J. St. Mill P. Hensel Bentham | ||||
Ethisches Wissen und ethisches Handeln
Zwei Fragen sind es, die sich bei der Ethik, wie bei jeder auf das Praktische, auf den Gebrauch des täglichen Lebens, sich beziehenden Wissenschaft, vor allen Dingen darbieten; sie scharf zu trennen wird nur selten versucht. "Was ist zu erklären?" ist die nächste Frage diesem wie jedem anderen Komplex von Erscheinungen gegenüber und mit der Beantwortung dieser Frage könnte sich der theoretische Trieb des Forschens füglich beruhigen. Unabweislich aber drängt sich sofort die zweite Frage auf, wie nun die gewonnenen theoretischen Resultate nutzbar gemacht werden können für das Handeln des täglichen Lebens, und ob ein solches Beziehen der theoretischen Resultate für das eigene Handeln rein und ohne Abzug ins Werk zu setzen ist. Während eine Reihe anderer Wissenschaften - namentlich in neuerer Zeit die Nationalökonomie - Gelegenheit genommen hat, sich eingehend mit dieser zweiten Frage zu beschäftigen, ist hierfür in der vorliegenden Literatur der Ethik kaum ein Anfang gemacht, und doch ist ihre Beantwortung in einem negativen oder positiven Sinn von einschneidenster Bedeutung auch für die theoretische Behandlung unseres Gebietes. Gehen wir auf die erste Frage ein, so bietet sie uns die Aufgabe, eine wissenschaftliche Theorie aufzustellen über die so komplexen Funktionen des Gewissens der Einzelnen wie über die Institutionen, in denen die sittlichen Grundanschauungen der Gesamtheit ihren Ausdruck gefunden haben; der Staat, das Recht, die Sitte werden sich der Betrachtung nicht entziehen dürfen. Auch darüber dürften sich wohl kaum Zweifel erheben, nach welcher Methode diese Nachforschung zu verfahren hat. Denn wenn auch jede Wissenschaft vom Aufnehmen des Bestehenden, von der Topographie des Gegebenen auszugehen hat, wenn auch ihre Anfänge stets in behutsamem und exaktem Klassifizieren des Vorliegenden sich bewegen müssen, beendet ist damit die Arbeit wissenschaftlichen Begreifens nicht. Das schön gegliederte System ist wertvoll zur Orientierung, als technisches Mittel der Übersichtlichkeit, aber befriedigt doch eigentlich mehr den Sinn für Ordnung und eine reinliche Einteilung als den Trieb nach Erkenntnis. Verstehen aber können wir das uns Umgebende, scheinbar Dauernde erst dann, wenn wir es als ein Gewordenes erkennen, wenn wir uns ein Bild des zeitlichen Ablaufs einer Mannigfaltigkeit von Formen machen können, an dessen Ende uns das Gewohnte nun als ein im höheren Sinn Bekanntes erscheint, wenn wir es als letztes Glied einer historischen Reihe vor uns sehen, wenn sich nach einer bestimmten Norm die Gegenwart ableiten läßt. Es würde unnütz sein, für diesen notwendigen Verlauf des wissenschaftlichen Prozesses Beispiele zu häufen, es genügt, an die großartige Tat unserer Zeit zu erinnern, wo durch den schöpferischen Gedanken DARWINs die beschreibenden Naturwissenschaften der Zoologie und Botanik eingetaucht wurden in den mächtigen Strom historischen Geschehens und es mag vergönnt sein, die Bestrebung, auch die ethischen Potenzen unter den Blickpunkt des Geschehens zu rücken, mit dem Namen Evolutionismus zu bezeichnen, freilich kein glücklich gebildetes Wort, doch dem noch beleidigenderen Ausdruck Historismus vorzuziehen und nicht dessen mißverständlicher Beschränkung auf die Geschichte der sogenannten Kulturvölker unterliegend. Jedoch wird auch bei der Wahl des Ausdrucks "Evolutionismus" eine notwendige Kautel [Vorbehalt - wp] am Platz sein. Wenn es auch ohne Zweifel für das wissenschaftliche Bedürfnis der Einfachheit der Erklärung mit Freude zu begrüßen wäre, wenn für die ganze Zeitreihe des Geschehens einheitliche Prinzipien angenommen werden könnten, so muß man sich doch nicht in dem Glauben gefallen, daß die heutigen Versuche, welche sich mit dem Namen des Evolutionismus schmücken, diese Arbeit schon beendet hätten; ja wir stehen vielleicht erst am Anfang dieser langandauernden Arbeit, die Anwendbarkeit DARWINscher Gedanken auf alle Zweige des Wissens zu erproben. So (um nur auf dieses Eine einzugehen) operieren die auf diesem Gebiet sich versuchenden Schriftsteller, wie namentlich HERBERT SPENCER, ganz unbefangen mit der Möglichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften in der Ethik, während doch diese Möglichkeit vielfach geleugnet wird, ja das Gegenteil sich immer mehr als das Wahrscheinlichere darstellt. So werden mit unzureichenden Analogieschlüssen Entstehungsgeschichten von Religion, von Sitte und Recht gegeben, die kaum einen Anspruch auf Widerlegung machen dürfen. DARWINs Theorie ist hervorgegangen aus der Betrachtung der Artbildung bei den Tieren, und bei aller prinzipiellen Anerkennung des nur graduellen Unterschiedes zwischen den Tieren und den Menschen wird es doch noch einer gründlichen Nachprüfung der Prinzipien bedürfen, um sie auf die ungleich komplexeren Erscheinungen, namentlich des sittlichen Lebens beim Menschen, anwenden zu können. Wenn ich daher von Evolutionismus im Folgenden spreche, so meine ich damit nur den Versuch, in wissenschaftlicher Form eine Geschichte der sittlichen Potenzen zu geben. Es gehören demnach in diese Klasse wissenschaftlichen Forschens die unvollkommenen Versuche der Sophisten im Altertum ebensogut wie das in sich geschlossene und der Vollendung sich näherende System HEGELs oder die neuesten, auf DARWINs Grundlage sich erhebenden Konstruktionen. Wenn nun die Methode des Evolutionismus als wissenschaftlich bezeichnet wurde, so folgt daraus, daß sie durchweg nur an den Verstand appellieren, nur seinen Bedürfnissen Rechnung tragen soll. Das Auftreten des erhabensten Phänomens in der sittlichen Welt, des sittlichen Heroen, soll sich durchaus nur als ein im Laufe der Ereignisse notwendig sich ergebendes Produkt darstellen; der grauenhafte Rückschritt, die Verwilderung, das Zurücksinken ganzer Nationen auf eine unvollkommene Stufe der Sittlichkeit soll sich als ebenso bedingt und gesetzmäßig begreifen lassen. Gegen die oft das Gemüt empörenden Gestaltungen, die Sitte und Recht bei den Völkern angenommen haben, darf die Entrüstung des Darstellenden sich nicht freien Lauf lassen, sie müssen sich als ebenso organisch entstanden darstellen, wie die giftigen Schlangen und schädlichen Miasmen [Kontaminationen - wp] in der Natur. Jede Aufzeichnung eines Reisenden über die Sitten des von ihm besuchten Volkes, jede philologische Untersuchung über eine Stelle des Corpus iuris trägt einen Baustein herzu, um den gewaltigen Bau der evolutionistischen Darstellung der Ethik zu fördern. Denn wenn auch die Untersuchung sich oft im Einzelnen bewegt, oft die Zustände längst ausgestorbener oder vertilgter Rassen zu ihrem Thema nimmt, ihre ideale Tendenz bleibt doch stets, alle diese Materialien zusammenzufassen zu einer Erklärung der heute uns umgebenden Gebilde; wie die Wissenschaft ausging von der Klassifizierung des Gegebenen, wie sie in immer weiter sich ergehenden Studien Analoges und Widersprechendes unter den gleichen Gesichtspunkten zu erfassen bemüht war, so kehrt sie in ihrer reifsten Form zum engsten Bezirk zurück und sucht die gewohnten Gestaltungen unter dem Gesichtspunkt der gefundenen Gesetze zu begreifen. Sehen wir nunmehr, in welche notwendigen Schranken dieses Verfahren den Forschenden einschließt. Ich kann zunächst gar nicht denken, solange ich am Individuellen, auf den einzelnen handelnden Menschen mich beschränke. Mag ich mir auch den Führer eines historischen Vorgangs, einer sittlichen Neuerung, einer gesetzgeberischen Veränderung zum Objekt meiner Betrachtung wählen, wenig verschlägt mir seine genaueste Kenntnis zur Erkenntnis des Vorgangs. Es kommt auf das Typische des früheren Zustandes an, auf die begriffliche Notwendigkeit seines Anderswerdens; ich muß vom Individuellen abstrahieren, um zur Erkenntnis des wissenschaftlich Wertvollen zu gelangen. Wenig würde mir eine Charakteristik CÄSARs frommen, wenn ich nicht einzusehen vermag, wie die Verhältnisse des römischen Volkes die Wirksamkeit eines gerade so gearteten Mannes möglich machten, wenig die Kenntnis des einzelnen Mannes LUTHER, fehlte mir die des Zustandes der Kirche und des Staates im ausgehenden Mittelalter. Und je höher ich meinen Standpunkt wähle, deste mehr verschwindet das Individuelle, desto ausschließlicher gelange ich dazu, mich in Abstraktionen bewegen zu müssen. In der Einzeluntersuchung mag auch dem einzelnen Mann ein größerer Spielraum gegönnt sein, seine genaueste Erforschung mag auch das Gesamtbild beeinflussen, aber bei einer umfassenderen Darstellung tritt mehr und mehr der Begriff, die Institution, das Volk hervor; wer an der Bildung dieser sittlichen Potenzen mitgearbeitet hat, war die glückliche Ausprägung eines neuen Gedankes, einer sittlichen Norm gewagt hat, muß hinter seinem Werk zurücktreten. Aber mit diesem Zurücktreten und Verschwinden des Individuums geht Hand in Hand auch ein Verschwinden minder wichtiger sonstiger Faktoren, Geistesströmungen, sittlicher Arbeit, Bestrebungen ein Ziel zu erreichen, das nicht realisierbar war oder das sie zu realisieren nicht mächtig genug waren. Alles Begreifen ist Vereinfachen, Reduzieren des zu Begreifenden auf seine einfachsten Bestandteile, gerade genug, daß sich der darauf folgende