ra-2F. CuhelDas menschliche GlückDas Bedürfnis    
 
AUGUST DÖRING
(1834 - 1912)
Philosophische Güterlehre
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"Der Moralismus erscheint in zwei Formen, einer niederen gröberen, utilitarischen Form, nach der das Interesse an der Moralität nur auf dem am Bestand der gesellschaftlichen Ordnung beruth und einer feineren, tieferen und idealeren Form, nach der es ein unmittelbares Interesse des Individuums, die Moralität das entscheidende Bedürfnis des individuellen Bewußtseins, das höchste Gut ansich ist."

Einleitung
2. Das Verhältnis der Güterlehre zu den
theoretischen und praktischen Wissenschaften

Man hat durchweg bei der Einteilung der Wissenschaften in die beiden großen Hauptgruppen der theoretischen und praktischen Wissenschaften die Güterlehre ganz übersehen und sie höchstens als einen untergeordneten Bestandteil der Ethik gelten lassen. Infolgedessen zeigt sich in den meisten Systemen der Philosophie, die jene Zweiteilung in die Wissenschaft vom Seienden und Seinsollenden zugrunde legen, der Übelstand, daß diese beiden Gruppen als zwei völlig gesonderte, durch eine unüberbrückbare Kluft getrennte Massen auseinanderklaffen. Das verbindende Mittelglied zwischen diesen beiden Massen ist nun eben die Güterlehre. Sie ist insofern sie dem Handeln die Zwecke setzt, die notwendige Voraussetzung der praktischen Wissenschaften und hat selbst wieder, indem sie das Seiende unter dem Gesichtspunkt des Wertes betrachtet, die theoretische Erkenntnis der gesamten Welteinrichtung zu ihrer Voraussetzung und ist vermöge dieses Verhältnisses die Zentralwissenschaft, das verbindende Band, die Ausfüllung der Lücke zwischen den beiden Gruppen.

Sie hat aber ferner nicht nur diese Mittelstellung, vermöge deren sie zwar den praktischen Wissenschaften gegenüber eine beherrschende und richtunggebende Bedeutung beanspruchen dürfte, selbst aber wieder in völliger Abhängigkeit von den theoretischen Wissenschaften sich befände; sie hat auch diesen gegenüber, da das Bedürfnis des Wohlseins und der Glückseligkeit, das Interesse an der Möglichkeit und den Bedingungen derselben den letzten treibenden Impuls auch des theoretischen Erkenntnisstrebens bildet, auch der theoretischen Wissenschaft gegenüber eine beherrschende und richtunggebende Stellung, ist also nicht nur Zentralwissenschaft, sondern allgemein übergeordnete Fundamentalwissenschaft, die Wissenschaft der Wissenschaften, die Königin der Wissenschaften.

Diese Sätze bedürfen einer genaueren Begründung.

Was zunächst die praktischen Wissenschaften im allgemeinen betrifft, so sind dieselben Theorien eines auf Verwirklichung die Verwirklichung von Zwecken gerichteten Schaffens oder Handelns, sie zeigen in einem geordneten Zusammenhang die zweckgemäßen Mittel und Verfahrensweisen, bedürfen aber eines Nachweises der zu verwirklichenden Zwecke von anderer Seite.

Nun liegt es aber als unverbrüchliches Gesetz in der Einrichtung der Menschennatur, daß wir uns keine andere Zwecke setzen können, als solche, die sich in letzter Linie auf Verbesserung unserer eigenen Zustände im weitesten sinne, auf Produzierung von Gütern für uns selbst, also im letzten Grund auf Verbesserung unserer Gefühlslage beziehen. Zwecke sind Güter des Individuums, sofern sie als durch das eigene Handeln realisierbare und zu realisierende vorgestellt werden.
    "Das Interesse ist das einzige naturgemäße Motiv des Handelns; der Wille kann sich vom Gesetz des Interesses so wenig losmachen, wie die Materie vom Gesetz der Schwere und wenn wir unter der Glückseligkeit  den  Zustand eines empfindenden Wesens verstehen, in dem alle seine Interessen, jedes nach dem Verhältnis seines Wertes, ihre dauernde Befriedigung finden, so kann die Glückseligkeit als der letzte Zweck, das Streben nach derselben als der Beweggrund aller unserer Tätigkeiten bezeichnet werden." (ZELLER, Begriff und Begründung der sittlichen Gesetze, 1883, Seite 23)

    "Der Wille folgt notwendig - er kann gar nicht anders - dem jeweiligen stärksten Gefühl. Alle moralistischen Deklamationen werden an diesem Grundgesetz der menschlichen Natur nichts ändern, und es ist lediglich Wasser auf die Mühle des Sensualismus und Materialismus, wenn man dasselbe bestreitet und die Sittlichkeit auch subjektiv lediglich aus allgemeinen Ideen, Vernunftmaximen, ableiten will." (ADOLF HORWICZ, Die psychologische Begründung des Pessimismus, Philosophische Monatshefte, 1880, Seite 280)

    "Jeder Zweck muß, damit ich ihn überhaupt soll wollen und meine Kraft an seine Verwirklichung setzen können, ein solcher sein, dessen Verwirklichung mir in irgendeiner Weise Befriedigung verspricht, dessen Gedanke mein Gefühl so affiziert, daß die Erwartung der Verwirklichung mir Freude, die Furcht des Gegenteils mir Leid bereitet. Etwas, das mir absolut gleichgültig wäre, dessen Verwirklichung gar kein Interesse für mich hätte, dessen Dasein mir um nichts lieber wäre, als sein Nichtsein, kann ich nicht zum Gegenstand meines Wollens machen; das einzige denkbare Motiv meines Wollens ist vielmehr dieses Verhältnis eines gedachten Zwecks zu mir, vermöge dessen er für mich ein Gut ist." (SIGWART, Vorfragen der Ethik 1886, Seite 5)
Man könnte mit dem Nachweis der Abhängigkeit alles menschlichen Strebens von diesem Gesetz der Menschennatur und der Anhäufung von zustimmenden Zeugnissen aus allen Zeiten ganze Bände füllen, könnte zeigen, wie der Vertreter der aufopfernden Menschenliebe, der Asket und Büßer, der nach Vergottung strebende Mystiker, der Selbstmörder, der in den Tod gehende Krieger, soweit ein individueller Wille ihn bestimmt, der sich in den Schlund des Forums stürzende MARCUS CURTIUS, der das klassische Beispiel in den Kontroversen des vorigen Jahrhunderts über diesen Punkt bildete, ja der Vertreter des kategorischen Imperativs, wie diese alle ein individuelles Gut als Zweck verfolgen, wenn nicht der Blick auf das Ganze hier Kürze geböte. Es gibt nur eine einzige Forderung an den Menschen, die, im strengen Sinn genommen, eine Emanzipation von diesem Gesetz des Wollens voraussetzt, das ist die Forderung, das Gute um des Guten willen zu tun; dafür ist diese Forderung aber auch eine völlig unerfüllbare, eine sinnlose Phrase.

Sind aber so die individuellen Güter die einzigen naturgemäßen Ziele unseres Strebens, so ist auch die Güterlehre, die diese individuellen Güter, auch sofern sie Zwecke sein können, wissenschaftlich nachweist, die notwendige und unumgängliche Voraussetzung aller Theorien des Handelns und Schaffens, weil sie die einzig möglichen Zwecke darbietet.

Während die praktischen Wissenschaften in dieser Allgemeinheit genommen auf den elementaren Teil der Güterlehre zurückweisen, sofern sie eine Vielheit von Gütern und Zwecken voraussetzen, beruth auf der zusammenfassenden Stufe der Güterlehre, der Glückseligkeitslehre, die Möglichkeit einer den natürlichen Triebfedern des menschlichen Wesens angepaßten Ethik. Wie die Mannigfaltigkeit der Güter sich im Begriff der Glückseligkeit zusammenfaßt, so die Mannigfaltigkeit der Zwecke in der Einheit einer auf die Glückseligkeit als Gesamtzweck gerichteten Lebensführung.

Genauer noch hat die Ethik als systematisch einheitliche Theorie der von  einem  Prinzip aus bestimmten Lebensführung nicht nur eine Glückseligkeitslehre überhaupt zur Voraussetzung, sondern eine solche, in der vom Besitz  eines  Gutes die gesamte Glückseligkeit abhängig gemacht wird. Eine Ethik kann nur aus einer Güterlehre entspringen, die ein absolut wertvolles höchstes Gut aufzuweisen imstande ist.

Es gibt zwei gänzlich verschiedene Formen der Ethik, verschieden nach Ausgangspunkt und Anordnung. Die im Bereich der christlichen Weltanschauung zunächst sich aufdrängende Form ist die des Ausgehens von einem als feststehend geltenden Sittengesetz, dem Gesetz des Guten, zu dem eine Triebfeder gesucht wird, vermöge deren es beherrschende Maxime des Willens werden kann. Die ursprüngliche Form der Ethik aber, die antike Ethik, ist die des Ausgehens von einem Glückseligkeitsideal, das als Triebfeder des Handelns sich darbietet und zu dem nur die entsprechende Praxis der Lebensführung zur Verwirklichung des Ideals gesucht wird.

Betrachten wir zunächst die Ethik im antiken Sinne in ihrer Abhängigkeit von der Güterlehre. Diese Abhängigkeit ist hier eine unmittelbare und direkte. Gegeben ist durch die Güterlehre ein einheitliches Glückseligkeitsideal als zu verwirklichender Endzweck, gesucht wird eine Theorie der Lebensführung, die diesem Zweck entspricht. Hier ist keine vorausbestimmte Vorschrift der Lebensführung, kein feststehende Sittengesetz, kein Gutes im absoluten Sinne. Gut ist, was die Verwirklichung des dem Individuum als solches geltenden Glückseligkeitsideals fördert, schlecht, was sie hindert. Die Vorschrift des Handelns variiert nach dem verfolgten Zweck. Diese Ethik kennt keine Pflichten im strengen Sinne, sondern nur Realisation von Gütern, Pflichten nur, soweit ein Gegensatz gegen das wahre eigene Interesse in der eigenen Natur zutage tritt, der sie sich zu beugen hat. Den Inhalt dieser Ethik bilden Tugenden, die als Mittel zur Verwirklichung des Glückseligkeitsideals führenden inneren Fähigkeiten und Handlungen, die ihm auch äußerlich zur Verwirklichung helfen. Alle diese Punkte nehmen mit dem Wechsel des Glückseligkeitsideals eine verschiedene Gestalt an. Etwas anderes versteht unter Tugend, eine andere Lebensführung fordert der Sophist, wie ihn PLATO schildert, der in uneingeschränkter Sinnenlust und in Reichtum und Macht als den Hilfsmitteln derselben das höchste Glück findet und der diesen Sophisten geistesverwandte ARISTIPP, etwas anderes ein SOKRATES, dessen Güterlehre zur Konsequenz die Befolgung des Sittengesetzes hat und der daher auch im modernen Sinne der Vater der Ethik genannt werden kann. Dieses Zusammentreffen der Vorschriften der antiken Ethiker mit dem Sittengesetz ist aber, soweit es überhaupt stattfindet, kein beabsichtigtes, sondern ein zufälliges und das Maß dieses Zusammentreffens ist ein sehr verschiedenes, bedingt durch die Bestimmungen ihrer Güterlehre. Auch ihre Übereinstimmung untereinander in den Vorschriften über Lebensführung ist, soweit sie stattfindet, eine zufällige, da sie im Prinzip sich unterscheiden. Es gibt in diesem Sinne so viele Arten von Ethik, wie es Bestimmungen des höchsten Gutes gibt; sie unterscheiden sich untereinander nach der Bestimmung des letzten Erstrebenswerten. Jedenfalls aber unterscheiden sich alle diese Ethiker von den Vertretern eines von vornherein feststehenden Sittengesetzes dadurch, daß bei ihnen der letzte und einzige Endzweck des Handelns in der Glückseligkeit liegt.

Die christliche Form der Ethik ist im Prinzip Sittenlehre, genauer Sittlichkeitslehre oder Sittengesetzlehre. Das Feststehende ist hier die moralische Vorschrift, die Weise der Lebensführung, bestimmt durch das Gesetz des Guten, das Gesuchte ist die Triebfeder. Aus der sittlichen Vorschrift entspringt der Begriff der Pflicht im strengen und unbedingten Sinn und die Tugend ist hier kein bloßes Hilfsmittel zur Verwirklichung von Gütern, sondern die dem Moralgesetz gemäße sittliche Gesinnung oder Willensrichtung, die Vorstufe des Handelns. Während die antiken Ethiken sämtlich autonom sind und nur das wohlverstandene eigene Interesse als Triebfeder kennen, gibt es hier heteronome und autonome Lösungen der Motivfrage. Heteronom ist die Lösung durch den Willen Gottes, der sich durch Lohn und Strafe geltend macht, durch die Autorität der Gesellschaft, durch bloße Gewöhnung. Autonomen Lösungen sind solche, die unter den natürlichen Gütern solche nachweisen, deren Verfolgung zugleich Erfüllung des Sittengesetzes bewirkt und diese zu bewußten Triebfedern des sittlichen Handelns erheben. Die Arten der Ethik bestimmen sich hier nicht nach dem Erstrebten, sondern nach der zur Herrschaft erhobenen Triebfeder. In diesem Sinne glaubt z. B. FRIEDRICH der Große nicht mit  einer  egoistischen Triebfeder ausreichen zu können; ihm können nicht genug Motive des sittlichen Handelns, dessen Notwendigkeit von vornherein feststeht, nachgewiesen werden. Daß nun die Ethik im antiken Sinne ganz von der Güterlehre abhängig ist, leuchtet ein; aber auch als Sittlichkeitslehre ist die Ethik, wenn sie nicht lediglich heteronom ihre Forderung begründen will, auf die Güterlehre angewiesen. Sie muß ein Gut des Individuums aufzeigen, dessen Verfolgung das Individuum zugleich zur Erfüllung des Sittengesetzes führt. Damit aber verschwindet der ursprüngliche Unterschied der beiden Arten von Ethik größtenteils wieder in der gemeinsamen Abhängigkeit von der Güterlehre. Gelingt es dieser, ein höchstes Gut zu finden, dessen Realisation in der Lebensführung vollständig auf das Leben nach dem Sittengesetz führt, so verschwindet sachlich der Unterschied vollständig und bleibt nur als Unterschied des Ausgangspunktes und der Methode, wobei allerdings zu bemerken bleibt, daß das Verfahren der antiken Ethik als das folgerichtigere und einleuchtendere den Vorzug verdient. Auch wir haben diesen Ausgangspunkt gewählt; daß von ihm aus auch das Interesse der Sittlichkeit seine volle Befriedigung findet, wird sich ergeben.

