warten brauchen, die vielmehr nicht hätte kommen können, wenn die Alten es bei der bloßen Mathematik hätten bewenden lassen. Die Eleaten schon ersannen andere Begriffe, die sich, als die Zeit gekommen war, als reine Erkenntnisse bewähren sollten. Sie sind die Prinzipien der mathematischen Naturwissenschaft geworden. Indessen ist die Entwicklung der mathematischen Naturwissenschaft doch nicht bei der Mehrheit von Formulierungen, sei es der Bewegungsgesetze, sei es der mechanischen Prinzipien stehen geblieben. Vielmehr ist sie von einem Trieb nach Einheit, wie man sagt, geleitet geworden. Der Trieb aber kann nicht leiten, sondern eben nur treiben. Und so enthält auch der Monismus keine sichere Führung. Logik ist es, welche Einheit fordert, als Einheit der Erkenntnis.

Diese Einheit der Erkenntnis wurde nun auch im modernen Grundgesetz der  Erhaltung der Energie  gesucht. Dieses Gesetz bedeutet die Einheit der Erkenntnis und dadurch die Einheit des Gegenstandes. Die Einheit des mathematisch formulierbaren Seins ist durch das Gesetz der Energie über die gesamte Physik erweitert, zum Grundgesetz der Natur geworden. Diese Einheit der Erkenntnis gewährleistet unserem modernen wissenschaftlichen Bewußtsein die Einheit des Gegenstandes.

Gerade das Energiegesetz aber ist geeignet, über das Problem der Arten des Urteils, vor dem wir hier stehen, uns zu orientieren. Es bedeutet die Einheit der Prinzipien samt den aus ihnen erfließenden Gesetzen.  Die Einheit der Erkenntnis, die es bildet, schließt nicht die Mehrheit von Erkenntnissen von Gesetzen aus, sondern vielmehr ein.  Das ist der Sinn der Einheit der Erkenntnis. Sie ist auch nicht die Summe, zu der sich die Mehrheit der Erkenntnisse zusammenzählen, in die sie sich aufheben ließe. Sie ist die Einheit im lebendigen, schöpferischen Sinn, demgemäß die Prinzipien und durch deren Vermittlung die Gesetze in ihr ihren Ursprung haben. Sie ist die geistige Potenz, durch die jene zum präzisen Ausdruck des Gedankens gelangen. In jedem einzelnen Naturgesetz bewährt sie sich und bringt sich zur Geltung. Und so auch in jedem Körper, als dem Gegenstand des entsprechenden Gesetzes. So ist also auch hier die Einheit nicht eine absolute, sondern vielmehr eine solche, welche die Mehrheit fordert und voraussetzt.

Mehr als jedes andere Naturgesetz macht diesen Sachverhalt das Gesetz der Energie deutlich. Denn der eigentliche Sinn des Gesetzes ist die Korrelativität zweier Begriffe, die sich auszuschließen scheinen:  Erhaltung und Verwandlung.  Es geht aber, wie bei der Sonderung und der Vereinigung. Die Verwandlung wirkt bei der Erhaltung. Und die Erhaltung waltet in der Verwandlung. Die Erhaltung beschränkt sich auf das Sein, auf die Einheit des Gegenstandes. Aber das Sein duldet und fordert die Verwandlung, die seine Einheit keineswegs verletzt. Die verschiedenen Disziplinen der Naturwissenschaft fordern die Verwandlung, fordern die Mehrheitlichkeit des Gegenstands.  Sie alle  aber haben ihre gemeinsame Grundlage in der reinen Erkenntnis der Energie, daß die Einheit der Erkenntnis eine Mehrheit der Erkenntnisse und eine Mehrheit der Gegenstände in seiner eigensten Bedeutung fordert.

