A. RapoportF. MauthnerH. Schmidvon HeydebreckTh. Lipps | ||||
Das System der Kategorien
In der Tat ist damit das eigenste Wesen des psychischen Geschehens und sein Unterschied vom physischen in der einfachsten und treffendsten Weise bezeichnet. Aus der Vereinigung zweier Bewegungen im Raum resultiert eine dritte, die von jenen beiden nach Richtung und Geschwindigkeit verschieden ist und beide in der Weise in sich enthält, daß sie selbst keine gesonderte Wirklichkeit mehr besitzen. Aus der Vereinigung zweier Vorstellungen im Bewußtsein dagegen entsteht eine dritte Vorstellung, welche die Inhalte jener beiden gesondert aufrecht erhält: in diesem Fall besteht die Vereinheitlichung der Elemente nicht darin, daß sie in einen dritten Inhalt zu ungeschiedener Gesamtheit verschmölzen, sondern vielmehr darin, daß sie durch eine zwischen ihnen gesetzte Beziehung zu einem Ganzen verbunden werden. Diese synthetische Einheit ist dem Bewußtsein so wesentlich, daß es geradezu als die Funktion des Beziehens definiert werden kann. Alles tatsächliche, unserer Erfahrung bekannte Bewußtsein stellt eine solche Einheit des Mannigfaltigen dar. Nur durch künstliche Konstruktion könnten wir uns Fälle erdenken, in denen das Bewußtsein momentan von einem einzigen ganz einfachen und beziehungslosen Inhalte ausgefüllt wäre, etwa bei einem heftigen Sinneseindruck von Licht oder Schall; aber schon im Schmerz, der damit als Gefühlston unabwendbar verbunden wäre und im Bewußtsein auf denselben Reiz bezogen würde, läge die Synthesis wieder vor. In allem normalen Vorstellungsverlauf dagegen ist es von selbst klar und bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß auch die verhältnismäßig ärmsten und einfachsten Eindrücke und Gedanken stets eine vereinheitlichte Mannigfaltigkeit enthalten. Andererseits bedarf es nur geringer Überlegung, um sich deutlich zu machen, daß es unmöglich ist, mehrere gesonderte Inhalte in einem und demselben Akt des Bewußtseins zusammen und zugleich vorzustellen, ohne sie durch irgendeine Beziehung mit einander zu verbinden. Auf dem Gebiet des sinnlichen Vorstellens, der Wahrnehmung, besteht diese Beziehung zumindest in der räumlichen und zeitlichen Anordnung, worin die Empfindungsinhalte aufgefaßt werden: meist aber ist schon diese anschauliche Synthesis mit begrifflichen Formen, wie der Dinghaftigkeit, durchsetzt. Vollends die Tätigkeiten des Denkens bestehen durchgängig in der Vorstellung oder Behauptung von Verhältnissen zwischen einer mehr oder minder ausgedehnten Vielheit gesonderter Momente: und wenn das Bewußtsein Inhalte nebeneinander vorstellen will, zwischen denen es an jeder positiven, sachlichen Beziehung fehlt, so bleibt die Funktion des Unterscheidens als die ärmste und elementarste Art der Relation zwischen ihnen übrig. Dabei ist es für die Psychologie und für die Logik in gleichem Maße wichtig, daß diese Beziehungen den Inhalten gegenüber, die durch sie geordnet und verknüpft werden, etwas Andersartiges, daraus nicht Ableitbares und andererseits doch in ihrer Anwendung von den Inhalten durchaus Abhängiges sind. Sowohl die anschaulichen als auch die begrifflichen Formen der Synthesis treten den zu verbindenden Inhalten als ein Neues hinzu und sind durch die Reflexion von ihnen völlig unabhängig zu machen: in ihrer wirklichen Anwendung aber sind sie an die sachlichen Bestimmungen der Inhalte, zwar in verschiedenem Grad, aber immer doch so gebunden, daß es von diesen Inhalten selbst abhängt, in welche Beziehungen sie durch das synthetische Bewußtsein gesetzt werden dürfen oder sollen. In diesen eigenartig verwickelten Verhältnissen und Abhängigkeiten zwischen den Formen und den Inhalten des Bewußtseins stecken die tiefsten und schwersten Probleme der Transzendentalpsychologie und der Erkenntnistheorie. Nicht von diesen soll hier die Rede sein: eine kurze Hindeutung darauf genügt, um die zentrale Stellung zu bezeichnen, welche die "synthetische Einheit des Mannigfaltigen" in den Untersuchungen der kritischen Philosophie einnimmt und um begreiflich erscheinen zu lassen, wenn sie zum Ausgangspunkt für die Lösung einer engeren Aufgabe gemacht wird, die zunächst der reinen Logil angehört, - eines Entwurfs zum System der Kategorien. Daß diese Aufgabe den Drehpunkt für die Bewegung der logischen Wissenschaft seit KANT bildet, ist für den, der ihre Geschichte kennt, außer Frage. Darüber, daß KANT selbst sich in seinem Versuch ihrer Lösung vergriffen hat, sind wohl ziemlich alle einig: aber gerade, weil er in der künstlichen und