Wie die Ethik in diesem ursprünglichen Sinn empfängt auch die Pädagogik und die Gesellschaftswissenschaft ihre letzten Zwecke von der Glückseligkeitslehre. Der Zweck der Erziehung als Leitung der Unmündigen zu dem ihnen selbst noch nicht genügend erkennbaren Ziel wird verschieden bestimmt und im allgemeinen könnte in der Pädagogik dieselbe Zweiteilung durchgeführt werden, wie in der Ethik. Es gibt eine Pädagogik als Leitung zur Sittlichkeit und als Leitung zur Glückseligkeit. Der wahren Sachlage entspricht aber auch in der Pädagogik nur eine solche Theorie, die ohne Umwege direkt ihr letztes Ziel der Glückseligkeitslehre entnimmt und ihr Streben darauf richtet, den Zögling zur Arbeit an seiner eigenen wahren Glückseligkeit anzuleiten und auszurüsten.

Ob aus den Prinzipien der Güterlehre, die zunächst nur für das Individuum Geltung haben, eine Gesellschaftswissenschaft abgeleitet werden kann, ist an dieser Stelle noch nicht zu entscheiden, sondern hängt davon ab, ob das Individuum zur Verfolgung der für sein Streben sich als maßgebend ergebenden Güter der Existenz einer Gesellschaft bedarf oder ob vielleicht gar eine solche ihm als ein nicht nur gleichgültiges, sondern geradezu hinderliches Element erscheinen wird. Der bedürfnislose Zyniker, der Mystiker, der den Willen verneinende Asket können aus ihrer Güterlehre keine positive Gesellschaftswissenschaft ableiten. Aber eben diese Beispiele beweisen doch auch wieder, daß jedenfalls die prinzipielle Stellung des Individuums zur Gesellschaft ihre Bestimmung nur von der Güterlehre empfangen kann. Vielleicht machen die Zwecke, die das Individuum im Interesse seiner Glückseligkeit verfolgen zu müssen glaubt, es zum gefährlichen Feind der Gesellschaft, vielleicht machen sie es gleichgültig gegen die Gesellschaft, vielleicht gesellschaftsflüchtig, vielleicht gesellschaftsbedürftig durch die Dienste, die ihm die Gesellschaft leistet oder gar im idealen Sinn eines Gebietes für sittliches Wirken: in jedem Fall wird mit der Stellung des Individuums zur Gesellschaft zugleich die Möglichkeit und eventuell die normale Gestaltung der Gesellschaft von der Güterlehre aus bestimmt und kann nur von ihr aus bestimmt werden.

Die theoretischen Wissenschaften, die es mit der Beschaffenheit des Seienden ansich zu tun haben, bilden zunächst in doppelter Weise die Voraussetzung der Güterlehre. Ein Gut ist eine Lustursache, die real oder realisierbar ist. Das Zustandekommen der Lust ist an zwei Bedingungen geknüpft, eine innere, in den Gesetzen der menschlichen Organisation liegende und eine äußere, in der Welteinrichtung liegende. Die menschliche Organisation muß so geartet sein, daß sie auf bestimmte Eindrücke mit Lustgefühlen antwortet, die Welteinrichtung muß so beschaffen sein, daß die zur Auslösung von Lustgefühlen erforderlichen Eindrücke von ihr ausgehen. Beide Bedingungen sind gleich notwendig zum Zustandekommen des Gutes als Lustursache, wenngleich in der Reihenfolge der Feststellung ihres Vorhandenseins die innere oder subjektive Bedingung vor der äußeren oder objektiven den Vortritt haben wird. Der wärmste Frühlingsregen, der mildeste Sonnenstrahl wird auf hartem Felsboden keinen Blumenflor hervorlocken. Für die Güterlehre zerfällt das Seiende in die beiden Gruppen der menschlichen Organisation und der Welteinrichtung; aus ersterer leitet sie die innere oder subjektive Möglichkeit der Güter ab, aus letzterer die äußere oder objektive Möglichkeit, in beiden Beziehungen ist sie an die Natur und die Gesetze des Seienden als an ihre Voraussetzung gebunden. Es gibt eine physiologisch-psychische und eine kosmisch-physische Möglichkeit der Güter, jene ist die Möglichkeit, daß etwas für uns ein Gut sein kann, diese die Möglichkeit, daß dieses Etwas real ist oder realisiert werden kann. Was aber für den elementaren Teil der Güterlehre, für die einzelnen Güter, gilt, das gilt auch für den zusammenfassenden Teil, für die Frage nach der Möglichkeit der Glückseligkeit als ausreichender oder überwiegender Gesamtlust des Lebens als Ganzem. Auch hier ist die Entscheidung in erster Linie abhängig von der Einrichtung unserer Organisation; sie ergibt die innere Möglichkeit der Glückseligkeit, sofern sie gefühlte Befriedigung ist; in zweiter Linie von der Welteinrichtung; sie ergibt die äußere Möglichkeit als Möglichkeit der Objekte, Vorgänge und Zustände der Welt, aus deren Wirken auf unsere Organisation Glückseligkeit resultieren kann.

Die Güterlehre hat als solche nicht die Verpflichtung, selbständig die Natur des Seienden in beiden Beziehungen zu untersuchen, mit einer Theorie des theoretischen Erkennens beginnend und mit einer Metaphysik endend, ein vollständiges System der theoretischen Erkenntnis herauszuarbeiten. Sie kann nicht den ganzen Stoff der theoretischen Wissenschaft selbständig bewältigen und endgültig feststellen wollen, was gelten soll. Sie kann nicht die theoretische Wissenschaft belehren und ihrem Fortschreiten ein Halt zurufen wollen; sie hat von der Wissenschaft zu lernen und ihren Fortschritten zu folgen, selbst wenn sie ihre eigenen Sätze modifizieren oder umstoßen müßte.

Sie hat aber in ihrem Verhältnis zur theoretischen Wissenschaft, sofern sie selbst Wissenschaft bleiben soll, eine doppelte Verpflichtung. Einesteils darf sie mit ihren Werturteilen weder auf der Seite der inneren, noch auf der der äußeren Möglichkeit der Güter andere als die erwiesenen und allgemein zugestandenen Resultate der theoretischen Wissenschaft zur Voraussetzung machen; sie darf nicht mit einem hypothetischen oder phantasiemäßigen Bild der Welt operieren; sie muß zweifelhafte Posten bei ihren Wertberechnungen außer Ansatz lassen, auch wenn die Wünsche des Herzens ihre Ansetzung befürworten möchten; sie darf nur mit dem unbedingt Gewissen rechnen. Wenn es nicht als wissenschaftlich erwiesen gelten kann, daß die wirkenden Kräfte der Natur durch einen zwecksetzenden vernünftigen und gütigen Willen geleitet werden oder daß der Mensch durch seine seelische Ausstattung eine absolute Sonderstellung unter den organischen Wesen einnimmt, so darf die wissenschaftliche Güterlehre solche unerwiesene Annahmen nicht als tatsächliche Elemente der Welteinrichtung in Rechnung stellen. Ich brauche mich nicht theoretisch für die mechanische Naturerklärung oder die Konsequenzen der DARWINschen Theorie zu entscheiden, muß aber meine Rechnung so machen, daß sie auch gültig bleibt, wenn diese Theorien richtig sind. Eine solche kühle und nüchterne Haltung sollte sich von Rechts wegen auch solchen Gemütern empfehlen, die ansich geneigt sind, aus Gefühlsbedürfnissen als Glaubende über die Grenze des unzweifelhaft Gewissen, wissenschaftlich Erwiesenen, hinauszugehen. Hat es doch gewiß einen Wert, festzustellen, wie sich die Schicksalslage des Menschen auf dem Boden der unbestreitbaren Erkenntnisse über die reale Welt gestaltet und eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen dem, was wir gern möchten, daß es wäre, und dem, was wir als seiend erkennen. Wem über die Bedingungen unseres Glücksstandes die Aussagen der kühlen ISMENE nicht genügen, mag sein Ohr der schwärmerischen ANTIGONE leihen; wissen sollte er aber, wessen Stimme es ist, der er Gehör gibt.

Die zweite Verpflichtung ist die, wenigstens im Prinzip zu den verschiedenen Methoden des theoretischen, auf das Seiende gerichteten Erkennens Stellung zu nehmen.

Der Rationalismus geht von der Voraussetzung aus, daß das Seiende ein objektiv Vernünftiges ist und daher durch subjektive Vernunfttätigkeit erkannt werden kann; er konstruiert die Welt aus der Vernunft, setzt die Ursache und leitet daraus die Welt als Wirkung ab. Der Empirismus faßt das Seiende als ein Tatsächliches auf, das nicht aus Vernunftvoraussetzungen, sondern nur aus den Affektionen, die wir von ihm erfahren, durch Rückschluß von der Wirkung auf die Ursache, erkennbar ist; er faßt alles ins Bewußtsein Fallende als Wirkung auf und leitet daraus die Ursachen ab. So lehr er uns direkt unser eigenes Wesen aus dessen unmittelbaren Wirkungen auf unser Bewußtsein, so das Wesen der Dinge aus den unter Mitwirkung unserer eigenen Organisation zustande kommenden Wirkungen auf unser Bewußtsein erkennen.

Eine seltsame Mittelstellung zwischen Rationalismus und Empirismus nimmt die Erkenntnislehre KANTs ein. Ausgehend von der Voraussetzung, daß unsere Erfahrungswelt fast ganz ein Erzeugnis unserer eigenen Organisation ist, die sich durch unbewußte Funktionen aus eigenen Mitteln und Kräften die Erscheinungswelt aufbaut, hält er diese wegen der Wesensgleichheit der bewußten mit der unbewußten Vernunftfunktion für rational erkennbar, während die Welt ansich, das Wesen der Dinge, weder rational, noch empirisch erkennbar ist. Hier ist ein rationales Erkennen, das in der empirischen Welt bewußt nichts anderes erkennt, als ein eigenes Wesen, das es unbewußt hineingetragen hat.

Dieser vorgeblich kritische, tatsächlich skeptische Rationalismus hat seine Voraussetzung, auf der seine Annahme einer subjektiven Rationalität der Erscheinungswelt beruth, ebensowenig erweisen, wie der eigentliche Rationalismus die seinige, die objektive Rationalität der Welt ansich, beweisen kann. Beide müßten ins Feld der empirischen Erkenntnis hinabsteigen, um einen solchen Beweis auch nur zu versuchen; mit dem bloßen Versuch eines solchen Erfahrungsbeweises aber hätten sie schon ihr eigenes oberstes Prinzip verleugnet. Die Voraussetzung des Seienden als eines Tatsächlichen aber hat keine Zutat, die erst des Beweises bedarf; Tatsächlichkeit drückt weiter nichts aus, als was im Begriff des Seienden ansich schon liegt. Nur der Empirismus kann zu wirklichen Erkenntnissen führen, aber nur, wenn er zum Gewirkten, dem Vorstellungsbild der Dinge im Bewußtsein, die richtigen Ursachen nachzuweisen vermag. Dieses Gewirkte ist ein unendlich Mannigfaltiges, Kompliziertes, ein Produkt aus dem Zusammenwirken vieler Ursachen; auch innere Ursachen wirken zu seinem Zustandekommen mit; die einzelne, schlechthin einfache Wirkung kann nur  einer  Ursache entstammen und weist auf diese als auf ein in ihr Gegenwärtiges zurück. Nur wenn die Auflösung des Gesamtprodukts in die Vielheit der einzelnen einfachen Wirkungen gelingt, kann das in ihnen Wirkende erkannt werden. Das Geheimnis des Erfolges liegt für den Empirismus in der Analyse des Bewußtseinsinhalts. Das letzte Erreichbare aber ist die Hypothese; nicht die vorläufige versuchende Hypothese, die wie eine Rekognoszierungstruppe der vorrückenden Erkenntnis voranzieht, sondern die endgültige metaphysische Hypothese, die den folgerichtigen Abschluß unserer Bemühungen um Erkenntnis der Ursachen aus den Wirkungen bildet. Es gibt nur hypothetische Metaphysik.

Hiermit soll nicht eine Erkenntnislehre oder auch nur ein Abriß einer solchen gegeben sein, sondern nur ein Bekenntnis meiner prinzipiellen Stellung zur Frage der Erkenntnismethode des Seienden, wie es durch die Abhängigkeit der Güterlehre vom theoretischen Erkennen notwendig wurde. Diese Stellung ist keine andere, als die der wirklichen, stetig fortschreitenden und vordringenden Wissenschaft des Seienden.

Hiermit wäre der Nachweis geliefert, daß die Güterlehre Zentralwissenschaft ist; es bleibt noch zu zeigen, daß ihr Verhältnis zur theoretischen Wissenschaft nicht nur das der Abhängigkeit, sondern auch das einer richtunggebenden Beeinflussung ist.

Die theoretischen Wissenschaften selbst zeigen sich im ganzen abgeneigt, eine solche Überordnung anzuerkennen. In strenger Absonderung gegen jedes aus Lust und Unlust fließende Interesse geben sie sich die Miene, ausschließlich dem Erkenntniszweck als einem gleichsam unpersönlichen, allen Schranken der gemeinen Bedürftigkeit entrückten zu huldigen; das Wissen ist ihnen Selbstzweck, das Erkenntnisstreben den Gesetzen der Güterlehre nicht unterworfen.

Und doch ist das Erkenntnisstreben, wie jedes andere Streben auf individuelle Güter, auf persönliche Lust und Befriedigung gerichtet. Dies muß schon von vornherein vorausgesetzt werden, da sonst die ungeheure Kraftaufwendung in seinem Dienst als eine Abweichung vom allgemeinen Gesetz der Menschennatur, als eine Wirkung ohne Ursache, unerklärt dastehen würde.