Zustand als Wirkung des vorhergehenden noch fassen läßt, daß die Kontinuität des zeitlichen Geschehens nicht unterbrochen erscheint. So müssen wir, um das geistige Leben vergangener Zeiten begreifen zu können, nur die größten, nur die sich mit Kraft durchsetzenden Strömungen betrachten; schon die Aufnahme der vielen kleinen Nebenkämpfe, die sich mit diesen größeren zum Teil durchsetzten und durchkreuzten und die doch wichtig genug waren, in der uns überkommenen Literatur eine Stätte zu finden, würde das berufliche Bild in hohem Maß verwirren. Liegt aber diese Gefahr schon vor bei der Betrachtung der sittlichen Entwicklung einer weit entlegenen Zeit, wo doch im Kampf ums Dasein, dem die Bestrebungen der Menschen sich unablässig unterziehen, die große Menge der tätig gewesenen Impulse sich bedeutend verringer hat, wo wir jetzt doch besser wissen als die damals Lebenden, was sie taten, was sie eigentlich wollten, so versagt uns diese Zuflucht bei der Betrachtung der uns umgebenden sittlichen Institutionen, dem Kampf um ihre Veränderung oder Beibehaltung, beim Durchkreuzen der Lehren und Meinungen, die heute auftreten. Je mehr sich die wissenschaftliche Betrachtung der Neuzeit nähert, desto mehr schwillt die Menge der durch die Ökonomie der Darstellung wie durch die Unkenntnis des Darstellers ausgeschlossenen Faktoren an. Aber diese Faktoren waren ebenso real wie die Vorgänge, auf welchen der Darsteller seine Theorie aufbaut, eine jede von Menschen vollzogene Handlung wirkt fort und je mehr die Kumulierung solcher außer acht gelassener Gesichtspunkte sich notwendig vollzieht, mit derselben Notwendigkeit werden dadurch die begrifflich reiner werdenden Resultate sachlich ungenauer. Damit aber ergibt sich ein Wachsen der Wahrscheinlichkeit, daß die ihm geheimen doch fortwirkenden, aus dem Blickpunkt der Theorie entfernten Tatsachen sich plötzlich unvorhergesehen als die in Wahrheit lebenskräftigen darstellen und durch ihr gewaltiges tatsächliches Geltendmachen die Theorie, die vorher nichts mit ihnen zu tun haben wollte, nun ihrerseits modifizieren und stürzen. Wie wenige Männer in Frankreich sahen die Revolution mit ihren gewaltigen sozialen und sittlichen Folgen voraus, wie wenige der vor der Revolution gültigen und akzeptierten Theorien über Sitte und Gesellschaft haben diese Epoche überstanden! Es beginnt alsdann die frühere Arbeit von neuem, andere Gesichtspunkte werden aufgestellt, andere Seiten der Überlieferung treten in den Vordergrund, eine neue Epoche in der Wissenschaft des Rechts, der Sittlichkeit, des Staates beginnt, in einem erneuten Versuch sucht man das nun veränderte Bild doch wieder als ein historisch Gewordenes zu verstehen und abzuleiten, gemäß dem sich immer gleichbleibenden Streben nach Erkenntnis, das die Menschen beseelt. Keine Zeit aber ist sicher vor derartigen plötzlichen Überraschungen, vor Revolutionen auf dem Gebiet der sittlichen Potenzen, noch viel weniger aber vor der Unsicherheit, ob die aus der Betrachtung des Früheren gewonnenen Gesichtspunkte dem Verlauf, den das sittliche Leben nimmt und nehmen wird, adäquat sind, ob nicht gerade das Wichtigste sich still und geräuschlos vollzieht, wie einst die Lehre Christi im großen römischen Weltreich. So haben wir in jeder Form des Evolutionismus - denn allen haften die erwähnten Vorzüge sowohl wie Schwächen an - ein vorzügliches Mittel, uns die Vergangenheit, die früher gewesenen Formen des Sittlichen, die zu seiner heutigen Gestaltung hinüberführen, begreiflich zu machen. Erst damit werden uns die uns umgebenden ethischen Potenzen verständlich und vertraut, wenn wir ihr Werden kennen. Wie der vergleichende Anatom durch Aufzeigen der Mittelglieder die menschliche Hand wie die Flosse des Fisches auf eine gemeinsame Grundform zurückführt und uns dadurch erst den komplizierten Organismus verständlich macht, so läßt der Evolutionist in der Ethik am Leitfaden einfacher begrifflicher Verhältnisse die ins Unendliche differenzierte Form, die das Sittliche heute angenommen hat, aus einfachen Grundbedingungen entstehen. Aber darüber hinaus darf sich seine Arbeit nicht erstrecken. Würde er uns prophetisch auch die weitere Entwicklung des Sittlichen veranschaulichen wollen, so würde ihm seine bis zur Gegenwart so exakt und erwünscht arbeitende Methode nicht mehr die erforderliche Stützegeben. Er konnte uns nicht die Vergangenheit in ihrer ganzen Wirklichkeit konstruieren, und wer das nicht kann, vermag auch nicht die Zukunft zu berechnen. Bis zum Jetzt, bis zum Augenblick werden wir unter seiner Leitung geführt; in die Zukunft vermag er nicht mehr mit wissenschaftlicher Exaktheit vorzugehen, schon die ersten Schritte sind ein Überschreiten der seiner Methode gezogenen Grenzen, eine Konstruktion der ethischen Entwicklung für alle Zukunft kann durch seine eigene Methode als sicherlich falsch bezeichnet werden. Haben wir soeben zugegeben, daß eine hypothetische Anwendung einer evolutionistischen Theorie auf die Zukunft - und wie vermögen wir uns anders als mit Hypothesen in dieses Gebiet zu wagen - nicht ausgeschlossen ist, daß die Wahrscheinlichkeit dafür ist, daß die Prinzipien, die uns bis zur Erkenntnis des Gegenwärtigen geführt haben, nicht sogleich beim ersten Schritt darüber hinaus haltlos zusammenbrechen werden unter der Wucht von übersehenen Tatsachen, die sich als bestimmend und geltend erweisen, so müssen wir doch für ein Gebiet des Handelns diese logische Möglichkeit beschränken, ja verneinen, sowie wir uns auf die tatsächlichen Verhältnisse besinnen. In der Darstellung des Verfahrens des Evolutionismus ist es gegeben, daß es nur höchst selten der Fall sein kann, daß sich ein von ihm aufgestelltes System allgemeiner Anerkennung zu erfreuen hätte. Meist und namentlich in Zeiten großer ethischer Umwälzungen, wo gerade eine feste Norm, ein sicherer Anhaltspunkt für das Handeln von größter Wichtigkeit wäre, kämpfen früher gedachte und ausgestaltete Begriffssysteme mit nue sich anmeldenden, werdenden um die Herrschaft. Die neuen Erscheinungen suchen dem alten System gegenüber, in dem sie keinen Raum fanden, umgestaltend oder sprengend zu ihrem Recht zu kommen, und wenn die Anhänger der einzelnen Systeme noch so sehr von der Berechtigung ihres Standpunktes überzeugt sein mögen und daraus die Prinzipien ihres Handelns entnehmen mögen, auf allgemeine Zustimmung vermögen sie bei ihrem Tun nicht zu rechnen, eine Zurückführung und Rechtfertigung ihres Handelns durch die Formeln des von ihnen vertretenen Systems verhallt ohne Verständnis sowohl bei den wissenschaftlich Ungebildeten, wie auch bei den Vertretern einer anders gefaßten Wahrheit. Es ist wahr, dieser Kampf der Meinungen wird stets durch Appell an den Verstand in allgemeingültiger Form ausgetragen; man kann die, welche die Wahrheit nicht kennen, mit ihr bekannt machen, die, welche nur eine unvollkommenere Stufe erreicht haben, durch den Beweis dieser Unvollkommenheit befreien, sie zu einer höheren Stufe emporsteigen lassen. Aber diese Arbeit ist vielleicht eine unendliche, jedenfalls eine langandauernde, und uns umgeben soziale Aufgaben ethischer Art, so dringlicher Natur, Aufgaben, die der Tag bringt und die vom Tag ihre Beantwortung und Lösung fordern, daß die Zeit, die man brauchen würde, sich ihnen auf der Basis evolutionistischer Prinzipien, die allgemeine Anerkennung gefunden hätten, zu nahen, die Lösung dieser täglich an die ethische Gesellschaft herantretenden Probleme vereiteln würde. Es bedarf für diese Arbeit, um ethische Massenwirkungen möglich zu machen, eines Prinzips, welches unmittelbar an die Massen appelliert, eines einheitlichen Prinzips von mehr Konsistenz und Realität, als es die wissenschaftlich formal gehaltenen Ergebnisse des Evolutionismus zu geben vermögen. Wie PLATO sich gezwungen sah, anstatt der wissenschaftlich streng gefundenen Resultate seiner Republik in den Gesetzen einen Kompromisse mit der nun einmal vorhandenen Realität zu schließen, so muß bei allem Überzeugtsein vom wissenschaftlichen Wert des Evolutionismus für die Praxis an seine Stelle eine andere Disziplin treten, damit überhaupt eine verstandesmäßige wissenschaftliche Behandlung von ethischen Massenaufgaben möglich wird. Um zu untersuchen, welche Disziplin dies sein wird, brauchen wir uns nicht von der Praxis zu entfernen. Überall wo sich Menschen zusammentun, um eine gemeinschaftliche Basis für ein Handeln zu finden, das alle Mitglieder eines größeren oder kleineren Kreises betreffen soll, wo ethische Massenwirkungen konzertiert werden sollen, wird, soweit die Diskussion darüber sachlich gehalten ist, nach einer bestimmten Methode vorgegangen. Man stellt den erstrebten Zustand als erreicht vor, man sucht zu erkennen, inwieweit er von dem, den augenblicklich die Gesellschaft einnimmt, abweicht, wieviele Individuen bei dieser Veränderung an Behagen und Gütern verloren, wie viele gewonnen haben und wenn die gewonnene Einsicht zeigt, daß die Anzahl geschädigter Individuen eine sehr kleine, ja eine verschwindende ist gegenüber denjenigen, die aus der Änderung der Verhältnisse einen Vorteil gezogen haben, so entscheidet man sich für die Einführung der Maßregeln, die geeignet sind einen solchen Zuwachs des Behagens, der materiellen