mißlungenen Ableitung der "Tafel der reinen Verstandesbegriffe" aus der "Tafel der Urteile" die Verbindung zwischen der alten formalen und der neuen transzendentalen Logik herzustellen meinte, wird jeder neue Versuch einer Kategorienlehre diesem Streben Rechnung tragen müssen. So viele Versuche dazu - von FICHTE bis zu EDUARD von HARTMANN - gemacht worden sind, so wenig scheint doch in dieser Hinsicht das letzte Wort gesprochen und das rechte Verhältnis getroffen zu sein. Deshalb mag es gestattet sein, eine aus langjähriger Erwägung und lehrhafter Behandlung der logischen Probleme erwachsene Auffassung dieses Gegenstandes in ihren Grundzügen hier vorzulegen. (1) Unter Kategorien verstehen wir die synthetischen Formen des Denkens oder die Beziehungen, in denen anschaulich gegebene Inhalte durch das zusammenfassende Bewußtsein miteinander verbunden werden. Das zusammenfassende Bewußtsein miteinander verbunden werden. Das zusammenfassende Denken, welches dabei tätig ist, stellt sich entweder als erkennender Prozeß im Urteil oder als fertiges Wissen im Begriff dar. Im ersteren Fall werden die gesonderten Vorstellungsinhalte, die sich sprachlich am einfachsten als Subjekt und Prädikat auseinander legen, durch die Kategorie in Beziehung gesetzt und der Wahrheitswert dieser ihrer Beziehung zum Ausdruck gebracht: in der zweiten Form wird die bejahte (unter Umständen auch die nur problematisch gedachte) Beziehung der Vorstellungsinhalte als ein fertig in sich verknüpftes Ganzes in weitere Verbindungen eingesetzt. Urteil und Begriff erscheinen danach als nur psychologisch verschiedene Stadien derselben logischen Funktion: und diese besteht in beiden Fällen wesentlich in der Verknüpfung verschiedener Inhalte durch eine Kategorie. Das Urteil entscheidet darüber, ob diese Verknüpfung "gelten" soll: der Begriff behandelt sie entweder als eine gültige oder als eine vorläufig angenommene. Nach dieser Auffassung sind die Kategorien ebensogut Formen der Begriffe wie Formen der Urteile: die aristotelische und die kantische Bedeutung des Wortes fallen von selbst zusammen. Jeder Art des Urteils muß eine solche des Begriff entsprechen und umgekehrt: was im Urteil vollzogen und behauptet wird, gilt im Begriff als fertig und anerkannt oder wenigstens bekannt. Der übliche Aufbau der Logik, der vom Begriff zum Urteil und zum Schluß fortschreitet, sinkt zu einer psychologischen und grammatischen Unterscheidung herab. Umso mehr konzentriert sich die Aufgabe der Logik auf die Frage nach dem systematischen Zusammenhang aller möglichen Beziehungen, durch welche überhaupt Vorstellungsinhalte im Urteil miteinader verbunden und im Begriff als verbunden aufbewahrt werden können: d. h. vom Urteil aus betrachtet, auf die Lehre von der Relation. Diese gewährt neben der Qualität den einzigen und den wichtigeren Unterscheidungsgrund der Urteile. Was KANT als "Modalität" des Urteils behandelt hat, gehört unter den Gesichtspunkt der "Qualität", wenn man diese, wie es SIGWART und LOTZE angebahnt haben, wesentlich als Entscheidung über den Wahrheitswert der im Urteil gedachten Beziehung ansieht. Die Unterschiede der "Quantität" dagegen betreffen, wie SIGWART gezeigt hat, nicht den Akt des Urteils als solchen, weder in seinem beziehenden (theoretischen) noch in seinem behauptenden (praktischen) Moment, sondern nur den Umfang des Subjekts: sie haben deshalb zwar eine große Bedeutung für die Methodologie, aber fast gar keine oder eine sehr geringe für die reine Logik, in der sie nur bei der Theorie des Schlusses eine von der traditionellen Lehre unberechtigt aufgebauschte Rolle spielen. Sollen nun die Kategorien nicht "empirisch aufgerafft" werden, wie es KANT der aristotelischen Aufzählung mit Recht vorwarf, so bedarf es dazu einer systematischen Ableitung: diese aber kann, wenn man die Kategorien als die Beziehungsformen der Urteile und der Begriffe auffaßt, nicht in einer sonst schon feststehenden Einteilung der Urteile gefunden werden, wie sie von KANT selbst mit stark empirischer oder historischer Zusammenraffung vorausgesetzt wurde: umgekehrt wird sich die Einteilung der Urteile nach der "Relation" erst aus der Kategorienlehre ableiten lassen. Ein Prinzip für das System der Kategorien ist deshalb nur zu finden, wenn man lediglich davon ausgeht, daß die Kategorien, im Urteil wie im Begriff, nichts anderes sind als Formen des beziehenden Denkens und wenn man die Möglichkeiten entwickelt, welche im Wesen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen enthalten sind und