In der Tat sind es, wenn wir alle zufälligen und doch so mächtigen Nebeninteressen, wie die Aussicht auf Ehre und Ruhm, die aus einem Lehramt erwachsende Notwendigkeit der Forschung, den Wunsch, in einer Laufbahn weiterzukommen, die ethische Auffassung der Forschung als Lebensberuf in Abzug bringen, zwei Arten von Lust, die mit der rein theoretischen Forschertätigkeit rein als solcher verknüpft sind. Die eine ist die formale Lust aus der intellektuellen Beschäftigung, die beim Forscher in außergewöhnlicher Stärke hervortritt und eben deshalb nachdrücklich gesucht wird. Sie beruth, in abstrakter Isolierung gedacht, nicht sowohl auf Erkenntnis als Übereinstimmung der Vorstellungen mit der Wirklichkeit, als vielmehr im Vorstellen, Verknüpfen und Umgestalten von Vorstellungen ansich. Sie treibt zur Beschäftigung mit dem Seienden nicht, sofern es das Seiende ist, sondern nur, sofern es einen Stoff darbietet für intellektuelle Beschäftigung, gleichgültig, ob dabei Erkenntnis erzielt wird oder nicht. Dieses rein formale, intellektuelle Beschäftigungsbedürfnis wird in dieser abstrakten Isolierung kaum je in der Wirklichkeit vorkommen, doch gibt es wissenschaftliche Beschäftigungen, die wegen der völlig untergeordneten, abgelegenen Bedeutung des Objekts fast nur die formale Lust der intellektuellen Beschäftigung zu erregen vermögen. Beispiele bieten die Minutien [Kleinigkeiten - wp] der philologischen, historischen oder naturwissenschaftlichen Detailforschung, sofern sie nicht auf Data gerichtet sind, die mit anderen bedeutsamen Datis in Verbindung stehen, sie bestätigen und erläutern.

Entspringt dagegen die Lust aus der Erkenntnis als solcher, so beruth sie auch mehr oder minder bewußt auf dem Gefühlsinteresse, das wir an der Beschaffenheit der menschlichen Natur und der Welteinrichtung als den Quellen aller Güter und Übel, den Ursachen des menschlichen Schicksals, den Bedingungen der Möglichkeit der Glückseligkeit zu nehmen genötigt sind. Ein großer Teil der theoretischen Forschung wird sogar im direkten Hinblick auf den Erwerb und die Erhaltung ganz bestimmter Güter, wie Gesundheit, Ausnutzung der Naturkräfte und Naturerzeugnisse zur Erleichterung und Verschönerung des Lebens, Verbesserung der gesellschaftlichen Ordnungen und Einrichtungen, unternommen. Aber auch wo dieser Hinblick auf unmittelbare Verwendung fehlt, wie in der reinen Geschichts- oder Naturforschung ohne Nebenabsichten, ist doch immer der Hintergedanke, daß es sich um ein Stück der Weltordnung handelt, in die wir selbst gesetzt sind und von der unser eigenes Wohl und Wehe abhängt, die geheime Triebfeder.

Erkenntnis der Weltordnung und intellektuelle Beschäftigung und die Güter, durch die auch das theoretische Erkenntnisstreben der Güterlehre untergeordnet ist. Durch beide wird das theoretische Erkennen ein Wertvolles und gibt überhaupt nichts mehr, das sich dem Bereich der Güterlehre entziehen könnte; sie ist der allesbeherrschende Gesichtspunkt für jedes Erkenntnisstreben; sie ist nicht nur Zentral-, sondern auch Fundamentalwissenschaft.


3. Dogmatismus, Skeptizismus und Kritizismus des Werturteils.

Die Unterscheidung des dogmatischen, skeptischen und kritischen Erkenntnisverfahrens als dreier Stufen der Erkenntnistätigkeit hat zuerst KANT in Bezug auf ein engbegrenztes Gebiet der theoretischen Forschung, die Metaphysik als das Gebiet des Unerfahrbaren, eingeführt. Es handelt sich bei ihm um die Möglichkeit, die Vernunftprinzipien, die auf dem Gebiet der Erscheinungswelt nach seinen Voraussetzungen die Bedingungen jeder möglichen Erfahrung sind, weil sie von uns selbst als konstituierende Faktoren in die Erscheinung hineingelegt werden, als Prinzipien der Erkenntnis des unerfahrbaren Übersinnlichen zu verwenden. Diese Möglichkeit wird nach KANT vom Dogmatismus stillschweigend und ohne Prüfung bejaht, vom Skeptizismus ohne genügenden Grund verneint, vom Kritizismus geprüft und einer auf festen Prinzipien beruhenden Entscheidung unterzogen, die allerdings bei KANT für das in Rede stehende Gebiet wesentlich negativ ausfällt. Der Dogmatismus bezeichnet ihm "den ersten Schritt in Sachen der reinen Vernunft, der das Kindesalter derselben auszeichnet", der zweite Schritt ist skeptisch und besteht in der Verwerfung des über die Erscheinungswelt hinausgehenden Vernunftgebrauchs von seiten einer durch üble Erfahrungen gewitzten und zur Vorsicht gemahnten Urteilskraft; der dritte, kritische Schritt bringt die Frage zur begründeten, endgültigen Lösung (Kritik der reinen Vernunft, Ausgabe Rosenkranz, Seite 587)

Die gleiche Beschränkung der drei Standpunkte auf das metaphysische Gebiet zeigt sich in seiner Schrift "Fortschritte der Metaphysik" (1790). "Die ersten und ältesten Schritte in der Metaphysik ... geschehen mit völliger Zuversicht, ohne vorher über die Möglichkeit der Erkenntnisse a priori" - nämlich auf dem metaphysischen Gebiet - "sorgsame Untersuchungen anzustellen". Der zweite Schritt der Metaphysik ist ein Rückgang zum Ausgangspunkt, ein Verzicht auf alle weiteren Anschläge wegen des offenbaren Mißlingens der unternommenen Versuche, die das Unvermögen der Vernunft zu beweisen scheinen. Der dritte Schritt führt auch hier nicht zu einem neuen Erkenntnisverfahren, sondern nur zur begründeten Feststellung der Grenzen der Vernunft als metaphysischen Erkenntnisvermögens. Das erste Stadium des metaphysischen Erkenntnisstrebens ist das des Dogmatismus, das zweite das des Skeptizismus, das dritte das des Kritizismus (Rosenkranz I, Seite 490 - 493).

Es liegt nahe, diese drei Ausdrücke aus der engbegrenzten Bedeutungssphäre, die ihnen der Zusammenhang des Kantischen Gedankenkreises anweist, loszulösen und sie in erweiterter und verallgemeinerter Fassung zunächst für das theoretische Erkennen überhaupt, mag es rational oder empirisch verfahren, zur Bezeichnung dreier mit einer gewissen Naturnotwendigkeit einander ablösender Verfahrensweisen zu verwenden. Der Dogmatismus ist das naiv zuversichtliche Verfahren, das ohne Skrupel über die Natur und die Schwierigkeiten der Aufgabe, ohne Prüfung seiner Verfahrensweise, ja ohne Bewußtsein von derselben auf seinen Gegenstand losgeht und ohne ernstliche Vergegenwärtigung und Erwägung der entgegenstehenden Möglichkeiten instinktiv einen der sich darbietenden Wege einschlägt. Der Skeptizismus vergegenwärtigt sich alle Möglichkeiten, prüft alle die von den verschiedenen Formen des Dogmatismus versuchten Wege und verwirft alle. Der Kritizismus aber darf sich in dieser verallgemeinerten Fassung nicht, wie im ursprünglichen Fall bei KANT, nur durch eine triftige Begründung des negativen Verhaltens vom Skeptizismus unterscheiden; er wird wie der Skeptizismus die Totalität der Möglichkeiten prüfen, aber, wenn er überhaupt als vom Skeptizismus wesentlich verschiedener Standpunkt möglich sein soll, zu einem positiven Ergebnis kommen, gleichviel, ob er sich - nicht blindlings, sondern aus triftigen Gründen- für einen der bereits versuchten Wege entscheidet oder ob er einen neuen besseren entdeckt. Es ist nicht notwendig, daß das geschieht, aber wenn es nicht geschieht, ist der Kritizismus, wie der Kantische hinsichtlich der Metaphysik, nur eine Nuance des Skeptizismus. Der Dogmatismus fragt nicht einmal nach der Möglichkeit der Erkenntnis, der Skeptizismus verneint sie, der Kritizismus fragt: Ist Erkenntnis möglich? und kommt durch eine erschöpfende Prüfung aller Möglichkeiten zu einem gesicherten Ergebnis, das im günstigen Fall ein positives, die Frage bejahendes ist.

Ebenso aber, wi beim theoretischen Erkennen, läßt sich die Aufeinanderfolge dieser drei Verfahrensweisen beim Werturteile nachweisen. Es gibt dogmatische, skeptische und kritische Werturteile und zwar auf beiden Stufen der Güterlehre, der elementaren und der zusammenfassenden. Für jede der beiden Stufen müssen die drei Standpunkte gesondert betrachtet werden.

Auf der elementaren Stufe fällt der Dogmatismus, unbekümmert um eine Begründung und um mögliche Einwände und Bedenken, nur vom Gefühl geleitet, singuläre Werturteile, erklärt Objekte für Güter. Der Skeptizismus schreitet zur generellen Verneinung dieser Urteile fort und erklärt: Es gibt überhaupt keine Güter, kann keine geben. Der Kritizismus fragt: Gibt es Güter? prüft die Frage und entscheidet sich aus Gründen.

Genauer betrachtet, bezieht sich der Dogmatismus, Skeptizismus und Kritizismus des singulären Werturteils nur auf die erste der beiden Fragen, in die nach dem vorigen Abschnitt die Frage nach der Möglichkeit der Güter auseinanderging, nämlich auf die Frage nach der inneren oder subjektiven Möglichkeit der Güter aufgrund der Einrichtung unserer Organisation, die Frage nach der subjektiven Möglichkeit der Lust. Die zweite Frage, die nach der äußeren oder subjektiven Möglichkeit aufgrund der Welteinrichtung, nach der Realität oder Realisierbarkeit der Bedingungen, unter denen Lust entsteht, gehört ganz dem theoretischen Erkennen an und ist nur hinsichtlich der Auswahl der Gegenstände der Untersuchung, hinsichtlich der Fragestellung, abhängig von der Güterlehre. Die Frage nach der subjektiven Möglichkeit ist die eigentliche fundamentale Wertfrage; wenn Lust subjektiv unmöglich ist, ist jede weitere Untersuchung überflüssig.

Der Dogmatismus nun verhält sich zu dieser Frage so, daß er nicht einmal ein Bewußtsein von der Möglichkeit, sie aufzuwerfen hat; sie ist für ihn überhaupt nicht vorhanden. Er beginnt seine Arbeit mit der unbewußten Voraussetzung ihrer positiven Lösung, er zählt Güter auf, fällt singuläre Werturteile. Weil er aber kein Bewußtsein von den Vorbedingungen für die Möglichkeit dieses Unternehmens hat, kann er auch nicht einmal zu einer befriedigenden, richtig abgeleiteten und wohlgeordneten Aufführung der Güter gelangen; er bleibt bei äußerlichen Gesichtspunkten stehen und gelangt zu keine Vollständigkeit und Ordnung. Der konsequente und radikale Skeptizismus verneint unter Berufung auf die Einrichtung unserer Organisation die subjektive Möglichkeit der Lust und damit die Möglichkeit der Güter und positiver singulärer Werturteile. Dem Kritizismus ist dadurch die Aufgabe gestellt, diese innere Möglichkeit zu prüfen; seine Frage lautet: Ist nach der Einrichtung unserer Organisation Lust möglich und gibt es demgemäß positive Werturteile im Sinne der Bejahung der subjektiven Möglichkeit von Gütern? Gelangt er mit dieser Untersuchung zu einem bejahenden Ergebnis, so hat er damit auch zugleich die Hilfsmittel gewonnen, eine vollständige und nach den wahren Unterschieden geordnete Übersicht der Güter und Übel zu geben.

Auf der zweiten, zusammenfassenden Stufe der Güterlehre gestalten sich die Unterschiede, zunächst allgemein ausgedrückt und unter Beiseitelassung des Unterschiedes der beiden Arten der Möglichkeit, folgendermaßen. Der Dogmatismus fällt in verschiedener Weise bejahende universelle Werturteile, indem er bald in dieser, bald in jener Weise Glückseligkeit für möglich, real oder realisierbar erklärt. Für den radikalen Skeptizismus, der die Möglichkeit der Güter überhaupt verneint hat, existiert die generelle Frage der Glückseligkeit überhaupt nicht mehr, nachdem er alle Vorbedingungen einer positiven Beantwortung ausgeschlossen hat. Nur ein minder radikaler Skeptizismus, der noch ein gewisses Maß von Lustmöglichkeit übrig läßt, kann hier in Betracht kommen, sofern er aber Skeptizismus ist, wird er dieses zugestandene Maß von Lust für unzureichend zur Glückseligkeit erklären und bei einem verneinenden universellen Werturteil stehen bleiben. Für den Kritizismus dieser universellen Stufe ist die Voraussetzung, daß es ihm auf der elementaren Stufe gelungen ist, die Möglichkeit positiver singulärer Werturteile nachzuweisen und ein geschlossene System der Güter und Übel aufzustellen. Auf dieser Grundlage wird es ihm alsdann vielleicht möglich sein, die Grundfrage: ist Glückseligkeit möglich? nach Prüfung der verschiedenen sich darbietenden Formen der Glückseligkeit durch ein bejahendes universelles Werturteil zu beantworten.

Beschränken wir sodann auch für die zusammenfassende Stufe der Fragestellung auf die Grundfrage der inneren oder subjektiven Möglichkeit nach der Einrichtung unserer Organisation, so zeigt auch hier der Dogmatismus kein deutliches Verständnis für die Bedeutung dieser Spaltung der Möglichkeit. Er bleibt bei einer bejahenden Antwort auf die allgemeine Frage nach der Möglichkeit der Glückseligkeit stehen und erklärt, daß in einer bestimmten Weise Glückseligkeit möglich sei. Nach den verschiedenen Weisen, in denen er aufgrund der vorhandenen Güter die Möglichkeit der Glückseligkeit behauptet, entstehen verschiedene Grundformen und Grundtypen des Dogmatismus.