Veränderung zum Besten herbeizuführen; im anderen Fall, wenn das antizipierte Resultat eine entgegengesetzte, zu Mißbehagen führende Tendenz hat, oder wenn die Chancen der Verbesserung sehr zweifelhaft sind, so beläßt man es beim früheren Zustand, dessen gute Seiten man kennt, lieber, als daß man leichtsinnigerweise einen anderen zweifelhaften an eine Stelle zu setzen unternimmt. Dies ist der Weg, den wir gewohnt sind bei der Beratung namentlich gesetzlicher Neuerungen im Parlament nehmen zu sehen, derselbe Weg aber wird überall eingeschlagen, wo sich Menschen versammeln zur Beratung einer Änderung des augenblicklichen Zustandes. Jedem aber mit der ethischen Literatur Vertrauten muß auffallen, wie nahe die Hauptgesichtspunkte und ihre Wertigkeit übereinkommen mit der von JEREMY BENTHAM aufgestellten Tafel der Gesichtspunkte für die Berechung von Lust und Unlust (1). Bei allen Unternehmungen ethischer Art, die einen gemeinsamen Nutzen oder die Abwehr gemensamen Schadens bezwecken, wird, wie die Praxis zeigt, Gebrauch von der BENTHAMschen Gestaltung des Utilitarismus gemacht. Aber nun erhebt sich die Frage, ob die Praxis auch ein theoretisches Recht dazu aufzuweisen vermag. Es wäre ganz wohl möglich, daß die Praxis hier ebenso verfährt, wie die Astronomen früherer Zeit, die auf der Grundlage des ptolemäischen Systems Sonnen- und Mondfinsternisse mit großer Genauigkeit für die Praxis voraussagten, und doch diese Voraussetzungen auf ein wissenschaftlich unbegründetes System basieren. So müssen wir der Frage näher treten, ob in der Tat der Utilitarismus eine geeignete wissenschaftliche Basis darbietet, um ihn als zureichenden Verstandesgrund praktischer Reformen ansehen zu können, und diese Frage in einem bejahenden Sinn zu lösen, müssen erst eine Reihe von Schwierigkeiten überwunden werden, zu deren Betrachtung wir uns jetzt wenden wollen. Fürs erste erscheint seine Grundvoraussetzung vielen Zweifeln unterworfen zu sein. Der Schritt, womit BENTHAM den antiken Vorläufer des heutigen Utilitarismus, den Egoismus, überwindet, ist die Behauptung, daß das wohlverstandene Interesse des Individuums mit dem der Gesamtheit koinzidiert; ein jedes Opfer, das das Individuum der Gesamtheit oder sich selber bringt, ist nur provisorisch, es entsteht in letzter Instanz stets daraus für das entsagende Individuum ein definitiver Überschuß an Lust. So dient BENTHAM "die Eigenliebe als Beweis des allgemeinen Wohlwollens" und niemand kann ohne Interesse den feinsinnigen Ausführungen des Philosophen folgen, mit denen er nachzuweisen bestrebt ist, daß in der Tat für den Egoisten die beste Erfüllung seiner WÜnsche durch die Arbeit an der Summe des Gesamtwohls garantiert ist. Was man auch vom Gefühlsstandpunkt aus gegen die Begründung einer Moral auf diese Weise sagen kann, sie ist auf wissenschaftlich strikte Weise erfolgt. Aber gibt diese wissenschaftliche Deduktion wirklich für alle Fälle ein hinreichendes Kriterium des Handelns? Angenommen, ich sehe die Gelegenheit vor mir, unbemerkterweise, so begünstigt durch eine glückliche Kombination von Umständen, daß auch eine spätere Entdeckung ausgeschlossen ist, ein Verbrechen zu begehen, würde ich nicht da das vielberufene Wort BENTHAMs, "das verabscheuungswürdigste Vergnügen, das der gemeinsten Übeltäter von seiner Handlung gehabt hat, würde nicht zurückzuweisen sein, wenn es allein bliebe", auf mich anzuwenden und das Verbrechen zu begehen das Recht haben? "Aber", fährt BENTHAM fort, "es bleibt nie allein, ihm folgt notwendig eine solche Unlust oder was dasselbe ist, eine solche Chance einer gewissen Summe von Unlust, daß damit verglichen das Vergnügen gleich Null wird." Dem ist entgegenzuhalten, daß aus der übergroßen Chance auf Entdeckung eine Abmahnung vor verbrecherischen Handlungen zu ziehen sicher eine ebenso berechtigte Klugheitsregel ist, wie die, uns zu warnen, bei Gewitter nicht unter einen freistehenden Baum zu flüchten und gewiß für die Mehrzahl der Fälle und die Mehrheit der Menschen recht beherzigenswert ist, es ist jedenfalls gut, sie im Auge zu behalten. Bin ich aber klug genug, alle in Betracht kommenden Chancen zu überblicken und sehe ich dabei ein, daß mit derselben Notwendigkeit, mit der sonst die Entdeckung dem Verbrechen folgt, diesmal die Straflosigkeit nicht ausbleiben kann, so sehe ich mich in der glücklichen Lage des Lotteriespielers, der, obgleich seine Chance eine verschwindend kleine war, nun dennoch das große Los gezogen hat, ich werde mich nicht scheuen, das Verbrechen zu begehen und werde - da eben die Entdeckung in meinem Fall ausgeschlossen ist - auch nichts von der Unlust oder der Chance von Unlust, von welcher BENTHAM spricht, zu leiden haben. Kommt aber die Theorie schon bei ihrer ersten Aufgabe, mich vor dem Eingreifen in fremde Rechte zu bewahren, in seltenen Fällen in Verlegenheit, so häufen sich die Schwierigkeiten, ja werden vielleicht zur Regel, wenn nun die Gemeinschaft zu allgemeiner Förderung vom Individuum verlangt, auf irgendein der Gesellschaft hinderliches Recht zu verzichten. Denn nur unter ganz günstigen Bedingungen kann hierbei das Individuum hoffen, auf einem anderen Weg so reichlich entschädigt zu werden, daß sein Verlust gedeckt erscheint. Kommt die geringste Unordnung in den ruhig fortschreitenden Gang der Entwicklung der Gesellschaft, so kann das Individuum nicht mehr auf die mannigfachen Vorteile rechnen, die ihm der geordnete Zustand der Gemeinschaft früher darbrachte. Weit davon entfernt für seine Verluste entschädigt zu werden, werden den Verzichtenden einbrechende Störungen wehrloser vorfinden; das zum Besten der Gesellschaftung dahingegebene Gut wird nicht mehr fruchtbar für ihn und kann es sich also diesen Überlegungen gegenüber wohl die Frage erheben, ob überhaupt ein Verzicht auf irgendein Recht nach derselben Theorie der Chancen, die vorher als Stütze des Utilitarismus erschienen war, sich empfehlen ließe. So, um ein öfter angewendetes Beispiel seiner Klarheit wegen hier nochmals zu verwerten, ist es ganz richtig, daß im Großen betrachtet die Einführung der Kunst des Buchdrucks eine utilitaristische Maßregel ersten Ranges war. Statt der früheren geringen Anzahl von Abschreibern finden Tausende einen sichereren und lohnenderen Erwerb, ganz abgesehen von den geistigen Gütern. Wäre aber selbst diese Entwicklung klar vorauszusehen gewesen, so wäre es doch eine schwierige Aufgabe gewesen, die nun einmal vorhandenen Abschreiber zu überzeugen, warum sie des Besten der Gesamtheit wegen auf ihren Erwerb zu verzichten haben, noch schwieriger aber, ihnen nachzuweisen, daß auch sie bei diesem Umschwung der Verhältnisse im Ganzen besser fahren würden, da ja sicher oft das Gegenteil eingetreten ist. Es erscheint also die Theorie der absoluten Koinzidenz des Vorteils der Gemeinschaft mit dem des Individuums als ein Ideal, dem zwar die Gesellschaft sich in geordneten Verhältnissen stetig annähert, das aber in der Realität der Vorgänge oft Ausnahmen erfährt und auf dessen Realisierung in einzelnen Fall selten mit Sicherheit gezählt werden kann. Dies sind einige der Einwendungen, die sich gegen die Erfüllung des Egoismus durch und im Dienst der Gesamtheit vorbringen lassen; geht man aber dieser Theorie weiter auf den Grund, so findet man, daß sie auf einer Voraussetzung beruth, die sich auch durchaus nicht einwandfrei darstellt. Es wäre nämlich dieses Ressortieren des Einzelnen in seinem Wohlbefinden aus der Gesamtheit nur dann gut denkbar, wenn die gleichen Lust- und Unlustempfindungen überall herrschen würden, wenn ich von vornherein bei einer jeden den andern in Mitleidenschaft ziehenden Handlung wissen könnte, ob und wie große Lust oder Unlust demselben daraus erwachsen wird. BENTHAM mag recht haben mit der Behauptung, daß jedes Lebewesen von diesen Gefühlen bewegt wird; hat er auch recht mit der weiteren Konsequenz, die seine Lehre notwendig macht, daß auf einen bestimmten Reiz nur eine bestimmte Reaktion von Lust und Unlust möglich ist? Das wird wohl nicht behauptet werden können. Lassen wir ganz unberücksichtigt, daß die verschiedenen Lebensalter den Dingen ganz verschiedenen Wert beimessen, denn es kommt ja nur auf das erwachsene moralische Individuum an, das auch die Bedürfnisse der anderen richtig abschätzen können wird, aber selbst eine Festsetzung der Skala der Güter ihrem Wert nach durch Majoritätsbeschluß, zu welchem Auskunftsmittel der Utilitarismus sich in letzter Instanz gedrängt sieht, würde keine endgültige Hilfe bringen. Denn gerade der feingebildete Mensch hat eine ganz andere Güterskala als die große Menge; er empfindet Ekel vor Dingen, die ziemlich hoch in der Schätzung der Menge stehen; er wird mit Wonne erfüllt von Gegenständen, an denen der gewöhnliche Mensch, der sich in der Majorität befindet, achtlos vorübergeht. Er würde dieser güterausteilenden Gesellschaft gegenüber stets gezwungen sein, auf Wertvollstes verzichten zu müssen, um dafür Wertloses zu erhalten. Und wenn wir ihn eher wegen dieser abweichenden Gefühlsskala über die Mehrzahl der Menschen setzen werden, so werden wir nicht wohl um das Dilemma herumkommen; ist dies die bessere Skala, die menschenwürdigere, wie kann man sie gleichwohl der Menge aufdrängen, ohne sie unglücklich zu