die Bedingungen für die Ausführung dieser Funktion ausmachen. Es wird darauf ankommen, ob es gelingt, von diesem einheitlichen Gesichtspunkt aus ein Verständnis des geordneten Zusammenhangs aller derjenigen Beziehungen zu gewinnen, welche das wirkliche, lebendige und sachliche Denken in seinen Urteilen und Begriffen zur Verknüpfung der ihm durch die Anschauung gegebenen Inhalte verwendet. Dabei erweist sich zunächst, daß die Synthesis den Gegensatz zwischen der beziehenden Funktion und den deren Gegenstand bildenden Vorstellungsinhalten voraussetzt. Beide sind für den einzelnen Akt der Synthesis gleichmäßig erforderlich und in ihm untrennbar verbunden: aber die wechselnden Vorgänge des synthetischen Denkens belehren uns, daß die einzelnen Inhalte miteinander in verschiedene Beziehungen treten können und daß andererseits dieselbe Beziehung zwischen verschiedenen Inhalten stattfinden kann. Die Bewußtseinsfunktion und der Bewußtseinsinhalt zeigen damit eine freie Beweglichkeit gegeneinander; der eine erscheint von der anderen unabhängig. Die Tatsachen der Erinnerung bestätigen - von der inneren Erfahrung aus gesehen -, daß der Vorstellungsinhalt von der Funktion unabhängig ist, die sich abwechselnd auf ihn zu richten, ihn zu verlassen und ihn wieder zu erfassen vermag. So tritt die Beziehung des Bewußtseins auf einen von ihm unabhängigen Inhalt heraus und nichts anderes als diese Unabhängigkeit des Inhalts von der Form des "Gegenstandes" von der Funktion meinen wir, wenn wir von einer Beziehung des Bewußtseins auf das Sein reden. Die Kategorie des "Seins" - wie sie in jeder der verschiedenen Arten des Existenzial-Urteils enthalten ist, gleichviel ob sich ein solches auf irgendein "Dasein" oder ein "absolutes Sein" bezieht -, bedeutet nie etwas anderes, als diese Unabhängigkeit des Bewußtseinsinhaltes von der Bewußtseinsfunktion. Es wäre verlockend genug, die erkenntnistheoretischen Folgerungen aus diesem Grundsatz zu ziehen; sie eröffnen eine weite historische Perspektive: aber an dieser Stelle handelt es sich nur um die Bedeutung, welche das so gefundene Verhältnis von Bewußtsein und Sein für die weitere Ausgestaltung des Kategoriensystems hat. Es ergibt sich nämlich daraus eine fundamentale Unterscheidung, welche die Gliederung des ganzen Systems in der einfachsten Weise bedingt. Wenn das Bewußtsein als beziehende Funktion zu den Inhalten hinzutritt, die unabhängig von ihm "sind", so können die einzelnen Beziehungen oder Verbindungsweisen, die dabei in Kraft treten, entweder als solche gelten, welche den Inhalten schon in ihrem vom Bewußtsein unabhängigen Sein zukommen und somit vom Bewußtsein nur aufgenommen und wiederholt werden, oder als solche, in welche die Inhalte nur deshalb und nur insoweit treten, als ie miteinander durch das beziehende Bewußtsein in eine Verbindung gebracht werden, die ihnen ansich und unabhängig davon nicht zukommt. Im ersten Fall hat die Kategorie gegenständliche, im zweiten nur vorgestellte Geltung, (2) im ersten gehört die darin gedachte Beziehung zum "wirklichen" Wesen der Inhalte selbst, im zweiten gewinnen diese ihre Verbindung erst durch und nur für das beziehende Bewußtsein. Denken wir z. B. ein Ding mit einer ihm zughörigen Eigenschaft (im prädikativen Urteil oder in einem Substanzbegriff), so gilt die dabei tätige Kategorie der Inhärenz zugleich als ein reales Verhältnis der durch das Bewußtsein synthetisch verbundenen Vorstellungsinhalte. Urteilen wir dagegen über die Gleichheit oder Verschiedenheit zweier Eindrücke, so braucht zwischen diesen beiden selbst (wie etwa zwischen Ton und Farbe) auch nicht der geringste reale Zusammenhang zu bestehen; es gehört niemals zu dem ansich wirklichen Sein eines Inhaltes, mit einem anderen gleich oder davon verschieden zu sein und die Kategorie ist somit in diesem Fall ein Verhältnis, in welches die Inhalte erst dadurch geraten, daß sie in demselben Bewußtsein miteinander vorgestellt werden. Dieses Zusammenkommen aber im nämlichen Bewußtseinsakt liegt nicht im Wesen der Inhalte selbst, es ist ihnen zufällig und insofern wäre für diese zweite Art der kategorialen Beziehungen der Ausdruck "zufällige Ansichten" zutreffend, wenn dieser nicht durch HERBART bereits für eine etwas andere Bedeutung in Anspruch genommen wäre. In diesem Sinne zerfallen die Kategorien in zwei Hauptgruppen, welche am besten - mit kantischen Termini - als konstituive und reflexive Kategorien bezeichnet werden. Es leuchtet ein, daß diese Unterscheidung mit derjenigen von transzendentaler