Der gemäßigte Skeptizismus begründet sein verneinendes universelles Werturteil vornehmlich auf der Beschaffenheit unserer Organisation; er findet, daß diese so geartet ist, daß das geringe Maß von Lust, dessen Möglichkeit er anerkennt, nach der Einrichtung unserer Natur nicht ausreicht, um Glückseligkeit zu begründen. Der Kritizismus leitet aus der Beschaffenheit unseres Wesens die Bedingungen der Glückseligkeit ab und sieht dann zu, ob diese Bedingungen nach der Welteinrichtung real oder realisierbar sind. Seine Grund- und Vorfrage lautet: Ist und im Bejahungsfall wie ist nach der Einrichtung unserer Natur Glückseligkeit möglich?

Es ist hier gleichsam a priori die Verschiedenheit der in der Güterlehre möglichen Standpunkte und die richtige, wirklich wissenschaftliche Verfahrensweise abgeleitet. Das tatsächliche Vorhandensein dieser Standpunkte kann erst im weiteren Verlauf nachgewiesen werden und ebenso kann der Charakter des kritischen Verfahrens erst in der Durchführung vollständig verständlich werden.

Jedenfalls aber müssen schon aus dem Bisherigen die Grundzüge einer Methodenlehre des Werturteils hervortreten. Es ruht als rein individuelles und selbst im Individuum momentan wechselndes auf dem Gefühl; es wird ein allgemeingültiges aufgrund der Konstanz und Gleichartigkeit der Organisation; es vollendet sich in den beiden STufen der singulären Werturteile und des universellen Werturteils, von denen die erste, als von der zweiten vorausgesetzt, vor dieser erledigt werden muß; es hat endlich auf beiden Stufen seinen Ausgangspunkt nicht an der Weltbeschaffenheit, sondern an der Beschaffenheit unserer Organisation, sofern aus ihr die innere Möglichkeit der Lust, wie der Glückseligkeit abgeleitet werden muß. Der kritische Charakter der Methode beruth im allgemeinen auf der bewußten und sorgfältigen Sonderung der verschiedenen Schritte der Untersuchung und auf der Vollständigkeit der Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten bei jedem Schritt, im besonderen aber auf der Unterscheidung der beiden Stufen des Werturteils, der singulären und universellen, und auf der Zugrundelegung der inneren oder subjektiven Möglichkeit auf jeder von beiden Stufen, endlich auf der kontrollierbaren Begründung der Entscheidung auf beiden Stufen.

Zum Schluß dieses Abschnittes noch eine terminologische Bemerkung. Es ist im allgemeinen wünschenswert, den Gebrauch formelhafter technischer Ausdrücke, die schon als Fremdwörter die Sprache zu einem Jargon entstellen und das Verständnis erschweren, außerdem aber, besonders bei massenhaftem Gebrauch, durch die beständige Nötigung des Lesers, sich auf die genaue Bedeutung zu besinnen, außerordentlich ermüdend wirken, nach Möglichkeit zu beschränken. Es gibt jedoch Fälle, wo selbst die Neubildung eines Terminus durch das Bedürfnis scharfer Absonderung des Begriffes oder auch bequemerer sprachlicher Handhabung desselben Entschuldigung finden muß. In diesem Sinne ist für das auf die Lehren von den Werten, die Güterlehre Bezügliche durch von HARTMANN das Adjektivum axiologisch und für das ganze Lehrgebiet der Ausdruck Axiologie in Umlauf gesetzt worden. Letztere Bildung ist entbehrlich, da hierfür das Wort Güterlehre ausreicht; dagegen ist ein Adjektivum des bequemeren Ausdrucks wegen oft wünschenswert. Nur bezeichnet der em Wort axiologisch zugrunde liegende Wortstamm nicht Wert und Werturteil im mittleren, neutralen Sinn, sondern Würdigkeit und Würdigung, also entweder im relativen Sinn innere Berechtigung zu etwas, oder im absoluten Sinn positiven Wert und positives Werturteil überhaupt. Ich möchte daher für diese Bedeutungssphäre lieber das Adjektivum timologisch in Gebrauch nehmen, dem diese schiefe und einseitige Grundbedeutung nicht anhaftet und werde daher zuweilen in dem hier entwickelten Sinn von timologischen Dogmatismus, Skeptizismus und Kritizismus, von timologischer Beziehung, timologischen Standpunkten und dgl. reden.


4. Die Geschichte der Philosophie unter dem Gesichtspunkt der Güterlehre.

Die Werturteile des populären Bewußtseins bleiben durchweg auf der Stufe eines völlig naiven Dogmatismus stehen, der für die Grundfrage der subjektiven Möglichkeit der Güter und der Glückseligkeit ohne Verständnis ist und nur die objektive Möglichkeit als Realität oder Realisierbarkeit ins Auge faßt. Das populäre Bewußtsein beantwortet die Frage, was ein Gut ist, auch da, wo es zwischen wertvolleren und minderwertigen Gütern unterscheidet oder selbst im Gegensatz gegen oberflächlichere Urteile manchen Objekten den Charakter als Güter ganz abererkennt, nur durch das instinktive Urteil des Gefühls und die Glückseligkeit beruth ihm nicht sowohl im Vorhandensein der unverbrüchlichen, durch unsere Organisation gegebenen Bedingungen überwiegender Befriedigung, als vielmehr im Besitz, in der Realität möglichst vieler und möglichst begehrenswerter Güter. Selbst da, wo es negative Werturteile fällt, betreffen dieselben nicht sowohl die innere Unmöglichkeit der Lust aus gewissen Objekten und der Glückseligkeit nach der Anlage unserer Natur, sondern enthalten vielmehr Anklagen gegen das Schicksal, die Welt, das Leben, die Vorsehung, die uns die äußere Realität oder Realisierbarkeit der in ihrem Wert ansich unbezweifelten Güter und damit der Glückseligkeit vorenthalten. Dies ist noch nicht der eigentliche Skeptizismus der Güterlehre, sondern nur eine Kritik des individuellen oder im äußersten Fall des allgemeinen äußeren Schicksals, der Welteinrichtung, die auch als solche selten einen allgemeingültigen Charakter hat und selbst nach ihrer Geltung für das Individuum meist leicht durch einige Sonnenblicke des Glücks verscheucht wird. Zu einem wirklichen, instinktiven Skeptizismus, der nicht sowohl das Nichtvorhandensein der Objekte, als die innere Unmöglichkeit, aus denselben Lust zu schöpfen, beklagt, erhebt sich das populäre Bewußtsein nur in denjenigen Erscheinungen, die teilweise durch den Ausdruck der Blasiertheit bezeichnet werden und deren ältesten Typus die Klage des Predigers SALOMO: Es ist alles ganz eitel! darstellt.

Ein viel reichhaltigeres Material zur Erläuterung der Standpunkte des Werturteils bietet die Geschichte der Philosophie. Es muß behauptet werden und soll im nachstehenden wenigstens in den allgemeinsten Grundzügen nachgewiesen werden, daß der timologische Standpunkt den Schlüssel sowohl für die einheitliche Auffassung und den Grundcharakter der einzelnen Systeme ansich, als auch für die Stellung derselben in dem gesamten geschichtlichen Entwicklungsgang der Philosophie bildet. Der timologische Standpunkt des einzelnen Philosophen bildet als das Grundinteresse seines Denkes den Einheitspunkt seines Systems, der wechselnde Verlauf der timologischen Standpunkt bildet den wahren leitenden Faden für den Entwicklungsgang der Philosophie überhaupt und das Prinzip für eine wahre, nicht äußerelich an die Sache herangebrachte, sondern aus ihrem innersten Wesen selbst geschöpfte Periodeneinteilung. Die Güterlehre bildet den Mittelpunkt und das treibende Grundinteresse in der Geschichte der Philosophie. In dieser Tatsache, die hier nur in andeutender Weise aufgezeigt werden kann, liegte einer der Beweisgründe, der historische, für die im Anhang näher zu begründende Identifikation von Güterlehre und Philosophie. Eine detaillierte Ausführung dieser Auffassung der Geschichte der Philosophie behalte ich mir vor für eine demnächst unter dem Titel "Geschicht der Philosophie als Güterlehre" zu veröffentlichende Arbeit.

Die Grundzüge des Entwicklungsganges der Philosophie unter diesem Gesichtspunkt sind folgende. Die gesamte Geschichte der Philosophie bis zur Neuzeit ist eine Aufeinanderfolge verschiedener dogmatischer Standpunkte hinsichtlich der Möglichkeit der Glückseligkeit. Den Abschluß dieser Gesamtentwicklung des Dogmatismus der zusammenfassenden Stufe der Güterlehre bildet das Hervortreten eines echten und wahren timologischen Skeptizismus der elementaren sowohl, wie der zusammenfassenden Stufe, der die innere Möglichkeit der Lust sowohl wie der Glückseligkeit leugnet und damit den Abschluß sowohl der gesamten bisherigen Entwicklung bildet, als auch das Problem für eine neue kritische Behandlung der Güterlehre stellt und zu einer neuen kritischen Gestaltung der Philosophie als Güterlehre überleitet.

Die ganze große Masse der bisherigen Philosophie ist in ihren beiden großen Gruppen, der antiken und christlichen Philosophie, in der Beantwortung der ersten Grundfrage dogmatisch. Die Frage, was nach der Einrichtung der menschlichen Natur von dieser als Bedingung einer völligen oder doch überwiegenden Befriedigung verlangt werde, wird zwar in beiden Gruppen und wiederum in den verschiedenen Phasen der ersten Gruppe sehr verschieden beantwortet; in  einem  Punkt aber kommen beide Gruppen überein, daß nämlich die Antwort auf die universelle Wertfrage nach der Möglichkeit der Glückseligkeit nicht zunächst innerlich aufgrund einer kritischen Durchmusterung der menschlichen Natur, sondern gleich äußerlich durch unmittelbaren Hinweis auf bestimmte Güter als Glückseligkeitsursachen erteilt wird.

Genauer gesprochen bilden die beiden großen Gruppen, die antike und die christliche Philosophie, nicht einen einzigen kontinuierlichen Verlauf, bei dem der Eintritt des Christentums nur die Bedeutung hätte, die dogmatisch behauptete Glückseligkeitsmöglichkeit auf eine höhere Stufe zu heben, sondern jede von beiden Gruppen schließt sich für sich zu einem Ganzen zusammen, das nach einem dogmatisch-positiven timologischen Verlauf mit einer Negation, einer timologischen Skepsis endigte, so jedoch, daß die Negation der zweiten Gruppe universeller ist, als die der ersten und diese zugleich als Moment mit einschließt.

Die antike Philosophie bildet einen völlig selbständigen Verlauf durch sechs vorchristliche und über fünf nachchristliche Jahrhunderte, der nach Erschöpfung der auf der antiken Stufe möglichen Glückseligkeitsideale im Neuplatonismus als der Aufgabe nicht nur aller Glückseligkeitsansprüche, sondern des bewußten individuellen Daseins selbst an ein abstraktes Prinzip der Dinge mit einem Bankrott endet, der die größte Ähnlichkeit mit dem Bankrott der gesamten bisherigen Philosophie einschließlich der christlichen im timologischen Skeptizismus der Neuzeit hat. Dieser Gesamtverlauf der antiken Philosophie läßt sich in vier Perioden einteilen.

Die  erste Periode,  von 600 bis gegen 400 v. Chr., ist eine Vorbereitungszeit, in der die Philosophie zunächst nur als das auftritt, was ihr Name ursprünglich besagt, als Erkenntnisdrang, Streben nach Erkenntnis des Wesens der Dinge aus rein theoretischem Interesse. In diesem Sinne betrachtet, läßt sie sich in drei aufeinanderfolgende Phasen einteilen, die physische Schule der Ionier, die ein unendlich transformationsfähiges physisches Prinzip der Dinge, Stoff und Kraft ungesondert verbunden, annimmt, die metaphysischen Schulen des HERAKLIT, der Pythagoreer und der Eleaten, denen dieses Prinzip einen immer deutlicher herausgearbeiteten metaphysischen Charakter trägt, und die metaphysisch-physischen Richtungen des EMPEDOKLES, der Atomisten und des ANAXAGORAS, die jenseits der Erfahrung liegende unveränderliche Grundstoffe der Dinge und verschieden von diesen Grundstoffen treibende Kräfte des Werdens annehmen.

Aber schon in dieser Vorbereitungszeit macht sich in der zweiten und dritten Phase das Glückseligkeitsinteresse, wenn auch nur in der Form der mehr populären Reflexion, durchweg geltend und es treten Vorstufen der späteren timologischen Standpunkte auf, die auf die Entwicklung der letzteren nicht ohne Einfluß bleiben. Von den sechs hier zu unterscheidenden Richtungen erscheinen nur die Eleaten völlig unberührt von ihm. HERAKLIT bildet durch das Prinzip der willigen und freudigen Einstimmung in den Weltlauf, der vernünftig ist und unser wahres Wohlsein gewährleistet, den Vorläufer der Stoa, die pythagoreische Sekte stellt in der Geheimlehre von der Möglichkeit eines körperfreien Zustandes der Seele, in dem das Ideal einer vollkommenen Glückseligkeit verwirklicht ist, ein für die spätere Entwicklung vielfach wirksames Prinzip der Glückseligkeit auf, dem auch EMPEDOKLES in seltsamem Widerspruch gegen seinen sonstigen Materialismus huldigt; in der teils edleren Lebensgenuß, teils Resignation predigenden Lebensweisheit des DEMOKRIT zeigt sich eine Vorstufe der epikureischen und in geringerem Maß auch der skeptischen Glückseligkeitslehre und ANAXAGORAS, dessen ganzes Interess dem theoretischen Erkennen gewidmet ist, betont doch wenigstens in mehrfachen Aussprüchen das einzig Beglückende und Befriedigende der Erkenntnisfunktion, womit er bei PLATO und ARISTOTELES einen Widerhall fand.