machen, ist sie nicht die allgemein berechtigte, wie können wir von einem hochstehenden Individuum verlangen, daß es der Uniformität halber auf seine ihn auszeichnende Schätzung der Güter verzichtet? Es scheint somit, daß wir WINDELBAND nicht unrecht geben können, wenn er aus dem Benthamismus die Folgerung zieht, jeder solle zunächst und vor allem für sich sorgen, denn sein eigenes Wohl sei ihm am besten bekannt und er habe die besten Chancen dafür, es ganz nach Wunsch zu gestalten. Man darf aber nicht außer acht lassen, daß alle diese Einwürfe nichts anderes tun als Ausnahmefälle zu konstatieren, in denen das Individuum in seinem Interesse, in seinen Neigungen und psychischer Konstruktion von der Gesamtheit abweicht und vielleicht würde der Utilitarier nicht unrecht haben, wenn er dem so veranlagten Individuum für den Fall einer derartigen Kasuistik der Interessen rät, sich ausnahmsweise seines Interesses zu entäußern um der anderen großen und wichtigen Vorteile willen, die er dafür täglich durch die Gesellschaft genießt. Er tut indessen besser, sich auf diese Linie der Beweisführung, die allerdings in letzter Zeit häufiger eingenommen wird, nicht allzusehr zu begeben, denn es ist offenbar, daß, wenn einmal dieser Weg eingeschlagen ist, man fast alle dem Individuum zugefügte Unbill, die sich nur des Todes und äußerster körperlichen Mißhandlung enthält, verteidigen können wird und daß auf diese Weise der utilitaristische Kalkül die Handhabe zur Unterdrückung gerade des Rechts, welche seine Anhänger durch ihn zu stützen unternahmen, der persönlichen Freiheit, bilden würde. Aber der Utilitarismus hat es kaum nötig, sich auf eine Diskussion derartiger Ausnahmefälle einzulassen; er kann sehr wohl zugeben, daß es einzelne seltene Fälle geben kann, in denen seine Prinzipien nicht gut und klar exemplifiziert werden können und dafür mit berechtigtem Stolz auf die unablässige wohltätigste Arbeit hinweisen, die sich ganz allein nach und unter seinen Prinzipien vollzieht. Könnte der Mensch stets allein sein Glück maximieren, so würde er keine Ethik wie den Utilitarismus nötig haben, es genügten vollkommen die egoistischen Theorien des Altertums, ja in ihren feinsten Ausgestaltungen würden selbst diese sich schon als über seine Bedürfnisse hinausgehend erweisen. So aber sind wir täglich und stündlich in der Lage, anderen Menschen Dienste zu erweisen und deren von ihnen annehmen zu müssen. Fast keine einzige meiner Handlungen betrifft nur mich allein, von einer jeden gehen direkt oder indirekt Wirkungen aus, die in die Interessensphäre meiner Mitmenschen eingreifen und alle diese Wirkungen sind wir gewohnt nach dem sie ergebenden Verhältnis der hervorgebrachten Lust und Unlust zu einander zu beurteilen, und wenn wir dies versuchen, werden wir bemerken, daß die vorhin angedeuteten Übelstände, so wichtig sie für das Individuum sind, so sehr sie dasselbe im Ausnahmefall einmal schädigen und beeinträchtigen können, im Hinblick auf die Gesamtheit verschwinden. Der Utilitarier, der sich durch solche Rücksichten daran verhindern läßt, an der allgemeinen Anwendbarkeit seiner Prinzipien zu verzweifeln, würde mit dem Statistiker zu vergleichen sein, den ein irgendwo vorgekommener Fall von starkem Überwiegen weiblicher vor männlichen Geburten an der Richtigkeit des einmal feststehenden Grundverhältnisses irre machen wollte. Mag es also immerhin richtig sein, daß die individuellen Abschätzungen über das Wertverhältnis zwischen den verschiedenen Arten der Lustempfindungen nicht übereinstimmen; eine große und allgemeine Übereinstimmung wird sich stets erzielen lassen. Es werden sich immer extreme Pessimisten finden, die behaupten oder zu behaupten vorgeben, daß das Sein überhaupt ein Übel und möglichst bald abzustreifen, zu verneinen ist und gewiß würde die allgemeine Anerkennung dieses Standpunktes die Anwendung utilitaristischer Gesichtspunkte sehr erschweren, ja unmöglich machen, aber man kann füglich wegen der Paradoxie dieser Lehre und der offenbaren Unaufrichtigkeit ihrer Bekenner über sie zur Tagesordnung übergehen und sich an den allgemeinen Standpunkt der Menschheit halten, die, ob mit Recht oder mit Unrecht sei dahingestellt, das Leben für ein hohes Gut ansehen. Es hat ja ferner stets Vereinzelte gegeben, die in der äußersten Bedürfnislosigkeit und Selbstqual, in der Versagung aller körperlichen Genüsse ihr summum bonum suchten und zu finden behaupteten; auch auf diese Sonderlinge wird der Utilitarier als Überbleibsel einer früheren Auffassung des Menschen und seiner Bestimmung herabsehen können und - bei aller Anerkennung ihrer persönlichen Opferfähigkeit - ihren Standpunkt für den richtigen nicht anerkennen, sondern sich bestreben, sein und seiner Mitmenschen materielles Wohl nach Kräften durch gemeinsame wie individuelle Maßregeln zu erhalten und zu fördern und sich bei diesen Bestrebungen im Einklang mit der überwiegenden Mehrzahl seiner Mitmenschen wissen. Es ist interessant zu beobachten, daß einer konkreten vorgeschlagenen Maßregel für ethische Massenwirkung gegenüber jene pessimistischen Utilitarier (denn das sind sie ja trotz alledem) es überhaupt nicht übernehmen, ihren Standpunkt zu verteidigen und so z. B. einen Gesetzentwurf deshalb abzulehnen, weil er die Tendenz hat, das Leben sicherer und behaglicher zu machen; ein Eingeständnis dieses Standpunkts wird im praktischen Leben mit Fug und Recht als das Eingeständnis des Besiegtseins betrachtet. Aus dem Gesagten läßt sich allerdings zugleich auch die Grenze des utilitaristischen Verfahrens abnehmen. Allmächtig für die große Anzahl von sozial-ethischen Einrichtungen, über deren Wert und Bedeutung eine fast allgemeine Übereinstimmung herrscht, wird diese Macht immer geringer werden, je höher wir in der Skala der Güterlehre steigen, denn umso mehr werden die Ansichten geteilt sein über den Wert der abzuschätzenden Güter, über die Erwünschtheit der zu erreichenden Resultate. Nur solange aber kann der utilitaristische Kalkül mit ganzer und alsdann unwiderstehlicher Macht arbeiten, als die Zahl der überstimmten Individuen eine verhältnismäßig kleine, ihre Stellung in der sozialen Skala eine so untergeornete ist, daß ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen sich an die Öffentlichkeit nicht zu wagen vermag. Denn das wird allerdings dem Utilitarismus zuzugeben sein, daß die Gesamtheit in der Lage sein muß, auch wider den Willen weniger ihrer Mitglieder ihr Bestes durchzusetzen. Was wir vorhin vom Standpunkt des Individuums aus als unmöglich bezeichneten, daß es ihm dargetan würde, seine Opfer würden stets auch zu seinem Besten beitragen, vom Standpunkt der Gesellschaft aus gesehen verschwindet dieser Einwurf aus der Betrachtung. Eine Gesellschaft, die sich auf den Weg begibt, sittliche nutzbringende Einrichtungen durchzusetzen, an deren Segnungen Tausende partizipieren, kann es nicht dulden, daß einzelne Individuen, die dadurch verlieren würden, sich dem Gesamtwillen dauernd entgegensetzen. Was sich auf der Stufe des Individuums vollzieht, das auf kleinere Lustquanten verzichtet, um größere realisieren zu können, derselbe Prozeß wiederholt sich innerhalb des größeren Organismus, den wir Staat oder Gesellschaft nennen. Zweifelsohne kommt auch hier das einzelne Individuum ebenso in Betracht, wie auf der unteren Stufe die einzelne Lustempfindung und es ergibt sich daraus die Forderung, daß ebenso wie jede Lustempfindung ansich wünschenswert ist, so auch, wenn kein größeres Lustquantum dadurch erreicht werden soll, jedes Individuum im Genuß seiner Güter zu schützen ist. Aber ebenso kann die Gesellschaft auch fordern, daß die Berechtigung des Ganzen gegenüber dem Einzelnen über alle Diskussion heraus erkannt wird, und daß sie das Recht hat, dem Besten entgegenwirkende Individuen ebenso zu unterdrücken, wie dieses die ihm schädlichen Lustempfindungen zu unterdrücken lernen muß. Daher ist der eigentliche Wirkungskreis für die utilitaristische Moral die Gesetzgebung, wie dies BENTHAM auch schon im Titel seines Hauptwerks "Principles of Moral and Legislation" anerkennt. Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang die utilitaristische Natur der gesetzgeberischen Arbeit aufzuzeigen; auch müßte sich die Argumentation im Ganzen doch nur auf eine Wiederholung des von BENTHAM und neuerdings von JHERING so trefflich Ausgeführten beschränken; nur auf einzelne bei den Genannten nicht mit der wünschenswerten Klarheit hervortretenden Gesichtspunkte sei es vergönnt hier einzugehen. Es ist nämlich häufig von der utilitaristischen Rechtstheorie auf den engen Zusammenhang hingewiesen worden, der zwischen Recht und Sitte historisch und begrifflich stattfindet. Nun läßt sich aber nachweisen, daß die Sitte häufig ganz andere Motive hat als solche, die auf utilitaristischer Wertschätzung beruhen, und es könnte nun erscheinen, als ob sich das daraus ergebende Recht auch nicht vom utilitaristischen Standpunkt aus betrachten läßt. Hier ist es nun zunächst ganz richtig, daß Sitte und Recht im genauesten Zusammenhang stehen. Ja es ist sogar dieser Zusammenhang ein nach verschiedenen Richtungen hervortretender. Wo irgendeine Sitte entsteht, hat sie überall die Tendenz, sich zum Recht durchzusetzen und es ist interessant zu beobachten, wie dies bis in die kleinsten unbedeutendsten Details des täglichen Lebens hinein sich bewahrheitet. Sitte ist also einerseits werdendes Recht. Aber auch neben dem festgelegten kodifizierten Recht geht die Sitte her und verleiht ihm recht eigentlich seine Gültigkeit. Ein Recht, das nicht jederzeit durch die begleitenden Anschauungen der Sitte gestützt und gesichert wird, verliert seinen Halt und seine Sanktion in den Gemütern der Menschen, auf die es zu wirken bestimmt ist; es wird ohne nachhaltigen Schaden für den Übeltäter übertreten, ja der Gesamtwille sanktioniert die Übertretungen, die nicht mehr gegen die Sitte verstoßen, und räumt zuletzt, um nicht das Recht überhaupt in Verachtung zu bringen, mit den nicht mehr der Sitte entsprechenden Teilen desselben auf. Sitte ist also zweitens Sanktion des Rechts. Aber sehr häufig kann man auch eine dritte Beziehung der Sitte zum Recht beobachten. Es bleibt häufig von veraltetem abgeschafften Recht ein Residuum in gewissen Kreisen des Volkes zurück, die früher von der Ausübung dieses Rechts einen Vorteil hatten, oder für welche gewisse Bestimmungen des Rechts einen spezifischen Unterschied zur Masse der übrigen Menschheit bildeten. Diese Kreise suchen alsdann die Abschaffung des Rechts zu paralysieren, indem sie die früher rechtlichen Bestimmungen, die jetzt allgemein nicht mehr anerkannt sind, als Sitte zu konservieren suchen. Alsdann wird die Sitte rückgebildetes Recht. Sieht man nun diese drei Kategorien der Sitte vom utilitaristischen Standpunkt aus an, so ergibt sich, daß die zur ersten Klasse gehörigen sittlichen Bestimmungen zum größten Teil utilitaristisch gerechtfertigt werden können, denn in den meisten Fällen weiß ein Volk recht wohl die ihm am meisten Wohlbehagen bringenden Linien der Lebensführung zu unterscheiden und sie mit der Sanktion seiner Billigung zu versehen. Da nun in den meisten Fällen sich nur diejenigen sittlichen Bestimmungen zum Recht durchsetzen, deren Nützlichkeit als ganz hervorragend erkannt ist, so ist die zweite Klasse in noch viel höherem Grad des utilitaristischen Charakters teilhaftig, dem im Großen und Ganzen werden die rechtlichen Bestimmungen stets den erreichbaren größten Betrag des allgemeinen Wohls zu realisieren bestrebt sein. Ganz anders verhält es sich aber mit der dritten Klasse; hier ist nur der Ausnahmefall, daß ein gutes bestehendes Recht abgeschafft ist, imstande, der zurückbleibenden Sitte einen utilitaristischen Charakter zu geben; in den meisten Fällen wird diese Sitte, gerade wenn sie sich am machtvollsten betätigen kann, anti-utilitaristische Wirkungen der schlimmsten Art hervorbringen und ihre allmähliche Beseitigung wird unter die utilitaristischen Maßnahmen und Aufgaben der Zeit zu zählen sein. Kann somit der Utilitarier sich zu einem allgemein anerkennenden Urteil über die Sitte ebensowenig bewogen fühlen, wie zu einer oppositionellen Stellung ihr gegenüber; wird es seine Aufgabe sein müssen, jede einzelne Sitte genau und im Detail zu prüfen, bevor er ihr einen utilitaristischen Wert in seiner Skala anweist, so ist es ein ganz anderes von dem Augenblick an, wo die Sitte sich zum festgestellten, objektiv gültigen Recht entwickelt. Denn ganz abgesehen vom Inhalt des Gesetzes, bildet sein Entstehen aus der Sitte ein utilitaristisches Moment von höchster Wichtigkeit. Die Verdikte, die eine Sitte über die sich gegen sie Verfehlenden verhängt, beruhen selten auf gründlicher Untersuchung des vorliegenden Falls. Wenig bekümmert um die Darlegung des genauen Sachverhalts versteht sie es nicht, die Strafen, die sie austeilt, nach Gebühr abzustufen, und so wird gerade da, wo die Sitte am kräftigsten waltet, neben dem vielen Guten, das ihre Sanktion hervorbringt, auch eine große Menge von Übeln bewirkt werden, die bei sorgfältigerer Präzisierung ihrer Gebote, bei genauerer Untersuchung der vorkommenden Verstöße leicht zu vermeiden gewesen wären. Diesen Übeln abzuhelfen, wird nun die Umbildung zum Recht vorgenommen. Es wird genau festgestellt, welche Delikte man treffen will, es wird genau das Maß an Strafe präzisiert, welches die Übertreter des Rechts treffen soll, man wird sich klar über das Minimum von Übereinstimmung mit den Geboten des Gesamtwillens, das die Gesellschaft, um überhaupt bestehen zu können, von einem Individuum zu verlangen sich berechtigt fühlt. Das Resultat ist, daß diesen Handlungen gegenüber eine viel schärfere Trennung möglich ist, daß nur auf diejenigen, die auf wissenschaftlichem Weg von ihrem Unrecht überführt werden konnten, die gesetzliche Sanktion angewendet wird, daß ein großer Teil der Ungerechtigkeiten, welche bei der Ausübung der Sanktion der Sitte unvermeidlich waren, weil bei dieser ein jedermann Ankläger, Richter und Vollstrecker des Urteils in einer Person ist, nunmehr fortfallen. So ist selbst die Einführung eines utilitarisch verwerflichen Gesetzes eine der Form nach utilitarische Maßregel und dies ist die Grenze, wo die evolutionistische Betrachtung, die bei der Darstellung der Sitte die allein berechtigte ist, übergehen kann in die utilitarische. Es ist selbstverständlich, daß diese Scheidung keine absolut genaue ist. Namentlich wird sich der Evolutionismus immer auch eine Darstellung des Werdens des Rechts reservieren müssen: was hier zu zeigen war, ist die eigentümliche Bedeutung der Rechtsbildung als eine utilitarischen Moments. Diese utilitarische Tendenz des Rechts, wie sie sich mit jedem "Fortschritt" desselben deutlich verfolgen läßt, ist seine Ausnahmslosigkeit; wenn es in früheren Zeiten Reservat- und Privatrechte, auf einen kleineren Kreis bestimmte Bestimmungen gab, so verschwinden diese immer mehr und mehr vor ausnahmslos gültigen Normen. Und hierin spricht sich am klarsten die nivellierende Tendenz des Utilitarismus aus. Soweit die Freiheit des Individuums gehen kann, ohne den Interessen der Gesamtheit zu nahe zu treten, so weit soll auch ein jeder ohne Furcht gehen dürfen - und in dieser Forderung liegt die oft oppositionelle Haltung des Rechts gegen die Sitte - über diese Grenze hinaus soll niemand - auch nicht der von der Sitte Unantastbare - sich wagen. Es wird nicht auf die Geltung der Person, es wird auf den Charakter der Handlung gesehen und der einzelne Fall eingetragen unter die Summe der begrifflich gleichen Fälle. So richtet sich das Recht und die dasselbe gestaltende utilitaristische Auffassung der Dinge auf die Betrachtung des Normalfalles, den sie genau definiert, und auf die Konstruktion des Normalmenschen. Beides sind keine ideell angeschaute Vorbilder, sondern durch Betrachtung des tatsächlichen Materials aus einer großen Menge von Vorkommnissen und Menschen abstrahierte mittlere Werte, wobei der Normalmensch der utilitarischen Moral in der Summe der Fälle am wenigsten Aussicht hat, sich in vom Gesetz verbotenen Handlungen betreffen zu lassen. Diese Rücksicht auf das "Gesetz der großen Zahlen" ist ganz charakteristisch für die Methode des Utilitarismus. Ausgehend vom Individuum, an seine Lust- und Unlustempfindungen appellierend, zeigt es sich zuletzt, daß ihm das Individuum als solches nur wenig sein kann, daß nur in der Betrachtung der großen statistischen Zahlenreihen, die die individuellen Willensakte allgemeinen Gesichtspunkten unterordnen, und in der Einwirkung auf die Gestaltungen dieser Zahlenreihen durch Massenmaßregeln seine wahre Bedeutung ruht. Sein kategorischer Imperativ an das Individuum besteht in dem Hinweis auf Annäherung an das Durchschnittsmaß und läßt sich in die Worte zusammenfassen: "Werde normal." Unter diesem Gesichtspunkt verschwinden auch einzelne Einwendungen, die man häufig gegen den Utilitarismus vorbringen hört. Es wird oft gegen die etwas mühsamen Ableitungen, die die Utilitarier den sogenannten höheren ethischen Gefühlen widmen, eingewendet, daß ihre Ableitung aus Lust- oder Unlustgefühlen eine unvollständige ist, daß ihr Wert weit über den der Lustgefühle hinausgeht und sich nie rein aus diesen folgern läßt. Allerdings haben die Utilitarier selbst zu diesen Angriffen keinen kleinen Anlaß gegeben. Auch hier haben sie, auf das Gebiet der evolutionistischen Erklärung übergreifend, namentlich die modernen Assoziationstheorien der englischen Psychologie in ihrem Interesse zu verwerten gesucht. Die Anfänge zu dieser fehlerhaften Methode lassen sich allerdings schon bei BENTHAM nachweisen, aber lange nicht in dem Maße, wie einzelne seiner Nachfolger, namentlich aber der große Verderber des Utilitarismus JOHN STUART MILL, diese Anfänge ausgebildet haben; was bei BENTHAM gelegentliche Jllustration war, wird bei den Folgenden zum Schlußstein der Theorie. Es sind nämlich mit dieser evolutionistischen Betrachtungsart auch alle Konsequenzen derselben in das System des Utilitarismus eingeführt worden, das heißt, der Utilitarismus hat damit seiner Aufgabe, praktisch zu handeln, entsagt. Denn es läßt sich auch von den fehlerhaftesten und lächerlichsten EIgenschaften der Menschen und ihrem Treiben stets nachweisen, daß sie einmal mit edlen und förderungswürdigen assoziiert waren oder es gar noch sind. Dem Menschenfresser ist der Drang, bei kulthaften Anlässen Menschen zu verzehren, ebenso mit Gefühlen der Ehrfurcht und Gottesverehrung