und formaler Logik zusammenfällt. Die konstitutiven Kategorien bedeutend diejenigen sachlichen Zusammenhänge, welche das gegenständliche Verhältnis der Vorstellungselemente ausmachen: die reflexiven Beziehungen dagegen betreffen diejenigen Verhältnisse, welche das zusammenfassende Bewußtsein aus den übernommenen Inhalten durch seine kombinierende Tätigkeit zu entwickeln vermag. Deshalb erscheint unter dem Gesichtspunkt der reinen Logik das Verhältnis zwischen der transzendentalen und der formalen Synthesis zunächst derartig, als ob sich in den reflexiven Kategorien eine freie Spontaneität des synthetischen Bewußtseins entfaltet, während jede Anwendung der konstitutiven Kategorien an die "wirklichen" Beziehungen der gegenständlichen Vorstellungsinhalte gebunden sei. In der Tat ist die Tätigkeit des erfahrenden Bewußtseins von den sachlichen Zusammenhängen der "Gegenstände" unweigerlich abhängig: die formale Reflexion dagegen, welche von der Auffassung gegebener "Gegenstände" zur Feststellung der in ihnen enthaltenen inhaltlichen Gemeinsamkeiten fortschreitet, stellt sich als eine Entfaltung der willkürlichen Aufmerksamkeit dar, die mit ihrem Stoff nach eigenem Interesse schaltet und waltet. Beziehungen wie diejenigen der Inhärenz und der Kausalität werden in der Erfahrung mit unwillkürlicher Notwendigkeit aufgefaßt, während es in weit umfangreicherem Maße dem individuellen Belieben überlassen oder von den besonderen Zwecken der Erkenntnis abhängig ist, welche Inhalte etwa unter den Gesichtspunkten der formalen Logik verglichen, in ihre Bestandteile zerlegt und zu neuen Begriffsbildungen vereinigt werden sollen. So sehr dabei die Ergebnisse von den in den Inhalten gegebenen Voraussetzungen abhängig sind, so frei ist doch die Richtung, in der sich die Reflexion bewegt, während die Anwendung der konstitutiven Kategorien einem wahllosen Zwang zu unterliegen pflegt. Es mag jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß diese Seite des Unterschieds wesentlich auf die psychologischen Funktionen des individuellen Bewußtseins zutrifft und auch für dieses nur verhältnismäßig gilt, außerdem aber von dessen Entwicklungsstadium abhängig ist. Auch die reflexiven Assoziationen vollziehen sich zunächst durchgängig und zum Teil immer mit unwillkürlichem psychischem Mechanismus und die freie Spontaneität der Reflexion ist erst ein Ergebnis des entwickelten und seines Stoffes Herr gewordenen Seelenlebens. Andererseits wird die Anwendung der konstitutiven Kategorien, die Auffassung der Dinge mit ihren Eigenschaften, Zuständen und gegenseitigen kausalen Abhängigkeiten, durch die Erfahrung jedes Einzelnen sukzessive in dem Grad modifiziert, daß das kritische Bewußtsein sich von seiner anfänglichen Unfreiheit emanzipieren, den unwillkürlichen Schein der Zusammenhänge korrigieren und sogar in der wissenschaftlichen Erkenntnis zur selbständigen Erzeugung solcher kategorialen Verhältnisse fortschreiten kann. Angesichts dieser, namentlich entwicklungsgeschichtlichen Flüssigkeit des Gegensatzes erscheint es von vornherein nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern naheliegend, daß das für den ersten psychologischen Befund des Individualbewußtseins zutreffende Verhältnis sich auf dem Standpunkt der Erkenntnistheorie, d. h. dem des "Bewußtseins überhaupt" geradezu umkehrt: damit wäre die Lehre der Kritik der reinen Vernunft gewonnen, wonach die "produktive Einbildungskraft" durch die konstitutiven Formen des transzendentalen Bewußtseins die "Gegenstände" der Erfahung "allererst erzeugt", während die Operationen des formal-logischen Denkens darauf angewiesen und beschränkt sind, die Verwandtschaftverhältnisse des so Gegebenen in der Reflexion auseinander zu legen. Diese Gedankengänge können hier nicht weiter verfolgt werden: wie sie gemeint sind, wird leicht zu verstehen sein, wenn die Grundzüge dargelegt werden, wonach sich in den beiden Gruppen, der konstitutiven und der reflexiven, die einzelnen Kategorien aus dem allgemeinen Wesen der synthetischen Einheit des Bewußtseins ableiten lassen. Dabei muß von den Kategorien der Reflexion ausgegangen werden, weil in diesen sich das immanente Wesen des Bewußtseins am einfachsten und reinsten darstellt, während die konstitutiven Beziehungsformen sämtlich durch das transzendente Verhältnis zu einem unabhängigen Sein der Inhalte modifiziert sind. Als die erste und für alle übrigen grundlegende Funktion des urteilenden und begrifflichen Denkens erweist sich - dem oben erwähnten Grundcharakter der