Die  zweite Periode,  von etwa 450 bis ins zweite vorchristliche Jahrhundert, ist die eigentlich schöpferische Periode der griechischen Güterlehre. Ausgehend von der Frage: wie ordnen wir unser Leben, um glückselig zu sein? werden als Vorbedingung mannigfach gestalteter Formen der Ethik im antiken Sinn ebenso mannigfache Prinzipien der Glückseligkeit dogmatisch aufgestellt. Die klassische griechische Philosophie ist auf der Grundlage der Güterlehre.

Das Verdienst, das Grundschema dieses Gedankenzusammenhangs bewußt aufgestellt zu haben, scheint den  Sophisten  zuzukommen und hierin, nicht in ihren dürftigen und verächtlichen Lehren von Sinneslust, Reichtum, und Macht als den erstrebenswerten Gütern, liegt ihre dauernde und den weiteren Entwicklungsgang bestimmende Hauptleistung. Das vom Gängelband des Herkömmlichen losgelöste Individuum setzt sich selbständig die Glückseligkeit als Lebenszweck, bestimmt bewußt deren Inhalt und richtet sein Handeln konsequent auf die Verwirklichung dieses Inhalts. Die Fähigkeiten zur Erreichung dieses individuellen Lebenszweckes sind die Tugenden. Die Sophisten sind die Schöpfer der Individualethik im antiken Sinn.

SOKRATES nimmt dieses Grundschema auf und erfüllt es mit einem tieferen und edleren Inhalt. Zwar kennt er noch kein einheitliches, das ganze Glückseligkeitsbedürfnis deckendes Gut; die Vielheit der Güter will ihm noch nicht völlig zur Einheit zusammengehen, da jedes Gute doch wieder nur zu etwas gut ist, das noch nicht das letzte Gute ist, aber er nähert sich doch schon durch Aufstellung einer großen beherrschenden Gütergruppe derjenigen Form der Güterlehre, in der  ein  Gut den ganzen Bedarf deckt. Seine beherrschende Gütergruppe kann einheitlich als Zuneigung anderer bezeichnet werden, Zuneigung der Gottheit, die sich in besonderen Gnadenerweisungen betätigt und durch die Tugend der Frömmigkeit erworben wird, Zuneigung der Menschen, die reiches Glück gewährt und uns durch Gerechtigkeit zufällt. Der Beweis der Realisierbarkeit der göttlichen Gunst ergibt eine Art von Metaphysik in Form eines Gottesbeweises. Neben dem Gut dieser doppelten Zuneigung kommen Sinnenlust und Leidensfreiheit nur in untergeordnetem Maß als Güter in Betracht. Namentlich die Sinnenlust ist mehr schädlich als heilsam, weil sie dem Erwerb jenes höheren Gutes im Wege steht und darf nur in dem Maße gelten, als dies nicht der Fall ist. Der aus ihr fließende Genuß wird aber durch diese Einschränkung nicht verkürzt, da sie das Eigentümliche hat, daß die Intensität des Genusses im umgekehrten Verhältnis zur Extension steht.

Die sogenannten  kleinerer sokratischen Schulen  hängen nur lose mit der sokratischen Güterlehre zusammen. Den Kyrenäikern ist die aktuelle sinnliche Lust, den Kynikern die Bedürfnislosigkeit und Unabhängigkeit von allen Bedingungen des zivilisierten Lebens, den Megarikern das Wissen des wahrhaft Seienden, das, wie bei den Eleaten, metaphysischer Natur ist, das höchste Gut.

Die Güterlehre PLATOs ist mehr durch die der Megariker und der pythagoreischen Geheimlehre bestimmt, als durch die des SOKRATES; sie ist eine Synthese der Erkenntnis des wahrhaft Seienden und des körperfreien Seelenzustandes zur Einheit des höchsten Gutes. Sein oberstes Interesse geht auf Erkenntnis der als unveränderliche metaphysische Realität gedachten Welt der Begriffe. Da diese Erkenntnis im irdischen Dasein durch die Sinne, die uns eine veränderliche, immer nur werdende Erscheinungswelt vorspiegeln und durch das der intellektuellen Funktion teilweise geradezu widerstrebende Begehren der niederen Seelenteile gehindert wird, so gelangt sie zur vollen Entfaltung nur in einem körperlosen Zustand, in dem das intellektuelle Anschauungsvermögen der Seele durch nichts gehemmt wird. Das platonische Glückseligkeitsideal bedingt zum Nachweis seiner objektiven Möglichkeit in doppelter Beziehung eine Metaphysik; sie bedarf des Nachweises der Realität der jenseitigen Begriffswelt und der Unzerstörbarkeit der Seele. Der jenseitige Zustand intellektueller Befriedigung kann aber nur denjenigen Seelen zuteil werden, die schon auf Erden der trügerischen Erscheinungswelt und dem Begehren sich möglichst entzogen und der wahren Erkenntnis nachgestrebt haben. Dieses Streben aber gewährt schon im irdischen Zustand eine Vorstufe der wahren Befriedigung. Aus beiden Interessen aber, dem der Verwirklichung der irdischen Vorstufe und dem der Anbahnung der jenseitigen Vollendungsstufe des metaphysischen Erkennens, entspringt die platonische Ethik.

ARISTOTELES leitet das höchste Gut aus dem Bedürfnis der Betätigung ab. Die Glückseligkeit besteht in vollkommener Betätigung der höchsten und besten Vermögen unserer Natur. Das höchste und edelste Vermögen ist das des theoretischen Denkens, das seine vollkommenste Betätigung als Weisheit in der metaphysischen Erkenntnis der letzten Prinzipien des Seienden hat. Das ganze System theoretischer Welterkenntnis, wie es ARISTOTELES entwickelt, hängt an diesem obersten timologischen Prinzip und hat an ihm seinen wahren Einheitspunkt; die gesamte Erkenntnis der Dinge hat für ihn nur die Bedeutung einer beglückenden Betätigung des höchsten Vermögens. Dies ist nur eine schärfere Ausprägung des platonischen Gedankens; nur ist bei ARISTOTELES das Erkenntnisobjekt kein abstrakt jenseitiges; die Vernunftprinzipien sind in den endlichen Dingen, daher auch ARISTOTELES, obgleich er eine körperlose Dauer der denkenden Seele annimmt, doch die pythagoreische Verherrlichung dieses körperlosen Zustandes, der nach ihm der Erinnerung entbehrt, als eines Vollendungszustandes fallen läßt und beim irdischen Dasein stehen bleibt. Das zweitbeste Vermögen ist das des Beratschlagens oder des das Handeln bestimmenden Denkens, durch das das Begehren, der Wille, der Vernunft unterworfen wird. Die Glückseligkeit entspringt hier unmittelbar aus der Betätigung der praktischen Vernunft am Wollen, durch die letzteres in die vernünftige Mitte besteht auf dem Gebiet der Affekte in den sogenannten ethischen Tugenden, die je eine Mitte zwischen zwei entgegengesetzten Affekten darstellen, auf dem des eigentlichen Wollens in der Gerechtigkeit, die die Mitte zwischen zügelloser Selbstsucht und kleinmütiger Schwäche bildet.

Fast gleichzeitig treten um 300 v. Chr. drei neue Glückseligkeitsprinzipien auf, das der möglichst großen Lustsumme im  Epikureismus,  das der freien Einstimmung in den vernünftigen Weltprozeß im  Stoizismus  und das der Freiheit von seelischen Beunruhigungen und Erschütterungen infolge des Nichtwissens von Wesen und Wert der Dinge für uns im  Pyrrhonismus. 

Wenn als die Lehre des  Epikureismus  angegeben wird, das höchste Gut sei die Lust, so soll damit nicht das Sinnlose behauptet werden, als ob es außer der Lust noch andere minderwertige Güter gebe. Der Ausdruck "höchstes Gut" ist nur die mißverständliche lateinisch Wiedergabe des griechischen  telos,  Ziel, den schon ARISTOTELES gebraucht für das nicht um eines anderen willen als Mittel zum Zweck, sondern um seiner selbst willen als Zweck, dem alles andere als Mittel dienen muß, Erstrebte. In diesem Sinn ist auch der Ausdruck höchstes Gut gemeint; das höchste Gut ist nicht Gut um eines anderen willen, das dadurch erworben werden kann, sondern an und für sich selbst. Das Eigentümliche der epikureischen Lehre nun liegt nicht darin, daß das letzte Erstrebenswerte auch Lust, Befriedigung gewähren müsse, was alle behaupteten, ebensowenig wie darin, daß Sinnenlust das höchste Gut sei, was dem Epikureismus fälschlich aufgebürdet wurde, sondern darin, daß jede Art von Lust ansich schlechthin erstrebenswert sei und daß es nur darauf ankomme, durch Bevorzugung der stärkeren Lust vor der schwächeren und durch Vermeidung einer solchen Lust, die andere bessere Lust hindert oder gar Unlust erzeugt, den möglichst großen Gesamtbetrag von Lust herauszuschlagen. Er zieht die seelische Lust der körperlichen vor und faßt die Gesamteinrichtung der menschlichen Natur so auf, daß es nach ihr möglich ist, in jedem Lebensmoment, also auch für die Summe der Lebensmomente einen überwiegenden Betrag von Lust durch die Berücksichtigung aller Arten von Lust, soweit sie nicht einander aufheben oder hemmen, zu gewinnen. Glückseligkeit ist möglich, weil in jedem Moment und also auch im Gesamtleben ein überwiegendes Quantum von Lust irgendwelcher Art erzielt werden kann. Ausgehend von der universellen Schätzung aller Arten von Lustursachen als ansich erstrebenswerter Güter, die er dem populären Bewußtsein entlehnte, suchte er sich durch eine Reihe von gewagten psychologischen Behauptungen die dem populären Bewußtsein fehlende Gewißheit der Möglichkeit eines Lustüberschusses zu verschaffen. Er suchte durch Behauptungen, wie: Schmerzlosigkeit ist ansich lustvoll; Befreiung von Unlust bewirkt auch schon ohne hinzutretenden positiven Genuß Lust; Entziehung einer Lust bewirkt ansich noch nicht Unlust, das Grenzgebiet zwischen Lust und Unlust derartig auf die Seite der Lust zu schlagen, daß das Gebiet der möglichen Lust von vornherein als das größere erschien. Indem er die bloße Freiheit von körperlichen Beschwerden und seelischen Erschütterungen der Lust zurechnete, glaubte er das Übergewicht der Lust gesichert zu haben. Alle Arten von Gütern erscheinen ihm zur Erzielung der Glückseligkeit brauchbar und er glaubt die populäre Meinung, daß auf diesem Weg universellen Luststrebens Glückseligkeit zu erzielen sei, zu wissenschaftlichen Gewißheit erhoben zu haben.

Nach dem Stoizismus ist die Welt ein vernünftiges Wesen. In der vernunftlosen Natur waltet unmittelbar und zwingend die Weltvernunft; alles vollzieht sich in uneingeschränkter Vollkommenheit nach den vernünftigen Gesetzen des Weltalls. Im Menschen hat sich dieses Vernunftprinzip eine selbständige Daseinsweise gegeben; es soll sich in ihm im Gegensatz gegen widerstrebende Mächte seines Innern in Freiheit durch Einsicht verwirklichen. Das stoische Ideal des Weisen ist freie, vollkommene Übereinstimmung mit der Weltvernunft. Im empirischen Leben ist die Tugend die prinzipielle innere Stellung, nach der diese Übereinstimmung als die allein berechtigt Maxime der Willensrichtung und des Handelns anerkannt wird. Jene vollendete Übereinstimmung ist das höchste Gut ansich, das vollkommene Leben, die Tugend als die Maxime des vollkommenen Lebens ist das höchste Gut für uns, soweit es uns erreichbar ist, ein Bewußtseinszustand, den nichts anfechten kann.

Nach dem  Pyrrhonismus  gibt es kein apodiktisches Wissen weder über das Wesen der Dinge noch über ihren Wert für uns; weder die theoretischen Erkenntnisurteile noch die Werturteile haben Gewißheit. Die Glückseligkeit besteht daher in der rein negativen Haltung der Unabhängigkeit von den sich aufdrängenden Scheinwerten, der universellen Gleichgültigkeit gegen die vermeintlichen Güter und Übel, die sich durch nichts anfechten, erschüttern und aus dem inneren Gleichmut herausbringen läßt. Während das singuläre Werturteil auf der Stufe der Unentschiedenheit stehen bleibt, wird das universelle positiv, indem eben dieser Zustand der Unabhängigkeit, Gleichgültigkeit, Unangreifbarkeit als ein unbedingt beglückender unmittelbar gefühlt und erfahren wird; die der Indifferenz des Werturteils entsprechende Grundstimmung der Indifferenz erlangt durch das Zeugnis des Gefühls wieder einen positiven Wert.

Die  dritte Periode der antiken Philosophie,  vom zweiten vorchristlichen Jahrhundert an bis gegen 200 n. Chr., ist im allgemeinen eine Periode des schwächlichen Epigonentums. Die Schulgegensätze werden auf Formel gebracht und diskutiert, wobei sich eine Zeitlang, besonders während des ersten vorchristlichen Jahrhunderts teilweise die Neigung zu eklektischer Abschleifung, im weiteren Verlauf aber, in der nachchristlichen Zeit, wieder die entgegengesetzte zu straffer Anziehung der Schulgegensätze zeigt. Ein charakteristischer Zug dieses Zeitabschnittes ist es, daß auch äußerlich, dem Namen nach, die Philosophie vollständig und mit Bewußtsein als eine Theorie der Lebensführung aufgrund einer bestimmten Güter- und Glückseligkeitslehre, als  ars vivendi  oder Ethik im antiken Sinne aufgefaßt und von den theoretischen Wissenschaften mehr und mehr gesondert wird.