Nachdem wir als allgemeine Bedeutung des Urteils die Erzeugung des Gegenstandes in der Erkenntnis und jetzt die Bedeutung der Einheit erkannt haben, wie sie für die Erkenntnis und für den Gegenstand zu verstehen sei, gilt es, dieselbe Bedeutung für die Einheit des Urteils zur Ausführung zu bringen.  Auch die Einheit des Urteils muß sich in eine Mehrheit von Arten des Urteils entfalten.  Diese Arten des Urteils entsprechen den Erkenntnissen oder Gesetzen und demzufolge den Gegenständen, als den Verwandlungsformen des Seins.

Wie das Urteil, als Gattungscharakter, die Erkenntnis und dadurch den Gegenstand erzeugt, so müssen die Arten des Urteils die Erkenntnisse und die Gegenstände erzeugen. Diese Forderung müßte gestellt werden, auch wenn vorerst gar keine Aussicht bestände, sie zu einer befriedigenden Lösung zu bringen. Indessen bildet diese Gefahr kein ernstliches Bedenken. Und wir sind keineswegs, was der oberflächliche Schein vermuten läßt, an die  Schablone der traditionellen Logik  überliefert. Die Gründe und Gesichtspunkte für die Einteilung der Urteile sind auch nicht als Schablone entstanden.

Schon in der griechischen Philosophie kann man auch bei diesen Fragen den Zusammenhang von Denken und Erkenntnis erkennen; nicht nur bei der allgemeinen Charakteristik, sondern auch bei der Einteilung des Urteils. Die Schablonisierung hat dagegn keineswegs mit dem Mittelalter aufgehört. Aber diejenigen, welche die Logik der reinen Erkenntnis zu ihrem Problem gemacht haben, sie alle haben die Einteilungsgründe des Urteils aus dem Gesichtspunkt der Erkenntnis aufgestellt. Und wo sie die alten Distinktionen annahmen, da haben sie dieselben aus ihrem Gesichtspunkt der reinen Erkenntnis vertieft und ausgebaut. Vor allen gilt dies von KANT.

Wie sehr wir daher auch gemäß unserem neuen Prinzip in der Reihenfolge, der Gliederung, der Benennung und der Ausprägung und Auswertung der einzelnen Arten des Urteils von KANTs Tafel der Urteile werden abweichen müssen, so dürfen wir doch an den  vier Rücksichten  festhalten, die er selbst von der allgemeinen Logik genommen hat. Die Abweichungen werden aber schon notwendig, weil wir die  Korrespondenz je einer Kategorie mit je einer Urteilsart  werden aufgeben müssen. In Wahrheit jedoch ist KANTs Tafel der Urteile nicht nach seiner Tafel der Kategorien orientiert, sondern nach seiner Tafel der  Grundsätze.  Wie sehr wir aber auch nicht nur in deren Formulierungen abweichen,  sondern auch von ihrer Aufstellung absehen müssen,  so halten wir doch ihren Geist in den reinen Erkenntnissen fest.  Die Arten des Urteils müssen aus den Arten und Richtungen der reinen Erkenntnisse abgeleitet werden. 

Gibt es denn aber auch Arten und Richtungen der Erkenntnisse, die aus der Einheit der Erkenntnis sich entfalten? Gibt es nicht nur eine Mehrheit von Erkenntnissen, sondern auch eine Mehrheit von Arten der Erkenntnisse? Die Antwort hat sich bereits ergeben. Von vornherein hatten wir die mathematische Naturwissenschaft als die Einheit der Wissenschaft in Anspruch genommen, welche aus Mathematik und Naturwissenschaft besteht. Schon diese Bestandteile der mathematischen Naturwissenschaft lassen das Problem hervortreten, daß die Erkenntnisse, da sie zum Teil in der Mathematik, zum andern Teil aber in der Naturwissenschaft wurzeln, schon deshalb von verschiedener Art sein müssen. Das war ja gerade die Schwierigkeit, mit der selbst NEWTON kämpfte und die seine Anhänger zu glätten suchten: aber die aber auch LEIBNIZ seine Anhänger und seine Korrespondenten nicht hinauszuheben vermochte.