assoziiert, wie uns das Gefühl der Menschenliebe. Der Utilitarier, der sich dieser Krücke bedient hat, sieht sich also genötigt, den Inhalt jedes Triebes, welcher Art er auch immer ist, wie schädlich er auch immer sein mag, zu sanktionieren und verzichtet damit auf die Möglichkeit, ihn durch einfaches Anwenden seines Kalküls zu beseitigen. Er hat die Stellung des lediglich erklärenden, nicht beurteilenden Evolutionisten eingenommen und es ist billig, daß er die Konsequenzen trägt. Anstelle des tapferen BENTHAMschen Geistes tritt ein Quietismus, der sich fürchtet, irgendein Unkraut auszurotten, weil es sich mit den Wurzeln des zu erhaltenden Getreides "assoziiert" haben kann. Anstelle des in die Zukunft blickenden Reformators ist ein in die Vergangenheit sehender Historiker getreten. Ja, es wird sogar durch Anwendung der Assoziationstheore die Gültigkeit und Verbindlichkeit desjenigen Gefühls untergraben, ohne welches der Utilitarismus gar nicht operieren kann: das der Sympathie. Wird nämlich nachgewiesen, daß die Sympathie ihren Ursprung in unentwickelten Verhältnissen des Menschengeschlechts hat, wo das Leid eines Mitglieds der Horde zugleich das aller übrigen zur Folge hatte, wenn also die Sympathie gewissermaßen als Auswuchs des Egoismus gefaßt wird, so ist schwer abzusehen, warum, nachdem sich die Verhältnisse so glücklich gestaltet haben, daß das Individuum durchaus nicht mehr von allen Störungen, die seine Mitmenschen betreffen, mit berührt wird, diese früher einmal zweckmäßige Assoziation beibehalten werden soll. Es kann alsdann für das Individuum vielleicht als utilitarisches Gebot aufgestellt werden, sich dieser Verbildung des Egoismus baldmöglichst zu entziehen, und zum reinen Egoismus sans phrase [ohne Umschweife - wp] zurückzukehren. Eine Konsequenz, die den Boden des heutigen Utilitarismus vollständig untergraben würde. Der Utilitarismus braucht sich auf dieses ganze kontroverse Gebiet gar nicht einzulassen und aus mißverstandener Liebe zur Vollständigkeit seiner Theorie den gesicherten Boden, auf dem er steht, aufzugeben. Mögen die Menschen bewegenden Gefühle entstanden sein, wie sie wollen und wann sie wollen: es genügt, daß sie nunmehr da sind, mit einem bestimmten Grad von Lust oder Unlust unser Handeln sollizitieren [anregen - wp] und als tatsächlich vorhandene Springfedern des Handelns anzusehen sind. Die meisterhafte Darstellung, die SPINOZA in seiner Ethik den Affekten gegeben hat, ohne sich auf deren historische Genesis einzulassen, genügt vollkommen für die Zwecke des Utilitarismus, jeder Schritt, den die utilitarische Darstellung darüber hinaus zur historischen Ableitung getan hat, ist von Übel gewesen. Und wenn man gegen SPINOZA einwenden kann, daß die Ableitung der höchsten, wertvollsten Gefühle aus Lust- und Unlustempfindungen eine allzu künstliche ist, der Beweis dafür kaum erbracht ist, daß sich in diese höchst komplizierten Vorgänge nicht noch Elemente anderer Art mischen, die sich auf der von ihm eingenommenen Grundlage nicht ohne Rest ableiten lassen, so braucht der Utilitarier sich auf eine Kontroverse hierüber kaum einzulassen. Jene anderen Bestandteile sind - ihre Existenz einmal zugegeben - für ihn Imponderabilien [Unwägbarkeiten - wp], die außerhalb seines Kalküls liegen, denselben irgendwie nennenswert nicht zu beeinflussen vermögen. Was ihm am Herzen lag, war, die generelle Bedeutung der Lust- und Unlustempfindungen für die ganze Skala der Gefühle Affekte und Leidenschaften nachzuweisen und auf dieser Grundlage eine Klassifizierung derselben möglich zu machen. Dieser Beweis ist erbracht worden, die aufgrund derselben gefundene Wertigkeit entspricht den Anforderungen, die unsere unmittelbare Selbstbeobachtung gefordert hat, zu mehrerem braucht sich der Utilitarier nicht für verpflichtet zu halten. Für eine große Peripherie unserer Handlungen, für alle diejenigen, wo es auf eine Verständlichmachung für andere, auf Kooperation ankommt, ist das utilitarische Prinzip als das geeignete nachgewiesen; hat es sich gezeigt, daß wirklich Lustempfindungen das Erstrebte, Unlustempfindungen das Vermiedene sind, für etwa darüber hinaus liegende Postulate und Zwecke hatte der Utilitarismus sich nicht dienstbar erklärt, er kann sie füglich als für ihn nicht vorhanden ansehen, und ist berechtigt, wo sie sich etwa zeigen sollten, sie lediglich nach ihrer Beziehung auf sein Prinzip zu beurteilen. Nun scheint sich aus dieser Ablehnung des evolutionistischen Unterbaus für die Methode des Utilitarismus eine Schwierigkeit zu ergeben. Es wurde früher behauptet, daß die genetische Betrachtungsweise die einzig wissenschaftlich ist für die Erkenntnis der sittlichen Potenzen und es möchte daraus zu folgern sein, daß der Utilitarismus nur soviel von einem wissenschaftlichen Charakter haben kann, als er teil an dieser Betrachtung hat und sich darauf stützen kann; daß also eine prinzipielle Trennung beider Gebiete den Utilitarismus seines wissenschaftlichen Charakters entkleiden kann. Es läßt sich diesem Einwurf durch eine einfache erkenntnistheoretische Erwägung begegnen, indem man sich auf den durch den ganzen Bereich unseres Wissens sich ziehenden Gegensatz zwischen erklärenden und normativen (beurteilenden) Wissenschaften besinnt. Der Evolutionismus gehört in die erstere Kategorie. Er zeigt uns das Entstehen und Vergehen der sittlichen Gebilde, aber er kann streng genommen keine Beurteilungsnorm angeben, nach welcher das eine Gebilde besser, wertvoller ist als das andere. Er hat zu konstatieren, weshalb das eine Gebilde absterben, weshalb dann auch dieses bestehende andere an seine Stelle treten mußte, er hat zum Prinzip das Gesetz der Kausalität, nach welchem jedes Geschehen ein gleich notwendiges ist. Geht er darüber hinaus und will beurteilend wirken, so verliert er den festen Boden, auf dem er sich bis dahin bewegt. Nehmen wir als Beispiel den darwinistischen Evolutionismus. Solange er lediglich daran festhält, daß das Passende überlebt und sich durchsetzt, bleibt er innerhalb seines Prinzips und hat daran eine Erklärungsform für die Abfolge der Erscheinungen, obwohl einzelne Phänomene, die unter dem Namen des "Rückschritts in der Natur" zusammengefaßt sind, wohl einer Behandlung wie der HERBERT SPENCERs ernstere Schwierigkeiten entgegen setzen möchten. Geht er aber nun dazu über, das Passende als das Bessere in einem moralischen Sinn des Wortes zu bezeichnen, den physischen Fortschritt mit den Prädikaten des moralischen Werturteils zu bezeichnen, so kommt er zu einer Anbetung des Erfolges, wie sie schlimmer gar nicht gedacht werden kann, sanktioniert im moralischen Leben jedes glücklich gelungene Bubenstück und wird schlimmer als die schlimmste Sophistik. Gar nicht davon zu reden, daß die negativen Instanzen gegen diese Identifikation einem jeden denkenden Menschen die Annahme dieser Ungeheuerlichkeit schon logisch unmöglich machen. Die innerhalb der Schranken ihres Verfahrens sich genügende evolutionistische Betrachtungsweise vermag über haupt kein Werturteil zu fällen. Ihr Bereich ist die Untersuchung der Wahrheit, sie hat zu sehen, ob die gegebene Ableitung das vorliegende Phänomen wirklich begreiflich macht und erklärt; nur im logischen Sinn des Wortes kann die eine Theorie besser oder schlechter, das heißt wahrer oder falscher sind als die andere; in einem ethischen Sinn danach zu fragen liegt gänzlich außerhalb ihres Interesses. Ganz anders ist das Vorgehen des Utilitariers. Er will vor allem gerade das, was der Evolutionist von sich abzulehnen hat, ein Prinzip zur Beurteilung der Handlungen haben. Aus der ganzen unendlichen Anzahl möglicher Gesichtspunkte, die uns als Kategorien der Beurteilung offen stehen, wählt er die des Wertes, und ohne zunächst auf die Gesinnung einzugehen, der die Handlungen entspringen, billigt er diejenigen unter ihnen, die eine Tendenz haben, das vorhandene Quantum an Lust zu vergrößern, mißbilligt das Gegenteil. Es ist auffallend zu beobachten, daß konsequente Utilitarier als Prädikate der Billigung und Mißbilligung "recht" und "unrecht" verwenden, wir werden später sehen, daß die Terminologie dem tatsächlichen Verhältnis genau entspricht. Einmal die Synthese von Eigenwohl und Gesamtwohl vollzogen, deren Berechtigung und Grenze bereits angegeben ist, hat der universelle Utilitarismus in seiner Formel: "Handle so, daß dein Handeln jederzeit die Summe des vorhandenen Glücks möglichst groß macht", ein Prinzip für die Beurteilung einer jeden Handlung, das er als letztes, keinem andern untergeordnetes ansetzen kann, insofern das größte Glück der größten Anzahl vom Standpunkt dieser Beurteilung aus als letztes höchstes Ziel erscheint. Ich sagte, vom Standpunkt des Utilitarismus aus gilt dieser Imperativ allgemein und notwendig. Das ist auch der Fall, aber es muß auf eine in ihm liegende Modifikation hingewiesen werden, die seine Anwendung in der Praxis einzuschränken sehr geeignet ist. Während nämlich bei den übrigen normativen Wissenschaften die Anwendung der Normen eine sehr einfache Sache ist, während ich das Kriterium des Schönen auf einen Gegenstand ohne weiteres anwenden und ihn danach beurteilen kann, ebenso wie das Kriterium der Wahrheit bei einer vorliegenden Untersuchung, ist die