Äußerlich stehen sich die vier Hauptschulen, die akademische, peripatetische, epikureische und stoische gegebüber. Aber die akademische war vom Geistes PLATOs längst abgehalten und verfocht in KARNEADES (um 170 v. Chr.) das Prinzip, daß der Besitz der wichtigsten von der Natur geforderten Güter, der prima naturae, die Glückseligkeit verbürge, während ANTIOCHUS von ASKALON, der 68 v. Chr. starb, behauptete, die Tugend - im ethischen Sinn - begründe zwar ein glückseliges, aber nicht das glückseligste Leben, wozu noch weitere Güter erforderlich. Auch die peripatetische Schule hat den Geist ihres Stifters verloren und fordert noch entschiedener als ANTIOCHUS äußere Güter als Ergänzung der Tugend. Der Epikureismus ist die einzige Schule, die unverändert den Sätzen des Meisters anhängt; der Stoizismus erfuhr namentlich durch PANÄTIUS im zweiten vorchristlichen Jahrhundert eine Abschwächung seiner Lehre, indem die Lust wenigstens teilweise als dem Leben nach der Weltordnung gemäß neben die Tugend gestellt wurde; in der nachchristlichen Zeit aber erhebt er sich, namentlich in MUSONIUS RUFUS und EPIKTET, zu einer abstrakten Schroffheit, in der das eigentliche Wertprinzip der Übereinstimmung mit der Weltordnung fast völlig aus dem Gesichtskreis verschwindet und eine dem Zynismus und Pyrrhonismus verwandte Gleichgültigkeit gegen Güter und Übel die Garantie der Glückseligkeit ausmacht.

Die  vierte Periode,  die in ihren allmählichen Vorbereitungsstufen bis in die vorchristliche Zeit zurückreicht, findet ihre Vollendung im Neuplatonismus, dessen Stifter PLOTIN, dem dritten nachchristlichen Jahrhundert angehört. Diese Richtung verzichtet auf eine eigentliche Güterlehre. Es gibt keinen Zustnd im bewußten empirischen Dasein oder auch in einem diesem durch Fortdauer des Bewußtseins ähnlichen jenseitigen Dasein, der als Glückseligkeit bezeichnet werden könnte. Alles Seiende ist nur eine vergröbernde Emanation aus einem völlig abstrakten Weltgrund, der weder ist noch denkt, von dem überhaupt nichts Positives ausgesagt werden kann und der im Grunde ein Nichts ist. Nur die Rückkehr in den bewußtlosen Zustand dieses Nichts, die Erlösung vom konkreten Dasein, ist das Begehrenswerte, aber nicht als befriedigter Zustand, weil es überhaupt kein Zustand mehr ist, sondern nur als Erlösung von einem unbefriedigenden Zustand. Diese Rückkehr findet im irdischen Leben nur auf seltene Momente in der Ekstase, der bewußtlosen Verzückung, statt; als dauernde ist sie das Ziel einer langen Entwicklung. Nichts in der Welt ist ansich wertvoll; der Genuß des Schönen, Sittlichkeit, Askese, Erkenntnis haben nur insofern einen abgeleiteten Wert, als sie diese Rückkehr vorbereiten, mit der der Mensch aufhört, Subjekt einer möglichen Befriedigung zu sein, weil er aufhört, Bewußtes, ja Seiendes zu sein.

Die  christliche Philosophie  hat das Unterscheidende von der antiken, daß nicht die Philosophie als solche ein Glückseligkeitsideal aufstellt, sondern daß ihr dies in autoritativer Weise von der Offenbarung entgegengebracht wird. Es gibt eine vollkommene Glückseligkeit im Reich Gottes, in einem jenseitigen Zustand unter veränderten Daseinsbedingungen, an der aber der Glaubende schon im Diesseits in der Hoffnung und im Vorgeschmack Anteil hat. Es ist nicht eine jenseitige Glückseligkeit abstrakter Art, wie die Körperfreiheit der Pythagoreer oder die nur intellektuell anschauende Daseinsweise PLATOs, sondern ein ganz konkreter Zustand, in dem nicht nur die Seele ihre wesentlichen Vermögen behält, sondern auch der Leib, wenngleich als verklärter geistlicher Leib fortdauert. Auch die zur Erlangung dieses vollkommenen Gutes erforderliche Lebensführung ist autoritativ vorgeschrieben, ja nach der strengeren Lehre kann der Mensch überhaupt nichts dazu tun, sondern hat das erforderliche Wirken der göttlichen Gnade zu überlassen; es gibt also keine Ethik im antiken Sinne mehr. Die subjektive Möglichkeit einer solchen vollkommenen Glückseligkeit wird dogmatisch vorausgesetzt und ihre Beschaffenheit als Zustand tritt nur in schattenhaften, verschwimmenden Umrissen hervor. Dagegen nehmen jetzt die metaphysischen Vorbedingungen der objektiven Möglichkeit, die bei den antiken Standpunkten nur teilweise, wie bei PLATO und den Stoikern, eine zentrale Bedeutung hatten, infolge der ausschließlichen Jenseitigkeit der Glückseligkeit, die höchste Bedeutung in Anspruch; die Substanzialität der Seele, die Gottheit und die von ihr veranstaltete Erlösung müssen real sein. Auch diese metaphysischen Vorbedingungen sind nun zunächst autoritativ gegeben; in dem Maße aber, in dem allmählich das Denken zur Mitarbeit an ihnen berufen wird, in dem also eine christliche Philosophie entsteht, wird diese wesentlich Metaphysik im Dienste der objektiven Voraussetzungen der christlichen Heilslehre. Die christliche Philosophie ist nicht mehr selbst Güterlehre, sondern steht nur in Abhängigkeit von einer Güterlehre, indem es ihre Aufgabe wird, die Voraussetzungen der Realisierbarkeit der christlichen Seligkeit stützen zu helfen.

Nach dem Maß nun, in dem die Hilfsarbeit der Philosophie für diese Aufgabe in Anspruch genommen wird, entstehen drei Perioden der christlichen Philosophie.

Die  erste Periode  ist die der Dogmenbildung. Hier ist die metaphysische Produktion eine vorwiegend formale. Die metaphysischen Voraussetzungen der Heilslehre sind zwar autoritativ gegeben, aber nur in der unbestimmten Formulierung eines populären Vorstellens. Sie sind daher der Gefahr der Umdeutung namentlich im Sinne jener letzten antiken Weltanschauung, die im Neuplatonismus ihren vollkommensten Ausdruck fand, ausgesetzt. Es müssen daher diese Voraussetzungen so ausgebildet und namentlich so formuliert werden, daß aus ihnen nicht jene fremdartige Erlösung vom konkreten Dasein folgt, sondern durch sie die Möglichkeit der christlichen Erlösung zum vollendeten konkreten Dasein begründet wird. Dies ist de Sinn der Dogmen von der Trinität und der Realität auch der menschlichen Natur in der Person des Erlösers. Die metaphysische Produktion dieser Periode ist formal-metaphysische Bearbeitung des gegebenen Glaubensinhaltes: ihren Niederschlag bilden die ökumenischen Bekenntnisschriften.

Die  zweite Periode  ist die der Scholastik. Neben die im Dogma festgelegten metaphysischen Bedingungen des ewigen Heils tritt jetzt eine Metaphysik des natürlichen Denkens, nicht als originales, neues und selbständiges Erzeugnis, sondern die natürliche metaphysische Erkenntnis erscheint als eine fertige, repräsentiert durch die hervorragendsten antiken Philosophen, PLATO und namentlich ARISTOTELES. So entsteht die Frage, ob es nicht möglich ist, die Metaphysik des Dogmas, unbeschadet ihrer vorab anerkannten autoritativen Geltung, mit der Metaphysik der natürlichen Vernunft, wie sie in jenen Denkern zutage trat, in Einklang zu bringen. Nur als Metaphysiker kommen die antiken Denker in Betracht, ihre Glückseligkeitslehre bleibt so gut wie gänzlich außer Beachtung; sie erscheinen ganz der veränderten Sachlage gemäß unter einem ganz neuen einseitigen Gesichtspunkt. Die Entwicklung dieses Harmonisierungsversuches ist eine abwärts gehende, vom hoffnungfreudigen Versuch totaler Harmonisierung bis zum völligen Scheitern. Sie verläuft in drei Hauptphasen, die durch die Namen ANSELM von CANTERBURY, THOMAS von AQUIN und WILHELM von OCKHAM charakterisiert werden. Erst wird totale Harmonisierung versucht, dann werden die Mysterien von der Harmonisierung ausgeschlossen und diese auf den engeren Kreis der auch der natürlichen Vernunft zugänglichen Sätze, die  praeambula fidei  [Vorerlebnis des Glaubens - wp], beschränkt, endlich wird die völlige Unvereinbarkeit des Glaubensinhalts mit dem natürlichen Denken konstatiert. Das Resultat der mittelalterlichen Denkarbeit ist einesteils ein bewußter Supranaturalismus als offene Verneinung der natürlichen Erkenntnis, den auch die Reformation als Erbe antrat, andernteils die Lehre von der doppelten Wahrheit, nach der etwas für das natürliche Licht, das immer noch durch die antike Philosophie, namentlich den Aristotelismus, repräsentiert erscheint, wahr sein kann, während es nach dem übernatürlichen Licht der Offenbarung falsch ist, als heimliche Verneinung des Dogmas.

 Die christliche Philosophie der dritten Periode,  die neuere Philosophie, hat mit der mittelalterlichen das Grundproblem gemeinsam: auch hier handelt es sich um das Zusammenstimmen der metaphysischen Bedingungen der Heilslehre mit den Resultaten des natürlichen Erkennens. Aber die Umstände und Voraussetzungen der neuen Harmonisierungsversuche sind andere geworden. Das natürliche Erkennen ist nicht mehr identisch mit der antiken Metaphysik, sondern tritt als neue, selbständige Wissenschaft, namentlich als unabhängige, streng wissenschaftlich begründete, stetig fortschreitende Naturwissenschaft auf. Ferner aber erklärt sich auch das auf Harmonisierung abzielende Denken nicht mehr von vornherein und im Prinzip an das Dogma gebunden, sondern tritt mehr und mehr als selbständiges, nur seinen eigenen Resultaten vertrauendes auf, daher dann, als der Entwicklungsgang sich als ein fortschreitendes Auseinandergehen der beiden in Einklang zu bringenden Prinzipien auch hier zeigt, nicht Supranaturalismus und doppelte Wahrheit, sondern fortschreitende Verwerfung des Dogmas das Resultat ist. Die moderne christliche Philosophie ist sowohl hinsichtlich der natürlichen Erkenntnis, unter deren Voraussetzung sie operiert, als auch hinsichtlich der eigenen Resultate, eine autoritätsfreie; sie bindet sich an ARISTOTELES gar nicht, an das Dogma nur, insofern sie glaubt, es mit der Wissenschaft in Einklang gebracht zu haben. Natürlich wird durch diese freiere Stellung zum Dogma auch die Beziehung zum timologischen Grundinteresse teilweise eine losere und weniger sichtbare und für eine oberflächlichere Betrachtung, die die tieferen Zusammenhänge aus den Augen verliert, kann es manchmal scheinen, als handle es sich nur um Fragen und Systeme theoretischen Wissens.

Dieser Prozeß der freiwilligen Harmonisierungsversuche der natürlichen Erkenntnis mit den metaphysischen Voraussetzungen der Heilslehre verläuft bis zum offenkundigen Hervortreten des negativen Endergebnisses in sechs Phasen. Wie im Mittelalter ist auch hier der Verlauf so gestaltet, daß die weitestgehenden Versuche den Anfang machen, die nachfolgenden aber einen stetigen Rückgang bis zum offenen Auseinandergehen und zur offenen Verneinung des Dogmas darstellen.

Zuerst eine Vorbereitungszeit von unbestimmt chaotischem Charakter, bis ins 17. Jahrhundert hineinreichend. Sie umfaßt eine Mannigfaltigkeit von Ansätzen und Versuchen, die nach der Verschiedenheit der neuen Faktoren des geistigen Lebens, von denen sie ihre Anregungen empfangen, sich als Philosophie des Humanismus, der Reformation und der beginnenden Naturwissenschaften gruppieren lassen. Gemeinsam ist allen der Gegensatz gegen die Scholastik und ihre Faktoren: das autoritative Dogma und den autoritativen ARISTOTELES.

Mit der zweiten Phase, der Philosophie des 17. Jahrhunderts, tritt der eigentümliche Charakter der Periode vollständig hervor, indem das Harmonisierungsproblem in vollem Umfang in Angriff genommen wird. Voraussetzung ist das Hervortreten einer neuen exakt-wissenschaftlichen Naturwissenschaft durch GALILEI, als deren Konsequenz die Überzeugung erscheint, daß alles natürliche Geschehen ein mechanisches ist, das Resultat von Materie und Bewegung. Eine unvollkommene Lösung des Problems liefert HOBBES, der die Harmonisierung nur ganz äußerlich, durch das Gesellschaftsinteresse und die Staatsautorität, herstellen zu können glaubt. Der klassische Ausdruck der Phase ist DESCARTES, der von innen heraus, durch wissenschaftliche Demonstration, den Einklang von Dogma und Wissenschaft herzustellen unternimmt. Ein merkwürdiger Zug der Entwicklung ist, daß derselbe Hauptvertreter der Zeittendenz, nachdem sein Versuch von seiten der Kirche ablehnend behandelt worden, in seiner letzten Schrift, den Leidenschaften der Seele, sich stillschweigend einer der antiken Philosophie verwandten Güterlehre und Ethik zuwendet und daß er darin einen kühn und rücksichtslos aus dem Rahmen der christlichen Philosophie heraustretenden, weit über die schüchternen Ansätze der DESCARTESschen Schrift hinausgehenden Nachfolger an SPINOZA findet.