Synthesis gemäß - die Unterscheidung. Es war nicht ohne Berechtigung, wenn sie ULRICI in seinen logischen und psychologischen Lehren zum Ausgangspunkt machte. Denn damit überhaupt irgendwelche Beziehungen zwischen den Inhalten im Urteil oder im Begriff gedacht werden können, müssen diese Inhalte im Urteil oder im Begriff gedacht werden können, müssen diese Inhalte im Bewußtsein gesondert werden und trotz aller Vereinheitlichung gesondert erhalten werden. Eben deshalb ist, wie oben angedeutet, das Unterscheiden diejenige Kategorie, welche in Funktion bleibt, auch wenn alle übrigen versagen. Die hauptsächlichsten Bedeutung des Unterscheidens entwickelt sich in der Verwandlung der durch den psychologischen Mechanismus erzeugten Vorstellungen in Begriffe - der ersten Leistung des logischen Bewußtseins. Sie besteht darin, daß die in der Vorstellung gegebene Mannigfaltigkeit in ihre Elemente zerlegt, deren Verknüpfung durch die konstitutive Kategorie erkannt und sodann diese Synthesis von neuem vollzogen wird. Bei diesem Vorgang wird im individuellen Bewußtsein dasjenige rekonstruiert, was sich darin vorher bei der empirischen Aufnahme der Vorstellung unwillkürlich vollzogen hatte, allein diese Rekonstruktion oder "Verdeutlichung" verläuft nicht, ohne daß dabei durch das vom Erkenntniszweck geleitete logische Denken eine Auswahl und zum Teil eine Neuordnung in der gegebenen Mannigfaltigkeit vorgenommen würde. Von hier aus übersieht man am einfachsten, in welcher Weise die in der Arbeit des logischen Denkens erzeugten Begriffe mit den im psychologischen Mechanismus entsprungenen Vorstellungen einerseits übereinstimmen und andererseits sich doch nicht vollständig decken: es wird aber dadurch vor allem klar, daß schon die erste Begriffsbildung eine zweckbestimmte Auswahl aus der gegebenen Mannigfaltigkeit des Vorstellungsstoffs darstellt. Allein das Unterscheiden findet seine Grenze am Inhalt des Gegebenen selbst: den Grenzfall der Unterscheidung bildet die Kategorie der Gleichheit. Vorstellungsinhalte, welche nur noch an einem einzigen Punkt unterscheidbar sind, heißen gleich. Eine restlose Nichtunterscheidbarkeit würde das synthetische Denken, welches einer Beziehung zwischen gesonderten Inhalten bedarf, aufheben: zwei Inhalte, die durch ein Urteil als gleich gesetzt werden sollen, müssen dabei doch in irgendeiner Weise immer noch unterschieden werden. Wo z. B. alle Unterschiede der qualitativen Bestimmtheit aufhören, da müssen diejenigen der Lage im Raum oder in der Zeit eintreten, wenn von einer Gleichheit mehrerer, d. h. voneinander unterschiedener Inhalte die Rede sein soll. Hieraus folgt, daß Gleichheit und Verschiedenheit relative Beziehungen sind, deren Geltung von der zwecktätigen Aufmerksamkeit bestimmt wird. Denn das Maß dessen, was an den in Beziehung gesetzten Inhalten verschieden sein darf, um mit Rücksicht auf den ununterscheidbaren Rest das Urteil der Gleichheit zu erlauben, ist lediglich durch den jeweiligen Erkenntniszweck bestimmt. In der Praxis der statistischen Methoden z. B. werden vielfach solche Fälle als "gleich" betrachtet und behandelt, die von einem anderen Gesichtspunkt, etwa dem psychologischen aus unbedingt als wesentlich verschieden angesehen werden müssen. Wo das Maß des Gleichen dem Unterscheidbaren gegenüber verhältnismäßig gering ist, pflegen wir von Ähnlichkeit zu reden: so stufen sich Gleichsetzen und Unterscheiden in den mannigfaltigsten Verhältnissen miteinander ab. Aus ihrer Wechselwirkung aber ergeben sich alle weiteren Kategorien der Reflexion. Zunächst folgt daraus die Funktion des Zählens und damit die Kategorie der Zahl oder der Quantität; denn alles Zählen ist ein Zusammenfassen von Inhalten, welche voneinander unterschieden und dabei doch in irgendeiner Hinsicht als gleich angesehen werden. Im Gefolge der Quantität entwickeln sich die Verhältnisse des Grades, des Maßes und der Größe. Alle diese Kategorien mit ihren verschiedenen Auszweigungen, die hier nicht besonders verfolgt werden sollen, stellen sich in den mathematischen Gleichheitsurteilen dar: denn diese bringen, gleichviel ob arithmetisch oder geometrisch, immer nur die Verhältnisse zum Ausdruck, unter denen verschiedene Funktionen des Zählens, Rechnens oder Messens das gleiche quantitative Ergebnis haben. Jede derartige Gleichung ist ein Urteil: aber weder die eine noch die andere Seite ist im üblichen Sinne des formal-logischen Schematismus Subjekt oder Prädikat; vielmehr kommt der reziproke Charakter der Beziehung, welche theoretisch das