Arbeit des Utilitariers keine so einfache. Eine Handlung, die unter Umständen von der wohltätigsten Wirkung sein kann, kann unter anderen Umständen die gerade entgegengesetzten Resultate hervorbringen und muß alsdann auch nach dem entgegengesetzten Sinn beurteilt werden. Der Allesvermittler MILL und einige andere weniger scharf denkende Utilitarier haben der Aufgabe, die dadurch an den Utilitarier herantritt, in jedem einzelnen Fall, wo er beurteilen oder handeln will, die vorliegenden Verhältnisse genau zu prüfen, dadurch zu entgehen gemeint, daß sie auf die Denkart des Handelnden zurückgingen und auf die Wahrscheinlichkeit spekulierten, daß aus einer guten Denkweise in Summa doch mehr utilitarische als nicht utilitarische Handlungen hervorgehen würden. Man weiß wirklich nicht, was bei einer solchen Vermittlung der Utilitarismus überhaupt noch zu tun hat. Er kann seinen Standpunkt nicht mehr aufrechterhalten, sein Prinzip ist vollkommen durchbrochen. Er muß Handlungen billigen, nicht weil er sie ansich billigen könnte, sondern weil er möglicherweise andere Handlungen desselben Individuums in späterer Zeit billigen möchte, er kommt zu der Absurdität, einen Menschen, der, stets von den besten Absichten beseelt, den größten Schaden anrichtet, fortwährend loben zu müssen, indem er auf utilitarische Wirkungen dieses guten Willens rechnet, welche nie eintreten. Es ist dieser Versuch, die Vorteile der intuitiven mit denen der utilitarischen Methode zu vereinigen, recht ein Beispiel dafür, wie man über dem Bestreben, sich alles zu sichern, auch das Sichere verliert. Auch auf diesen Punkt wird später noch eingegangen werden, hier war nur der Versuch zu dieser Ausflucht, die ein Aufgeben des utilitarischen Standpunktes bedeutet, abzuschneiden. Darin liegt eben die Stärke des utilitarischen Verfahrens, daß es sich mit der Beurteilung einzelner genau definierbarer Tatsachen beschäftigt. Ob der Wille eines Menschen, seine Absicht, die ihn zu dieser oder jener Handlung geführt hat, gut oder böse war, ist eine sehr schwer zu entscheidende Frage und eine, die dem Utilitarier gänzlich fern liegt. Ob die nun vorliegende Handlung von nützlichen oder schädlichen Folgen begleitet ist und welche Folgen innerhalb mir bekannter Verältnisse eine ganz bestimmte Änderung haben wird, das ist der Spielraum des utilitarischen Kalküls und dasselbe zu berechnen sind unsere Methoden vollkommen kompetent. Nicht als ob diese Berechnung stets eine absolut richtige sein würde. Es können selbstverständlich bei unserer doch nur approximativen Kenntnis der Verhältnisse durch irgendeine Veränderung Komplikationen eintreten, die nicht vorhergesehen werden konnten. Es ist in dieser Beziehung die Methode des Utilitarismus der der Statistik nahe verwandt. Diese wäre unmöglich sowohl wenn wir das Gebiet der Willenshandlungen ganz erkannt hätten, denn alsdann würde anstellt einer statistischen Wahrscheinlichkeit eine naturgesetzliche Notwendigkeit treten, als auch, wenn das Gebiet des menschlichen Handelns einer zahlenmäßigen Bestimmung absolut unzugänglich wäre, denn alsdann könnten selbst die approximativen Aufstellungen der Statistik nicht Platz finden. So würde auch der Utilitarismus, wenn dieselbe Handlung stets unter anderen Umständen einen gänzlich veränderten Lustwert haben würde, unmöglich sein, da alsdann eine Vorherberechnung nach diesem Gesichtspunkt untunlich wäre. Ebenso würde er aber seinen Charakter verlieren, wenn unter allen Umständen dieselbe Handlung stets denselben utilitarischen Wert haben würde. Denn alsdann brauchte er sich mit dem Studium der augenblicklich vorliegenden Verhältnisse gar nicht mehr zu befassen, er würde feste Regeln für den utilitarischen Wert einer jeden möglichen Handlungsweise aufstellen und dieselbe ohne Besinnen auf den vorliegenden Fall anwenden. Anstelle der jetzt notwendigen eifrigen Beschäftigung mit den reichhaltigen Formen des wirklichen Lebens würde ein abstrakter Dogmatismus treten, den BENTHAM sich bemüht hat, von der Moralwissenschaft zu entfernen. Der Utilitarismus ist nur möglich, wenn er im Großen und Ganzen feststehende Schätzungen über Lust- und Unlustfolgen der einzelnen Handlungen stets in der Lage ist, an den Tatsachen zu erproben, und nötigenfalls bereit ist, diese Aufstellungen infolge einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zu regulieren und umzuändern. Dadurch ist sein wissenschaftlicher Charakter und seine beständige Weiterbildung gleichermaßen gesichert. Ein gutes Analogon für unsere Auffassung des Verhältnisses zwischen evolutionistischer und utilitarischer Ethik bietet die von MENGER vertretene Einteilung der Nationalökonomie in einen theoretischen und einen historischen Teil. Gleichwie die genaueste Kenntnis der einzelnen wirklich vorgekommenen wirtschaftlichen Gestaltungen gar nichts über die weitere Entwicklung aussagen kann, ohne die prinzipielle Wissenschaft der Logik des Egoismus (wie er sich in der theoretischen Nationalökonomie darstellt) zu Hilfe zu nehmen, so muß auch die Logik der Lustempfindungen (wie sie die Theorie des Utilitarismus gibt) eingreifen, um ein gemeinschaftliches Handeln zu ermöglichen, das aufgrund selbst der genauesten Kenntnis der einzelnen historischen Vorgänge unmöglich wäre. Die beiden Teile des Utilitarismus ihrerseits verhalten sich dann zueinander, wie die beiden Teile der Logik. Die im ganzen feststehenden Grundaufstellungen entsprechen der formalen Logik; ihre stets wechselnden Anwendungen auf die vorliegenden Aufgaben, der Methodenlehre mit ihren beständig nach den Forderungen der einzelnen Wissenschaften sich umgestaltenden Formulierungen. Es ist wohl zu bemerken, wie je nach der überwiegenden Betonung eines der beiden Momente sich die Stellung der utilitarischen Ethiker zu den Problemen des Tages ändert. Wird mehr die normative Seite ins Auge gefaßt, so erscheinen die bestehenden Verhältnisse als so unbedingt minderwertig und verwerflich, daß sich ihre Umänderung in einem rücksichtslosen Sinn als Hauptaufgabe darstellt. Zu diesen reformatorischen Geistern würde vor allem BENTHAM zu zählen sein. Ganz anders stellt sich aber die Aufgabe des Utilitariers, sobald er die bestehenden Verhältnisse genau berücksichtigt, zu deren Verbesserung er sich nach den Prinzipien berufen fühlt. Er erkennt alsdann, daß eine jede Veränderung im sozialen Organismus zunächst für viele Teilhaber desselben schädigende Folgen haben muß, es wird ihm immer zweifelhafter werden, ob denn wirklich die erwünschten Neuerungen so viel Gutes stiften werden, daß diese unausbleiblichen Übel gedeckt werden können, und er wird in den meisten Fällen die gewünschte Reform erst sehr langsam und vorsichtig vorbereiten, bevor er an ihre Durchführung denkt. Ein Repräsentant dieser Klasse, die wohl jetzt die Majorität zu haben scheint, ist SIDGWICK. Mit der Geltenmachung dieser Richtung hängt es zusammen, daß der Utilitarismus die Tendenz genommen hat, die Errungenschaften wie den allgemeinen Gang der heutigen Zivilisationi als im Ganzen von utilitarischer Wertigkeit anzuerkennen und somit alle Neuerungen, die auf der von dieser beschrittenen Bahn fortführen, zu sanktionieren. Es ist dies aus dem angeführten Grund nur zu billigen. Andererseits verliert der Utilitarismus die Berechtigung, wirklich große reformatorische Ideen in ihrer Bedeutung anzuerkennen. Der vorsichtige Utilitarier wird sich einem Versuch gegenüber, der Gesellschaft ganz neue unerprobte Bahnen anzuweisen, jedenfalls ablehnend verhalten müssen; denn ein jeder derartiger Versuch zerstört zweifellos viel Glück, und es ist problematisch, ob er neues zu schaffen vermag. Wenn man die Diskussion über irgendeine große soziale Frage, wie z. B. die der Abschaffung der Sklaverei in Amerika, sich etwas näher betrachtet, so findet man, daß die Verteidiger der Sklaverei meistens mit sehr vernünftigen utilitarischen Gründen beweisen, die Angreifer überwiegend mit biblischen und allgemein menschlichen aus der Würde der Menschen hergenommenen Apostrophen überreden. Utilitarisch hätten sich die Greuel des Sezessionskrieges, die Verarmung der Pflanzer, das teilweise völlige Verkommen der Schwarzafrikaner nie rechtfertigen lasse; eine andere Generation mußte heranwachsen, um sich in die veränderten Verhältnisse hineinfinden zu können, und nun kann man nachträglich beweisen, daß dieser ganze furchtbare Kampf auch utilitarisch gerechtfertigt und geboten war. Und dies ist kein vereinzelter Fall, sondern nur deshalb typisch, weil scheinbar eine Massenhandlung, wie die Aufhebung der Sklaverei, sich am leichtesten utilitarisch rechtfertigen läßt. Aber auch sonst immer, wo große Ideen miteinander in den Kampf treten, an den Wendepunkten der Geschichte, wo unter tausendfältigen Qualen eine neue Zeit zur Welt kommt, muß der Utilitarismus verstummen. Sein Gebiet ist eben die wissenschaftlich ruhige Betrachtung und Konstruktion, und für diese ist im Kampf der Leidenschaften kein Raum. Rekapitulieren wir nochmals die bis jetzt dargestellte Theorie und Bedeutung des Utilitarismus. Wir fanden, daß sein eigentliches Gebiet es war, ethische Massenwirkungen zu konzertieren. Zu diesem Zweck bemüht er sich, eine Logik der Lust- und Unlustempfindungen, gipfelnd in einer