Die dritte Phase ist die Philosophie der Aufklärung. Die Aufklärung, nicht im vagen Sinne, sondern im spezifischen Sinne eines Standpunktes der christlichen Philosophie genommen, bedeutet die Reduzierung des Dogmas auf denjenigen Teil seines Inhalts, der vermeintlich durch das natürliche Erkennen nicht nur gerechtfertigt, sondern ohne Seitenblick auf die autoritative Bezeugung als Vernunftwahrheit selbständig bewiesen werden kann und zugleich die Möglichkeit der jenseitigen Glückseligkeit nach der Seite ihrer objektiven Bedingungen gewährleistet. Sie beschränkt das Dogma auf diejenigen Bestandteile, die schon von THOMAS von AQUIN als  praeambula fidei  und natürliche Theologie ausgesondert waren und erklärt die Summe dieser Grundlehren für ein System der Natur- oder Vernunftreligion, das von Anbeginn der Welt und bei allen Völkern kraft seiner Vernunftapodiktizität ["die schlechthinnige Unausdenkbarkeit des Nichtseins" / Husserl - wp] Eigentum aller tiefer Denkenden gewesen sei und das zu seiner Betätigung keiner Offenbarung bedürfe, wie denn auch die angebliche Offenbarung als solche der kritischen Prüfung nicht standhalte.

Ihre reinste und deutlichste Ausprägung findet diese Phase in England, wo sie von empiristischen Voraussetzungen aus durch LOCKE angebahnt, durch den  Deismus  vollendet wird. In Frankreich kommt sie unter englischem Einfluß nur zu fragmentarishe Durchbildung, die einzige eigenartige Weiterbildung bietet ROUSSEAU. In Deutschland wird die Vernunftreligion von rationalen Voraussetzungen aus selbständig angebahnt durch LEIBNIZ und WOLFF und unter Mitwirkung englischer Einflüsse vollendet durch REIMARUS und die  Popularphilosophie. 

Die vierte Phase, die Phase des Moralismus, verläuft teilweise parallel, ja sie vermengt sich sogar in Übergangs- und Mischformen mit der der Aufklärung, ist aber nach Anfangs- und Endpunkt später als jene und gehört im allgemeinen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an, wie jene der ersten Hälfte. Der Moralismus läßt von den Realitätsbedingngen des christlichen Glückseligkeitsideals nur ein kleines Bruchstück übrig; er verselbständigt die Möglichkeit der Aufhebung des egoistischen Willens, die bei jenem nur Vorbedingung und Garantie der Gewißheit des Heils war, zum letzten und einzigen Interesse. Er verzichtet im Prinzip auf die jenseitige Glückseligkeit und macht zu seiner wesentlichen Angelegenheit die objektive Möglichkeit der Erfüllung des Sittengesetzes. Nicht wie die antike Ethik und im Grunde auch das Christentum leitet er die Lebensführung aus einem Glückseligkeitsideal ab; seine Grundfrage ist: Wie kann die Moral die Theologie überleben? Die Moralität erscheint als selbstverständliche Forderung, an sie als letzten stehen gebliebenen Rest aus dem Gesamtsystem der christlichen Glückseligkeitsforderung klammert sich das Interesse an. Eine charakteristische Tatsache ist, daß zwei Hauptvertreter des Moralismus, HUME und KANT, zugleich als die wirksamsten und vernichtenden Kritiker des Systems der Vernunftreligion dastehen.

Der Moralismus erscheint in zwei Formen, einer niederen gröberen, utilitarischen Form, nach der das Interesse an der Moralität nur auf dem am Bestand der gesellschaftlichen Ordnung beruth und einer feineren, tieferen und idealeren Form, nach der es ein unmittelbares Interesse des Individuums, die Moralität das entscheidende Bedürfnis des individuellen Bewußtseins, das höchste Gut ansich ist. Einige Hauptvertreter des Moralismus sind in England HUTCHESON und HUME, in Frankreich, wo nur die gröbere Form zur Entwicklung gelangt, HELVETIUS, in Deutschland FRIEDRICH der Große, KANT und, als höchstmögliche Vollendungsstufe, FICHTE.

Die fünfte Phase erhebt ein anderes letztes Fragment aus den Realitätsbedingungen des Heils, die Vernünftigkeit der Welteinrichtung, zum ausschließlichen und einzigen Gegenstand des Interesses. Die Welt als Realisation eines objektiven Vernunftprinzips ist das Thema der deutschen Spekulation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die am SCHELLINGschen Identitätssystem ihre unvollkommene Vorstufe, am HEGELschen Panlogismus ihre allseitig ausgebildete Vollendungsstufe hat.

Nach diesem fortschreitend negativen Verlauf der Entwicklung bleibt als Endstufe und letzte Phase nur noch die Deklaration und Konstatierung der vollständigen Nichtwirklichkeit sämtlicher Vorbedingungen für die objektive Möglichkeit des christlichen Glückseligkeitsideals und insbesondere auch der Verneinung der letzten Position der christlichen Philosophie, der Vernünftigkeit der Welt, übrig. Diese letzte Negation vollzieht in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in empiristisch-naturwissenschaftlicher Richtung der  deutsche Materialismus  durch die Erklärung, daß es nur Stoff und mechanisch wirkende Kräfte in der Welt gibt, in metaphysischer Richtung SCHOPENHAUER, durch die Erklärung, daß das Wesen der Dinge nicht ein sich entfaltende Weltvernunft, sondern ein schlechthin unvernünftiger Drang zum Dasein ist, den er mißbräuchlich Wille nennt. Daß der SCHOPENHAUERsche Panthelismus trotz des gleichzeitigen Auftretens in den ersten Dezennien des Jahrhunderts nicht eine gegensätzliche Parallelerscheinung des HEGELschen Panlogismus ist, sondern trotz der Chronolgoie eine nachfolgende Entwicklungsstufe, beweist schon die merkwürdige Tatsache des Wirksamerwerdens SCHOPENHAUERs erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Nicht die Bosheit der Philosophen hat ihn totgeschwiegen, wie er meinte, sondern er ist über ein Menschenalter zu früh für das allgemeine Verständnis aufgetreten.

An die metaphysische Form der Lehre von der Unvernünftigkeit der Welt schließt sich der Pessimismus im strengen und genauen Wortsinn an, der nach SCHOPENHAUERs ausdrücklicher Erklärung die Lehre ist, daß diese Welt, und zwar zunächst nicht wegen ihrer die menschliche Glückseligkeit ausschließenden Einrichtung, sondern rein ansich betrachtet, die schlechtestmögliche ist, insofern sie gerade eben noch existenzfähig ist und bei der geringsten Verschlechterung ihrer Einrichtung die Existenzfähigkeit verlieren würde. Der Pessimismus ist ansich noch kein timologischer, eine Aussage über die Glückseligkeitsmöglichkeit enthaltender Standpunkt; der timologische Skeptizismus, der bei SCHOPENHAUER als der verneinende Gegensatz gegen die gesamte dogmatische Entwicklung der Güterlehre, als umfassendere, weil auch den Gegensatz gegen die christliche Güterlehre miteinschließende Parallelerscheinung des Neuplatonismus hervortritt, erscheint bei ihm wesentlich als Konsequenz seiner Welterklärung, allerdings auch wieder so, daß das Weltelend eine empirische Bestätigung, eine Rechenprobe des unabhängig von ihr Bewiesenen bildet.

Der timologische Skeptizismus SCHOPENHAUERs ist ein radikaler, der schon für die elementare Stufe der Güterlehre die vollständige Verneinung eintreten läßt. Es gibt keine Güter, es sind keine positiven Werturteile möglich. Der Radikalismus dieser Verneinung zeigt sich insbesondere darin, daß nicht etwa bloß die objektive Möglichkeit der Lust, ihre Realisierbarkeit nach der Welteinrichtung, sondern ihre subjektive Möglichkeit nach der Einrichtung unserer Natur bestritten wird. Hier nun zeigt sich die Abhängigkeit dieser Verneinung von den metaphysischen Voraussetzungen als Konsequenz. Der Mensch ist seinem Grundwesen nach dasselbe, was die Welt ihrem Grundwesen nach ist, blinder, zielloser Drang; der "Wille" ist die Substanz der menschlichen Natur; der Mensch ist individualisierter Wille. Daraus folgt, daß Lust als überschießende Befriedigung niemals zustande kommen kann. Der nichtbefriedigte Wille ist Schmerz; der momentan in einer einzelnen Beziehung befriedigte nur momentane Aufhebung der, jedoch vorher durchgekosteten Unlust der Nichtbefriedigung. Die einzelne Willensbefriedigung bildet im günstigsten, aber fast nie eintretenden Falle der vollständigen Gewährung des Gewollten ein Äquivalent für die Unlust, das aber keine positiven Lustüberschuß, sondern nur Ausgleichung und Herstellung eines Nullpunktes des Gefühls ergibt, über den unser Fühlen nie hinauskommen kann. Außerdem ist aber auch der Wille seiner Natur nach so geartet, daß er die momentane Befriedigung bald als Unlust der Langeweile empfindet; als universelles, nie rastendes Begehren, dem die einzelnen Ziele nur zufällige sind, muß es sofort nach Erreichung eines Ziels sich auf ein neues richten; die momentane Befriedigung schlägt durch die Mittelstufe der Langeweile sofort in neues, unlustvolles Begehren um. So ist das Leben ein feuriger Kreislauf von der Unlust des Begehrens mit einzelnen kühleren Stellen, die durch die momentane Befriedigung gebildet werden; es ist ein Geschäft, das nicht nur keinen Gewinn abwirft, sondern wegen des beständigen Zurückbleibens der Gewährung hinter dem Begehrten nicht einmal die Kosten, nämlich eben die Unlust des Begehrens, zu decken imstande ist.

Nach dieser Verneinung der subjektiven Möglichkeit der Lust überhaupt kann auch das universelle Werturteil nur verneinend ausfallen; es gibt keine Glückseligkeit, weder im Sinne einer Summierung überschießender Lust, noch im SInne eines höchsten Gutes, das nur in der schlechthin unmöglichen finalen Willensbefriedigung bestehen könnte. Die Verneinung der Glückseligkeit ist nur die Konsequenz der radikalen Verneinung der Möglichkeit irgendeines einzelnen Guts und nur die Erlösung des Menschen von sich selbst, vom Willen als seinem eigensten Wesen durch Selbstverneinung bleibt als Ausweg übrig. In diesem Ideal der Selbstverneinung, ebenso wie in der Auffassung der Kunstanschauung und Moral als Vorstufen, zeigt SCHOPENHAUER die auffallendst Ähnlichkeit mit dem Neuplatonismus, nur daß hier das zu Verneinende nicht die bewußte Intelligenz, sondern der Wille ist, daher auch bei SCHOPENHAUER die Askese nicht letzte Vorstufe, sondern Endstufe ist.

Auch in dem von HARTMANNschen System bleibt die Welt als Selbstmanifestation eines blinden Willens prinzipiell unvernünftig, die Unvernunft wird nur dadurch gemildert, daß im metaphysischen Weltgrund zugleich ein Vernunftprinzip vorhanden ist, das der Welt gleich im Entstehen die teleologische Richtung auf dereinstige Wiederaufhebung als Resultat des Weltprozesses selbst erteilt. Im Hinblick auf dieses in ihr angelegte Entwicklungsziel ist die Welt die bestmögliche. An und für sich aber ist sie hinsichtlich der Tatsache ihres Bestehens und der Ursache ihrer Entstehung unvernünftig und daher auch zwar nicht die schlechteste überhaupt, aber doch schlecht in dem Sinn, daß ihr Nichtsein besser wäre als ihr Sein und diese Schlechtigkeit spiegelt sich auch im überwiegenden Unlustgefühl sowohl des Weltgrundes selbst als auch sämtlicher endlicher Wesen wider. Während SCHOPENHAUER den Pessimismus als die Lehre von der absoluten Schlechtigkeit der Welt ansich von seiten des Gefühls nur empirisch durch das Elend der endlichen Wesen begründen konnte, geht von HARTMANN, in der richtigen Erkenntnis, daß aller Wert und Unwert vom Dasein eines fühlenden Subjekts abhängig ist, einen Schritt weiter und behauptet ein universelles, die überwiegende Unlust der Welt fühlendes Weltsubjekt; der Weltgrund selbst ist ihm der Träger einer universellen Weltunlust, die den eigentlichen Beweisgrund für die Schlechtigkeit der Welt bildet. Die Unvernünftigkeit der Welt und das Elend der Menschen braucht sich gar nicht notwendig zu decken; es könnte eine ganz vernünftige Welt geben, in der es doch gerade dem Menschengeschlecht nicht besonders gut ginge und umgekehrt eine ganz unvernünftige, in der wir uns ganz wohl befänden. Der Mensch braucht gar nicht notwendig der Mittelpunkt der Welt zu sein. Eine eigentliche Schlechtigkeit der Welt als solcher, also ein eigentlicher vom timologischen Skeptizismus in Bezug auf das Menschenlos verschiedener Pessimismus kommt nur zustande, wenn es ein fühlendes Weltsubjekt gibt, in dessen Gefühl sich die ganze Verkehrtheit der Weltexistenz als Unlust reflektiert. Ein solches Gefühlssubjekt der Welt ist das von HARTMANNsche Absolute, in dem die überwiegende Negativität des Gefühls aufgrund des unbefriedigten Strebens genauso zustande kommt, wie nach SCHOPENHAUER beim menschlichen Individuum, nur mit dem merkwürdigen Unterschiede, daß die Unlust des Absoluten, der "Gottesschmerz", in der Sphäre des Unbewußten verbleibt. Diese unbewußte Unlust des Absoluten ist dann ja freilich ein hölzernes Eisen in des Wortes verwegenster Bedeutung, aber der Pessimismus im eigentlichen Sinne hat doch seine richtige Stütze erhalten.

Auch bei von HARTMANN entspringt aus der Lehre von der Unvernunft der Welt der timologische Skeptizismus.

Doch ist die Verneinung der Möglichkeit von Lustüberschüssen im einzelnen bei ihm keine so ausnahmslose, wie bei SCHOPENHAUER. Wenn die Willensbefriedigung so unmittelbar eintritt, daß keine Unlust der Nichtbefriedigung vorhergeht, ist ein Lustüberschuß möglich; daß dieser Fall der sofortigen Willensbefriedigung gerade bei der Gaumen- und Geschlechtslust, sowie bei den Genüssen aus Kunst und Wissenschaft eintreten sollte, wie von HARTMANN behauptet, ist ansich wenig einleuchtend und von HARTMANN ist dafür den Beweis schuldig geblieben. Jedenfalls gibt es nach seiner Lehre wenigstens einzelne positive Güter. Freilich müssen auch diese sich noch manche Abzüge an ihrer Lustwirkung gefallen lassen und für die große Masse der vermeintlichen Güter bleibt das SCHOPENHAUERsche Prinzip bestehen, daß der Nullpunkt der Ausgleichung der Unlust aus dem Begehren durch die Lust aus der Gewährung das äußerste Erreichbare ist und auch bei von HARTMANN läßt namentlich die unaufhörliche Aktualität des unbefriedigten Begehrens nicht einmal diesen Nullpunkt der Befriedigung zustande kommen.