Wesen des Urteils ausmacht, nirgends zu so deutlicher Erscheinung wie hier, wo zwei logisch vollkommen gleichwertige Inhalte in das kategoriale Verhältnis der "Gleichheit" zu einander gesetzt werden. Jene Wechselwirkung des Unterscheidens und des Gleichsetzens führt aber zweitens zur Bildung des Gattungsbegriffs und damit zu einer ganzen Reihe von formal-logischen Operationen, die sich um ihn gruppieren. Es bedarf hier keiner näheren Ausführung darüber, daß es stets Urteile über das Maß der Gleichheit und der Verschiedenheit der Begriffsinhalte (und demgemäß auch der Begriffsumfänge) sind, worauf die Funktionen der Abstraktion und der Determination, der Subordination und der Koordination, der Division und der Disjunktion mit allen ihren verschiedenen, in Urteilen oder Begriffsverhältnissen ausgedrückten Varianten ausnahmslos zurückgehen. Nur einige weniger selbstverständliche Gesichtspunkte mögen dabei angedeutet werden. Zunächst erscheinen bei dieser Ableitung die Formen des mathematischen und des formal-logischen, sogenannten diskursiven Denken in einem Parallelismus, der in der Geschichte der Philosophie schon oft und in den mannigfachsten Gestalten zutage getreten ist: beide wurzeln in der Funktion der Vergleichung, welche das Unterscheiden und das Gleichsetzen miteinander verbindet; in beiden Richtungen hat das Denken lediglich die Aufgabe, das Maß der Gleichheit und der Verschiedenheit der Bewußtseinsinhalte zum Ausdruck zu bringen; mathematische und formal-logische Gesetzmäßigkeit kommen im Prinzip der Gleichheit überein. Dadurch wird es verständlich, daß die Logik, wenn sie ganz konsequent nur als formale Logik und mit der Beschränkung auf die Kategorien der Reflexion behandelt wird, das Denken als eine "Art des Rechnens" betrachten und beim sogenannten logischen Kalkül enden muß: das beweist in der neueren Philosophie die Entwicklung der nominalistischen Logik von HOBBES bis zu HUME und CONDILLAC und bis zu allen Wunderlichkeiten des "Algorithmus, auf die sie in unserem Jahrhundert verfallen ist. Zugleich legen sich damit die Fäden klar, welche zwischen einer bloß formalen Logik und einer nominalistischen Erkenntnistheorie notwendig herüber und hinüber laufen. Wie das Zählen, Rechnen und Messen, so enthält auch das Bilden der Gattungsbegriffe mit allen seinen logischen Konsequenzen als bloß formale Operation nicht mehr als eine reflexive Beziehung, d. h. eine solche, worin die Inhalte nur durch und für das Bewußtsein treten. In der Tat gibt es infolge der Willkür der reflexiven Tätigkeit eine unbegrenzte Möglichkeit der Bildung von Gattungsbegriffen, vermöge deren es formal erlaubt ist, jeden Begriff unter ebensoviel Gattungsbegriffe zu subsumieren, als er Merkmale besitzt und Merkmalverbindungen zuläßt, die sich in anderen Begriffen wiederfinden; und eine bloß formale Logik besitzt kein Kriterium, wonach über den offenbar sehr verschiedenen Erkenntniswert aller dieser Abstraktionen entschieden werden könnte. Das zeigt sich u. a. in sehr charakteristischer Weise am Zirkel, in welchen die bloß formale Logik bei ihrer Lehre von den "wesentlichen" Merkmalen der Begriffe zu verfallen pflegt: sie definiert diese als diejenigen, vermöge deren der Begriff seiner übergeordneten Gattung angehört und lehrt dann, daß die "richtigen" Gattungsbegriffe diejenigen seien, welche aus der Reflexion auf die wesentliche Merkmale der ihm zu subordinierenden Artbegriffe gebildet sind. Aus diesem Zirkel ist ein Ausweg nur zu finden, indem man von den reflexiven auf die konstitutiven Kategorien zurückgreift. Der Inhalt eines Begriffs ist nicht nur eine Summe oder ein Aggregat seiner Merkmale, sondern eine Ordnung von Vorstellungselemente, die durch die konstitutive Kategorie bestimmt ist: von dieser hängt der Wert der einzelnen Merkmale für den Bestand des Begriffs ab und von ihr aus allein ist in einer von der psychologischen Apperzeption unabhängigen Weise zu beurteilen, welche Merkmale für den Begriff wesentlich sind und welche an im verändert werden können, ohne seinen Bestand zu gefährden. Zu den reflexiven Denkformen, die sich aus dem Gattungsbegriff entwickeln, gehört endlich auch der ganze Schematismus der Syllogistik. Er beruth, wie ihn ARISTOTELES vorgebildet hat, nach dem Prinzip der Subalternation [Unterordnung - wp] darauf, daß der Gattungsbegriff für die Gesamtheit seiner Arten und Exemplare "supponiert" [steht - wp] und daß deshalb, was von ihm gilt, auch für alles ihm Subordinierte zu gelten hat. Alle einzelnen Operationen, die dabei