Die Verschiedenheit der Prinzipien haben sie alle deutlich erkannt, aber sie konnten für diese Verschiedenheit nicht die Einheit finden,  weil sie die Notwendigkeit der Verschiedenheit nicht anerkannten.  Und hierin irren auch die Neueren, welche die Prinzipien der Mechanik erörtern, ohne dabei von denen der Mathematik auszugehen. Sie sind verschieden; aber sie gehören zusammen; sie gehören als Arten zusammen. Sie bilden eine Einheit und ohne auf die Einheit dabei auszugehen, kann man die Verschiedenheit der Arten, kann man also  die Arten der Prinzipien  nicht finden.  Und die Arten der Prinzipien liegen in den Arten des Urteils.  Aus dem Gesichtspunkt der Arten der Erkenntnisse müssen die Arten des Urteils bestimmt werden.

Es könnte die Frage entstehen, ob die Arten des Urteils auf dem Wege der  Koordination  oder vielmehr auf dem der  Subordination  zu ermitteln seien. Dieses Bedenken ist keineswegs durch die allgemeine Bestimmung des Urteils, Erzeugung des Gegenstandes zu sein, erledigt. Denn diese Bestimmung bedeutet nicht, daß jede Art des Urteils den ganzen Wert des Gegenstand erzeugen soll oder könne. Die Bestimmung ist vielmehr nur die des  Gattungscharakters des Urteils.  Die Gattung aber enthält in ihrem Begriff die Forderun der Arten. Folglich kann keine Art den Begriff des Gegenstandes erschöpfen, sondern sie alle in ihrer methodischen Vereinigung erst ergeben den einheitlichen Begriff des Gegenstandes. Die Einheit des Gegenstandes beruth und besteht in der Einheit der Erkenntnis. Diese aber besteht in der Mehrheit der Elemente der Erkenntnis, deren jede freilich eine Einheit sein muß.  So erzeugt jede Art des Urteils ein Element der reinen Erkenntnisse.  Und jedes dieser Elemente stellt, bildlich gesprochen, eine Seite des Gegenstands dar.

Verschmähen wird das Bild, so erscheint das Element der reinen Erkenntnis genau als das methodische Mittel, an seinem Teil den Gegenstand zu erzeugen. Wenn aber diese Teile, die vielmehr Anteile sind, erst in der Vereinigung der durch sie vertretenen Methoden in den einzelnen Disziplinen der mathematischen Naturwissenschaft die Einheit des Gegenstandes erzeugen, so ist dadurch keineswegs festgestellt, daß diese methodischen Anteile  gleichwertig  wären an methodischer Kraft und Bedeutung. Und so könnte die Subordination der Arten des Urteils eben so stattfinden müssen, wie Koordination. Vielleicht auch könnte  einer  Art des Urteils die Bedeutung eines Mittelpunktes zukommen, um den sich die anderen konzentrisch angliederten. Es könnte aber auch teils Subordination, teils Koordination anzunehmen sein: die Subordination gemäß einer Stufenfolge von Methoden, die zur Konstituierung des Gegenstandes zusammenwirken, deren Zusammenwirkung aber die genetische Stufenfolge zur Voraussetzung hätte. Und die Koordination gemäß dem engeren Zusammenhang der Methoden in einer Disziplin. So würde eine Gruppe von Arten, eine Klasse gemäß der Koordination zu bilden sein. Und gemäß der Subordination würde eine Stufenfolge von Klassen enstehen müssen.

Werfen wir jetzt einen Blick auf den methodischen Zusammenhang der einzelnen Disziplinen, auf denen und in denen die Einheit der mathematischen Naturwissenschaft beruth und besteht, so tauchen neue Bedenken auf. Es lassen sich nämlich erstlich die Begriffe der Mathematik nicht streng scheiden von denen der Mechanik. Es lassen sich ferner die Begriffe der einzelnen Disziplinen der Mathematik nicht streng von einander abtrennen. Und endlich lassen sich beiden Arten von Begriffen nicht streng und genau unterscheiden von den Begriffen der allgemeinen, gewöhlich so genannten Logik, noch auch von den allgemeinen philosophischen oder engeren metaphysischen Begriffen.