Dazu kommt nun ferner, daß ein Teil der entstehenden Lust auf einer zweckvollen Täuschung des Menschen durch den vernünftigen Teil des Weltprinzips beruth. Dieses rechnet bei seinem Vorhaben, die Welt durch den Weltprozeß selbst wieder aufzuheben, gerade auf die Menschheit und deren schließliche Erkenntnis der wahren Sachlage, die sie zum wirksamen Entschluß der Weltaufhebung hinführen soll. Dieses Resultat kann aber als generelle Stimmung nur am Ende des geschichtlichen Prozesses eintreten. Damit nun die Menschen den Mut zur Fortführung dieses Prozesses nicht verlieren, läßt die Weltvernunft über unsere Vergangenheit durch eine Verfälschung des Erinnerungsbildes, über unsere Zukunft durch den Instinkt der Hoffnung und im allgemeinen über unsere Schicksalslage durch zahlreiche Jllusionen uns täuschen. Da aber diese Veranstaltung nicht den Zweck hat, wirkliche Glückseligkeit zu begründen, so hat sie zugleich wieder ihre Schranke an der fortschreitenden Intellignz erhalten, die die Täuschung immer wieder durchschaut. Dadurch erhalten also zahlreiche Titel des menschlichen Lustetats den Vermerk: künftig wegfallend und was uns der unersättliche Wille noch läßt, das nimmt uns in mütterlich pädagogischer Fürsorge die allweise Weltvernunft.  Indicit in Scyllam, qui vult vitare Charybdin  [Wer Charybdis vermeiden will, gerät an Scylla. - wp]

Das Resultat dieser, wie ersichtlich, durchaus von metaphysischen Voraussetzungen ausgehenden Beweisführung ist, daß es zwar im einzelnen eine beschränkte Möglichkeit positiver Lust, im ganzen aber keine Möglichkeit überwiegender Glückseligkeit gibt. Das universelle Werturteil bleibt auch bei von HARTMANN ein nach der Seite der subjektiven Möglichkeit verneinendes. Die positiven Lustmomente bilden einen so verschwindenden Posten im Kontobuch des Lebens gegenüber der überwältignden Masse der Unlustmomente, daß eine Gefühlsbilanz auch nur als Herstellung eines Ausgleichs zwischen den Aktiva und Passiva auch unter den günstigsten Schicksalsverhältnissen unmöglich ist. -

Die vorstehende Übersicht macht auch nicht annähernd den Anspruch, das timologische Interesse als die treibende Kraft im geschichtlichen Fortschreiten der Philosophie erwiesen zu haben. Dazu bedürfte es einer viel eingehenderen Darstellung. Auch die Orientierung über den Punkt, an dem die geschichtliche Entwicklung der Güterlehre angekommen ist, konnte sie, wenn einer eigentlichen geschichtlichen Darstellung nicht vorgegriffen werden sollte, nur andeutend geben, doch werden diese Andeutungen genügen, um zu beweisen, daß diese Entwicklung an einem Punkt angekommen ist, wo die kritische Behandlung der Frage eintreten muß.

Es ist nicht schwer zu zeigen, daß der timologische Skeptizismus SCHOPENHAUERs und von HARTMANNs mit seinen metaphysischen Voraussetzungen steht und fällt und daß letztere unhaltbar sind. Damit wären diese Standpunkte negativ widerlegt, aber noch nichts Neues, Positives an ihre Stelle gesetzt. Der timologische Skeptizismus, so unhaltbar er ist, stellt die Anfordernung, positive Werturteile nicht durch bloße Zurückziehung auf einen der dogmatischen Standpunkte zu fällen, die ebenso unhaltbar sind, sondern die Frage der Möglichkeit der Lust und Glückseligkeit voraussetzungslos zu untersuchen und nur von einem kritischen Verfahren gesicherte Ergebnisse zu erwarten.


5. Gang der Untersuchung und vorläufige Andeutung der Resultate.

Der Gang der Untersuchung wird durch zwei sich durchkreuzende Gesichtspunkte bestimmt. Der eine derselben ist die Unterscheidung des singulären und universellen Werturteils, der Frage nach der Möglichkeit von Gütern überhaupt und der Frage nach der Möglichkeit der Glückseligkeit als eines das gesamte Dasein umfassenden Zustandes der Befriedigung. Nach diesem Gesichtspunkt zerfällt die gesamte Güterlehre in zwei Hauptteile, die elementare als Vorstufe und die zusammenfassende oder die Glückseligkeitslehre. Der zweite Gesichtspunkt ist die Notwendigkeit, die Frage nach der inneren oder subjektiven Möglichkeit der nach der äußeren oder objektiven voranzuschicken. Letztere hat überhaupt nur Bedeutung, wenn erstere im bejahenden Sinne beantwortet werden kann; andernfalls kann ihre Beantwortung füglich unterbleiben. Der erste Gesichtspunkt ergibt die Hauptteile, der zweite bestimmt innerhalb jedes Hauptteils den Gang der Untersuchung.

Im ersten Hauptteil wird zunächst gegen SCHOPENHAUER nach dem Zeugnis der unbefangenen inneren Erfahrung festzustellen sein, ob die Lust ein unabhängig von einer vorhergehenden Unlust des Begehrens für sich bestehender selbständiger Zustand ist, dessen Wert oder Unwert für das Gefühlsleben nicht erst durch die Beziehung auf jene vorhergehende Unlust ausgemacht wird. Diese Frage wird nach dem Zeugnis der unmittelbaren Erfahrung zu bejahen sein.

Es wird ferner für diese Tatsache der Erfahrung eine ursächliche Erklärung zu suchen sein, indem dasjenige in der Einrichtung unserer Natur gesucht wird, auf dem die Entstehung von Lust und Unlust in Wirklichkeit beruth. Als diese allgemeine Möglichkeit beider Arten von Gefühlen wird sich der Begriff des Bedürfnisses ergeben. Das Bedürfnis ist die neutrale Möglichkeit von Lust und Unlust, das Gefühl im Stadium der Potenzialität, der ansich noch nicht zum Gefühl erhobene Indifferenzzustand der entgegengesetzten Gefühle, die Möglichkeit des Bewußtwerdens unserer Zustände in der Form des Gefühls. Weiter rückwärts beruth es wieder auf dem objektiven Erfordernis der Natur und bildet die Zwischenstufe zwischen diesem und dem Bewußtwerden des Maßes seiner Erfüllung oder Nichterfüllung in den beiden Arten der Gefühle.

Nachdem durch diese Untersuchung die innere Möglichkeit der Güter als äußerer Ursachen einer von vorherigem Begehren unabhängigen Lust wie der Übel als äußerer Ursachen eine ebenfalls nicht bloß im Begehren bestehenden Unlust festgestellt ist, wird es möglich sein, durch eine Analyse unserer Organisation zu einer systematischen Übersicht der Grundbedürfnisse zu gelangen, die zugleich eine Übersicht der nach der Einrichtung unserer Natur möglichen fundamentalen Güter und Übel ergeben wird.

Hier tritt sodann die Berücksichtigung der Welteinrichtung ergänzend hinzu, um zu zeigen, wie diese fundamentale subjektive Möglichkeit der Güter und Übel durch die Art und das Maß, wie die Welteinrichtung den Bedürfnissen unserer Natur entgegenkommt oder nicht entgegenkommt, sich zur objektiven Möglichkeit einer Mannigfaltigkeit von Gütern und Übeln gestaltet.

Dieser ganze elementare Teil der Untersuchung verzichtet grundsätzlich auf jede Größenvergleichung nicht nur zwischen Gütern und Übeln, sondern auch zwischen Gütern untereinander und Übeln untereinander, er ist lediglich deskriptiv und hat es, nachdem das Resultat gewonnen war, daß es selbständige Lust und also Güter gibt, ausschließlich mit der Gewinnung einer geordneten Übersicht über die nach dem Zusammenwirken der inneren und äußeren Gefühlsursachen möglichen Arten der Güter und Übel zu tun, ohne ihre quantitativen Unterschiede zu berücksichtigen.

Der zweite Hauptteil, die Glückseligkeitslehre, wird ebenfalls überall durch den Gegensatz der inneren und äußeren Möglichkeit bestimmt. Hier hat jedoch, da es verschiedene Weisen gibt, die Möglichkeit der Glückseligkeit vorzustellen und zu behaupten, der auf dieser Artverschiedenheit der Glückseligkeitsideale beruhende Unterschied in der Einteilng den Vortritt und der Gegensatz der inneren und äußeren Möglichkeit kommt erst an zweiter Stelle bei den einzelnen Arten, die Glückseligkeit zu suchen, in Betracht.

Die erste Art, die Glückseligkeit zu suchen, bezieht sich auf eine vollkommene Glückseligkeit durch vollständige Befriedigung aller unserer Bedürfnisse, also unter Ausschluß jeder Möglichkeit der Entstehung einer Unlust. Die Möglichkeit vollkommener Glückseligkeit wird auch von der christlichen Weltanschauung nicht für die erfahrungsmäßig gegebene Einrichtung der Welt und unserer Natur, sondern nur für einen Zustand beider behauptet, in dem wesentlich günstigere Bedingungen der Glückseligkeit geschaffen sind. Wir müssen also, wenn die Frage überhaupt untersucht werden soll, diese Voraussetzung akzeptieren und nur feststellen, in welchem Maß diese Veränderungen unserer Natur zugestanden werden können, ohne die Identität des Individuums und des individuellen Bewußtseins aufzuheben, ohne die jede Aussicht auf einen jenseitigen Glückseligkeitszustand für uns ohne Bedeutung wäre.

Nachdem diese Grenze gezogen, wird die innere Möglichkeit unter diesen Voraussetzungen untersucht und es wird sich ergeben, daß auch unter den zugestandenen günstigen Modifikationen der Welteinrichtung die innere Möglichkeit völlig ungetrübter Seligkeit nicht vorhanden ist. Beim Fehlen der inneren Möglichkeit der Seligkeit hat die Untersuchung der überdies mehr als prekären Frage der äußeren Möglichkeit kein Interesse mehr, doch ergibt sich hier wenigstens im Seligsein in der Hoffnung eine für das diesseitig Leben geltende Form der Glückseligkeit als zwar nicht ausschließliche und ungetrübte, aber doch die Unlust unzweifelhaft überwiegende Gesamtlust.

Mit diesem Ergebnis ist dann die Untersuchung überhaupt eingeschränkt auf den erfahrungsmäßig gegebenen Zustand unserer Natur. Es kann sich ferner nur noch um die Möglichkeit einer Glückseligkeit in der Form unzweifelhaften Überwiegens der Güter über die Übel handeln. Die Möglichkeit der Glückseligkeit in diesem Sinne kann nun zunächst in der Weise behauptet werden, daß der Besitz einer großen Vielheit von möglichst wertvollen Gütern als Ursache überwiegender Befriedigung behauptet wird.

Es ist der Standpunkt des populären Bewußtseins, der die Güter koordiniert und von möglichst universeller Beschaffung derselben die Glückseligkeit erwartet. Es wird sich nachweisen lassen, daß auch auf diesem Standpunkt sowohl die innere, wie die äußere Möglichkeit überwiegender Lust, wenngleich nur in bedingter Weise, vorhanden ist.

Dem Standpunkt der Koordination der Güter stehen gegenüber die der strengen Subordination aller Güter unter ein einheitliches höchstes Gut, die philosophischen Standpunkte des Strebens nach Glückseligkeit durch den Besitz eines Gutes von unbedingt überlegenem Wert. Auch hier wird sich ergeben, daß unter Bedingungen, unter denen die vornehmlichste die Überzeugung vom überlegenen Wert des betreffenden Gutes ist, überlegene Lust innerlich möglich und äußerlich realisierbar ist.

Diese philosophischen Standpunkt haben vor dem des populären Bewußtseins mit der systematischen Einheit des Werturteils und Strebens die höhere Sicherheit des Gefühls und die größere Energie und Festigkeit des Strebens als Wille voraus. Aus jeder Annahme eines höchsten Gutes kann eine Ethik als Theorie einer einheitlich geregelten Lebensführung entspringen. Wenn es daher möglich wäre, ein höchstes Gut nachzuweisen, das nicht nur der subjektiven Überzeugung als ein solches gälte, sondern mit wissenschaftlicher Gewißheit als wahres höchstes Gut erkannt werden könnte, so wäre, wenn für dasselbe nicht nur die innere Möglichkeit als absolut überlegene Lustursache, sondern auch die äußere als Realisierbarkeit bewiesen werden könnte, eine nicht mehr bedingte, sondern absolut gültige Möglichkeit der Glückseligkeit aufgezeigt.

Als diese wahre höchste Gut wird sich die berechtigte Selbstschätzung aufgrund wahren Eigenwertes, der der sittlichen Gesinnung zukommt, herausstellen.

Es gibt somit eine vierfache Möglichkeit der Glückseligkeit. Eine unter diesen ist die absolut gültige und hat zugleich die hohe Bedeutung, daß die aus dem wahren höchsten Gut abgeleitete Ethik als Theorie der Lebensführung inhaltlich und dem Resultat nach zusammenfällt mit der Ethik als Sittlichkeitslehre. Im wahren höchsten Gut ist zugleich die wahre Triebfeder des sittlichen Handelns gegeben.

In der vollständigen Auseinanderlegung und Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten und Fälle sowohl in der elementaren, wie in der zusammenfassenden Güterlehre endlich ist der methodisch Charakter des Verfahrens als Kritizismus des Werturteils sowohl dem Dogmatismus wie dem Skeptizismus gegenüber gewahrt.
LITERATUR - August Döring, Philosophische Güterlehre - Untersuchungen über die Möglichkeit und die wahre Triebfeder des sittlichen Handelns, Berlin 1888