eintreten, sind zunächst durchweg reflexiven Charakters: sie sind die Arten des Verhältnisses von Grund und Folge oder die Formen der logischen Dependenz [Abhängigkeit - wp], vermöge deren die Geltung der Prämissen diejenige des Schlußsatzes nach sich zieht; und sie kommen deshalb alle im Prinzip der Konsequenz überein, worin der Zwang des normativen Bewußtseins ausgedrückt ist, wegen der ersten Behauptungen auch weiteres zu behaupten, zu bejahen oder zu verneinen. Hieraus erhellt sich, daß die aristotelische Theorie des Syllogismus nur den reflexiven oder formalen Teil der Schlußlehre enthält und daß sie einer Ergänzung durch eine transzendentale Theorie des Schlusses bedarf, welche auf den Zusammenhängen der konstitutiven Kategorien beruhen muß. Das Gefühl der Unzulänglichkeit der Syllogistik oder das Bedürfnis nach einer sachlichen Schlußlehre ist bekanntlich nicht neu: positive Anfänge aber zu jener Ergänzung sind noch nicht im systematischen Zusammenhang, sondern nur gelegentlich und einzeln gemacht worden. Dazu gehört die Verwendung der Kategorie der Kausalität in der Theorie der Induktion; dahin deutet auch die Behandlung des Syllogismus selbst in HEGELs Kategorienlehre; in gewissem Sinne sogar im Mittelbegriff nicht nur den Grund, sondern die reale Ursache der Konklusion enthalten. Denn diese Forderung setzt im Geist der platonischen Ideenlehre voraus, daß die Abhängigkeit des Besonderen im Allgemeinen nicht nur formale , sondern auch sachliche Bedeutung habe, daß sie nicht nur eine reflexive, sondern eine konstitutive Kategorie sei. Den Kategorien der zweiten, transzendentalen Gruppe oder den gegenständlichen Denkformen ist es gemein, daß die in ihnen gedachte Beziehung der Vorstellungsinhalte mit diesen als seiend "gesetzt" wird; ihnen liegt somit die Beziehung des Bewußtseins auf das Sein als allgemeines Prinzip zugrunde. Dabei lassen sich die Richtungen, in welche diese Gruppe sich zerlegt, schon von den Bezeichnungen aus übersehen, die uns für das "Sein" geläufig sind. Wir sprechen von Realität oder von Wirklichkeit; der eine Ausdruck stammt von "res", der andere vom "Wirken" her; so sind es, wie schon KANTs Kategorien der "Relation" und die darauf gebauten "Analogien der Erfahrung" zeigen, Dinghaftigkeit und Kausalität, welche die Grundformen der konstitutiven Beziehungen ausmachen. In der Entwicklung nach KANT ist, insbesondere infolge der dialektischen Zertrümmerung des Ding-ansich-Begriffes, die Kategorie des Dinges zugunsten der Kausalität in den Hintergrund gedrängt worden, - ein Irrtum, der in der Psychologie sich ebenso bemerkbar gemacht hat wie in der Logik (bei FICHTE, FRIES, SCHOPENHAUER usw.). Demgegenüber hat schon HUME (allerdings nur im Treatise) die koordinierte Bedeutung beider Kategorien festgestellt. In der Tat bilden sie die beiden Grundformen, worin die reale Zusammengehörigkeit von Vorstellungsinhalten gedacht werden kann. Deshalb aber - und das ist das große Ergebnis von KANTs transzendentaler Analytik - ist ihre sachliche Anwendung für das menschliche Bewußtsein nur in der engsten Verbindung mit der anschaulichen Synthesis der Empfindungen in Raum und Zeit möglich. Während die reflexiven Kategorien in der formal-logischen Reihe dieser Beziehung auf die "Sinnlichkeit" entraten können, bedürfen die konstitutiven Formen des Denkens zu jedem besonderen Erkenntnisgebrauch einer Anlehnung an die räumlich-zeitliche Anordnung des Gegebenen. Die reziproke [umgekehrt proportional - wp] Abhängigkeit aber, welche dabei zwischen den Kategorien und den Formen der Anschauung stattfindet, bildet einen Untersuchungsgegenstand der Psychologie und ein Problem der Erkenntnistheorie. Für den Zweck der gegenwärtigen Betrachtung handelt es sich nur darum, ob diese beiden Grundkategorien der konstitutiven Reihe aus den Wesen der synthetischen Bewußtseinseinheit ebenso abgeleitet werden können, wie das bei der reflexiven Gruppe gelang. In der Tat erscheint dies möglich, wenn man wiederum von der Wechselwirkung des Unterscheidens und des Gleichsetzens ausgeht und damit stetig die Beziehung des Bewußtseins auf das "Sein" kombiniert. Sobald das Bewußtsein eine Mehrheit gleich befundener Inhalte trotz ihrer (zeitlichen) Unterscheidung auf eine gegenständliche Einheit bezieht und als solche "setzt", geht die Vorstellung der Gleichheit in diejenige der (seienden) Identität über: und indem andererseits das Unterschiedene in einen realen zeitlichen Zusammenhang gebracht wird, entwickelt sich die Kategorie der Veränderung. Dabei