Wir werden diese Sachverhalte zu entwickeln und ihnen gemäß unsere Anordnungen zu treffen haben. Die genaue Feststellung der einzelnen Elemente der reinen Erkenntnis hängt von der Genauigkeit ab, mit welcher das Erzeugungsgebiet derselben, die Arten des Urteils, zur Anordnung gelangen. Und wenn hier versucht wird, die Logik in einem umfassenderen Sinne zur Entwicklung zu bringen, so ensteht daraus nicht die Gefahr, die Eigentümlichkeiten der formalen Logik zu verwischen. Vielmehr wird sich zeigen,  daß das neue Prinzip der Logik der reinen Erkenntnis sich fruchtbar erweist.  Und fern wird die  Eigenart der formalen Logik  dadurch zu genauer und klarer Bestimmung gelangen. Nach Feststellung dieser nunmehr bereicherten und vertieften Eigentümlichkeit der formalen Logik werden sodann die Eigentümlichkeiten sowohl der mathematischen Arten des Urteils, wie der mechanischen gewahrt werden können. Die genaue Bestimmung des methodischen Anteils der einzelnen Arten des Urteils an der Erzeugung des Gegenstandes nach der Mannigfaltigkeit und Besonderheit seiner Bedeutungen wird sich als der leitende Gesichtspunk bewähren.

So ergeben sich uns für die  vier Gesichtspunkte,  nach denen die Arten des Urteils zu ermitteln sind, die folgenden Bedeutungen. Die  erste  Rücksicht entspricht der traditionellen  formalen Logik,  der wir jedoch ein  neues Denkgesetz,  das  des Ursprungs  zugrunde legen. Dieses Denkgesetz des Ursprungs erstreckt seine Fruchtbarkeit und Kompetenz auf alle anderen Rücksichten. Ihnen allen zufolge soll ja reines Denken der Erkenntnis zur Entfaltung kommen. Das reine Denken der Erkenntnis aber hat die Erkenntnis des Ursprungs zur Voraussetzung. Wir fassen sie unter dem Titel der  Urteile der Denkgesetze  zusammen.

Und der  zweiten  Rücksicht entstehen die  Arten des Urteils der Mathematik,  geleitet von der Anwendung, welche die Erkenntnis des Ursprungs auf die Mathematik macht. Alles Disziplinen der Mathematik müssen durch diese Klasse von Urteilen vertreten werden, wenn anders der Zusammenhang der Koordination trotz dem Unterschied in den Methoden der Analysis und der synthetischen Geometrie angenommen werden darf. Und für die Einheit des Gegenstandes muß dieser Zusammenhang der mathematischen Methoden angenommen werden.

Die  dritte  Rücksicht läßt diejenigen Arten des Urteils entstehen, welche für die Mechanik und die sich ihr angliedernde Naturwissenschaft erfordert werden. Wir nennen sie die  Urteile der mathematischen Naturwissenschaft.  Auch sie werden von der fundamentalen Bedeutung geleitet, welche die Erkenntnis des Ursprungs in dieser Richtung erschließt. Und es wird sich hier ein charakteristischer  Zusammenhang herausstellen zwischen dieser Klasse und der ersten,  somit zwischen dem Problem der Bewegung und dem Problem des Denkens. Über diese drei Klassen verbreiten sich die Elemente der reinen Erkenntnis.

Der  vierten  Rücksicht entsprechen diejenigen Arten, welche die Bearbeitung und methodische Behandlung der  Forschung  nach den Entwicklungsstufen derselben betreffen. Es wird sich aber dabei ein genauer Zusammenhang zwischen den Voraussetzungen der Erkenntnis und den methodischen Stuen der Forschungsarbeit herausstellen, der auf die voraufgehenden Rücksichten neues Licht wirft und neue Aufschlüsse bringt, welche diese Arten als die der  kritischen  Urteile bewähren. Wir nennen sie die  Urteile der Methodik. 
LITERATUR - Hermann Cohen, System der Philosophie - Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 1902