zeigt sich die Korrelativität des Gleichsetzens und des Unterscheidens auf dieser konstitutiven Stufe darin, daß jede Identität nur in Bezug auf eine Veränderung und jede Veränderung nur in Bezug auf eine Identität gedacht werden kann. Daraus folgt, daß gegenüber dem zeitlichen Wechsel der Vorstellungen, welcher die allgemeine Grundtatsache des Bewußtseins bildet, eine reale Einheit und gegenständliche Zusammengehörigkeit des Mannigfaltigen, wie sie in den konstitutiven Kategorien gedacht werden soll, nur so vollzogen werden kann, daß die Verknüpfung der Elemente entweder als beharrliche Identität oder als notwendige Sukzession vorgestellt wird. Der Begriff aber einer seienden und dauernden Zusammengehörigkeit von Vorstellungsinhalten ist derjenige des Dinges, der Begriff einer in ihrer Zeitreihe notwendig bestimmten Zusammengehörigkeit von Momenten ist der des Geschehens (Werdens). Im Dingbegriff entwickelt sich die Kategorie der Inhärenz als das Verhältnis der Elemente zu der sie verknüpfenden Einheit. Diese Elemente bilden die Eigenschaften des Dings (Kategorie der Qualität): aber sie erweisen sich in Bezug auf die Identität des Dings als verschiedenwertig und gliedern sich danach unter Hinzutritt der Kategorie der Veränderung in Attribute, Modi und Zustände. Die empirische Relativität dieser Unterscheidungen führt zu dem Postulat des absoluten Dings im wissenschaftlichen Begriff der Substanz und dem erkenntnistheoretischen Grenzbegriff des Dings-ansich. Dagegen ist es eine künstliche Entartung der Kategorie der Dinghaftigkeit, wenn HERBART in seinen "Realen" den Begriff von Dingen mit absolut einfacher Qualität verlangte: die Begründung, die er dafür versuchte, ist eine typische und lehrreiche Verwechslung der konstitutiven mit den reflexiven Kategorien. Eine seiende Einheit des Mannigfaltigen bleibt für den Begriff des Dinges unerläßlich. Der Begriff des Geschehens, welcher den Doppelvorgang des Vergehens und des Entstehens in sich enthält, gliedert sich seinerseits durch die verschiedene Beziehung der darin zu verknüpfenden Zustände auf die in deren Wechsel beharrenden Dinge. Je nachdem es sich um das Notwendigkeitsverhältnis der Zustände eines Dinges oder mehrerer Dinge handelt, erscheint das Geschehen als immanent oder als transient [vorübergehend - wp]. Begriffe wie Entwicklung und Wirken, Kraft und Vermögen etc. entspringen auf diese Weise. Die Bestimmtheit der zeitlichen Reihenfolge aber, in der die reale Zusammengehörigkeit der Zustände zum Ausdruck gelangt, wird entweder so gedacht, daß der vorhergehende Zustand den nachfolgenden oder so, daß umgekehrt der nachfolgende den vorhergehenden "zum Dasein in der Zeit bestimmt": im ersteren Fall handelt es sich um die kausale, im zweiten um die teleologische Dependenz [Abhängigkeit - wp]. Die Identität endlich, ohne die eine reale Zusammengehörigkeit des Veränderlichen nicht gedacht werden kann, liegt für beide Fälle (wie es in KANTs Theorie der Kausalität erkannt ist) wesentlich in der Bestimmtheit der Zeitfolge durch eine allgemeine Regel. Daher ist in jedem Prozeß des Geschehens eine doppelte Abhängigkeit zu beachten: einerseits die (sei es kausale, sei es teleologisch) Dependenz des einen Zustandes vom andern, andererseits die Dependenz dieses besonderen Verhältnisses von einer allgemeinen Regel. Hier haben wir in logischer Form SPINOZAs Lehre von der endlichen und der unendlichen Kausalität. Das Entscheidende aber ist, daß darin jene Abhängigkeit des Besonderen vom Allgemeinen, welche sich zunächst in der reflexiven Reihe der Kategorien als ein Prinzip der Konsequenz darstellte, sich hier als eine konstitutive Beziehung enthüllt. Diese reale Bedeutung der logischen Dependenz denken wir im Begriff des Gesetzes. Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, um den stetigen Zusammenhang zwischen beiden Reihen von Kategorien zu bezeichnen. Alles wirkliche Denken zeigt ein lebendiges Ineinander von reflexiven und konstitutiven Funktionen: und das ist eben darin begründet, daß sie beide aus derselben Quelle stammen - aus der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen im Bewußtsein.
1) Hierbei wie im Folgenden setze ich die Erörterungen über die Qualität der Urteile voraus, welche ich in der Straßburger Festschrift zu EDUARD ZELLERs 70. Geburtstag (Freiburg i. Br. 1884) als "Beiträge zur Lehre vom negativen Urteil" veröffentlicht habe. 2) Absichtlich vermeide ich die durch ihre historische Vieldeutigkeit entwerteten Bezeichnungen "objektiv" und "subjektiv". |