allgemeinen Güterlehre, aufzustellen. Die Berechtigung zu diesem Verfahren ergab sich aus einem Vergleich mit der theoretischen Nationalökonomie, vor deren Resultaten der Utilitarismus noch die weitere Geltung voraus hat, daß er sich nicht wie jener bloß auf einen ideal konstruierten rein egostischen Menschen beshränkt, sondern die aus altruistischer Quelle fließenden Vergnügen ebenfalls in den Spielraum seines Kalküls zieht. Als seine eigentliche Sphäre stellt sich der in geordneten Verhältnissen fortschreitende Rechtsstaat dar und in das Gebiet des Utilitarismus gehört die gesamte Gesetzgebung, die sich als ein System utilitarischer Einrichtungen kennzeichnen ließ, durch welche dem Individualwillen sein Minimum an Gehorsam gegen den Gesamtwillen kund getan wird. Der Utilitarismus verwendet zur Beurteilung der Handlungen die Kategorie des Werts, als eines verstandesmäßig zu behandelnden Begriffs, als Prädikabilien stehen ihm die "Urteile über "recht" und "unrecht" zu Gebote. Seine Stellung zum Evolutionismus ist die einer normativen gegenüber einer genetischen Wissenschaft. Wir gehen nunmehr zum letzten Teil unserer Untersuchung über, zur Erörterung der Frage nämlich, ob eine der bis jetzt behandelten beiden wissenschaftlichen Theorien, des Evolutionismus und des Utilitarismus, dazu geeignet ist, mir ein zureichendes Prinzip für mein eigenes sittliches Handeln zu geben. Mit anderen Worten: kann mich irgendein bestimmtes wissenschaftliches System im Hinblick auf meine Handlungen bestimmen, so daß ich die ihm konformen Handlungen gut, die davon abweichenden böse nenne. Auf den ersten Blick könnte das fast so erscheinen; fast jeder ethische Lehrer will mit und durch die Theorie, die er aufstellt, auch sein und seiner Anhänger Tun regeln, bestimmen, bessern. Aber besteht diese Annahme auch zu Recht, liegt in den Theorien selbst etwas das Gewissen des Einzelnen Bestimmendes als integrierender Bestandteil des Systems oder sind vielleicht derartige Wirkungen, wenn sie eintreten, etwas was über das von der Theorie zu Fordernde hinausliegt, ihr ansich fremd ist? Betrachten wir zunächst den Evolutionismus. Es ist ganz richtig, daß jedes große evolutionistische System sehr mächtig nicht nur auf den Verstand, sondern auch auf das Gemüt des sich mit ihm Beschäftigenden wirkt. Um ganz von dem meiner Ansicht nach ethisch am tiefsten wirksamen System FICHTEs abzusehen, weil es fehlerhaft sein würde, es für ein rein evolutionistisches auszugeben; wer hätte sich wohl schon mit den großartigen ethischen Gesichtspunkten HEGELs bekannt gemacht, ohne einen starken Trieb zu spüren, nun auch sich selbst in seinem praktischen Handeln zur Freiheit hindurchzuringen, sich immer mehr und mehr mit der allgemeinen Vernunft eins zu wissen? Das ist ein Appell, für den wohl ein jeder Leser empfänglich gewesen ist, der für alle Zeiten mächtig bleiben wird; aber eine ganz andere Frage ist es, ob dieser Appell noch auf derselben wissenschaftlichen Basis an uns ergeht, auf der sich das System, die Konstruktion der ethischen Tatsachen vollzieht. Fürs erste ließe sich in Frage stellen, ob jener mächtige Eindruck, den ein großes ethisches System zu machen pflegt, sich wirklich auf das Handeln, auf das ethische Gebiet bezieht. Sehr häufig ist der Eindruck ausschließlich ästhetischer Art und wird durch die Bewunderung von der gewaltigen Architektonik eines derartigen Gedankengebäudes zur Genüge erklärt. Dafür spricht, daß auch ethische Systeme, die als direkt verwerflich zu bezeichnen sind, wie dasjenige SCHOPENHAUERs, denselben Einfluß auf den Leser zu haben pflegen, solange er sich sozusagen unter dem persönlichen Eindruck dieses großartigen Systems befindet. Und nicht nur ethische Erörterungen lösen diese Empfindung aus, sondern ein jedes erhabene Gedankengefüge auf jedem Gebiet des menschlichen Forschens wird auf den verständnisvollen Leser dieselben Wirkungen ausüben. Angenommen aber - und die Möglichkeit eines solchen Vorgangs ist gar nicht zu bezweifeln - ein evolutionistisches System gewinnt eine solche Macht über das menschliche Gemüt, daß es der zureichende Grund des Handelns wird; hat es alsdann diese Wirkungen noch als wissenschaftliches Werk gehabt? Ich glaube, man wird diese Frage verneinen können, denn dazu gehört, daß das handelnde Individuum die ethischen Entwicklungen des Systems für absolut wahr und allgemeingültig anerkennt, da es sie zum leitenden Prinzip der höchsten Funktion, deren der Mensch überhaupt fähig ist, macht. Ich muß annehmen, daß die Entwicklung, wie sie das evolutionistische System, dessen Jünger ich bin, schildert, für alle Zeiten gültig sein werde, daß es die höchste Pflicht ist, an ihre Realisierung das Leben einzusetzen. Daß dies über die wissenschaftlichen Grenzen hinausgeht, daß die wissenschaftliche Aufgabe des Evolutionismus ein Begreifen der ethischen Entwicklung bis auf die Gegenwart ist und daß jeder Schluß in die Zukunft ungültig, eine absolute Gültigkeit desselben sicher falsch ist, das haben die vorhergegangenen Erörterungen hinlänglich gezeigt. Weit entfernt also, daß man irgendein evolutionistisches System zum Prinzip des Handelns mit wissenschaftlicher Berechtigung machen könnte, tut man demselben den größten Schaden an, wenn man es über seine methodologisch notwendigen Grenzen erweitert und absolut setzt. Es werden damit in die ethische wissenschaftliche Diskussion Gefühlsmomente hineingebracht, die dem Fortschritt einer Wissenschaft niemals günstig sein können. Es läßt sich aus diesem Fehler die ganze Heftigkeit, der ganze unerfreuliche Anblick der Diskussion begreifen, der sich immer wieder wiederholt, sobald sich neue ethische Ansichten zur Herrschaft durchkämpfen wollen. Anstatt dieselben wissenschaftlich besonnen zu prüfen, wie man es bei einer neuen naturwissenschaftlichen Theorie zu tun keinen Anstand nimmt, werden Gefühlsmomente, die jede Diskussion unmöglich machen, in diese hineingezogen und damit der Fortschritt der Wissenschaft durch außerwissenschaftliche Momente unendlich verzögert. Wenn also der handelnde Mensch die hypothetisch richtigen Resultate der ethischen Wissenschaft, die ihre Bedeutung nur eben darin haben, daß sie sich jederzeit der Revision und Nachprüfung unterwerfen müssen, als absolut verbindliche setzt, so negiert er eben dadurch den wissenschaftlichen Charakter dieses seines Systems; der wissenschaftliche Lehrsatz wird zum Dogma, das von der Möglichkeit der Fortbildung abgeschlossen, notwendig zuletzt gewaltsam gestürzt werden wird. Er hat seinem eigenen System den größten Schaden zugefügt, der einer wissenschaftlichen Leistung nur zustoßen kann, er hat ihr den Stempel der Unwissenschaftlichkeit aufgedrückt. Haben somit die evolutionistischen Theorien nur in dem Maße die Möglichkeit das wirkliche ethische Handeln zu beeinflussen, in welchem sie den Charakter der Wissenschaft verlieren, so scheint der Utilitarismus sich in einer günstigeren Lage zu befinden. Denn der Utilitarismus will ja eben die Aufgabe, an welcher der Evolutionismus scheitert, wirklich erfüllen; er gibt mir einen Imperativ, nach welchem ich meine Handlungen beurteilen kann, und er will beweisen, daß ich auch wirklich danach verfahre, daß diejenigen Handlungen, die gut sind, auch eine Maximierung des Glücks bezwecken, und umgekehrt, die von mir böse genannten die Summe des Glücks zu vermindern geeignet sind. Hat er mit dieser Annahme recht und wenn dies der Fall ist, ist damit wirklich das Prinzip meines Handelns gegeben? Was den ersten Teil der Frage betrifft, so ergibt sich zunächst die Schwierigkeit, wer entscheiden soll über die Folgen einer Handlung? Wenn die Mehrzahl der Menschen, so wird das Verdikt stets von ihren Meinungen über Glück beeinflußt sein und es ist nicht abzusehen, warum der gewöhnliche Mensch sich ihrer Norm unterwerfen soll, wie früher gezeigt ist. Und gerade Menschen von großer sittlicher Kraft werden sehr häufig nicht in der Lage sein, auf das Glück der sie zufällig umgebenden Menschen Rücksicht zu nehmen, sondern in ihnen zunächst ein tiefgehendes Mißbehagen mit sich und der Welt hervorrufen müssen. Was dann? Dann sollen später die kommenden, glücklicher gewordenen Geschlechter das unvorsichtige Urteil der Mitmenschen revidieren. Aber wird dadurch ein böser Mensch ein guter, wenn ihn spätere Geschlechter dafür erklären? Und werde ich je im Vertrauen auf diese späte Ehrenerklärung den Mut haben, eine zunächst Unlust erzeugende Handlung erster Größe zu begehen? Es ist ganz richtig, daß ich mich für alle groben Laster und Verbrechen mit gutem Mut an die utilitaristische Formel halten, mich darauf verlassen kann, daß unlustbringende Folgen auch böse Motive voraussetzen und umgekehrt; aber für die höchsten Probleme, für den Kampf der Pflichten, für den ethischen Reformator bricht diese Stütze zusammen. In Bezug auf die zweite Frage ist die Beantwortung sehr erschwert, weil hier ein eigentlich Allgemeingültiges gar nicht ausgesagt werden kann. Welche Motive eine Handlung gehabt hat, welches das Prinzip derselben gewesen sind, kann eigentlich nur der Handelnde selbst wissen. Es ist also sehr wohl möglich, daß eine große Anzahl von Menschen wirklich das utilitarische Prinzip als Motiv des sittlichen Handelns haben. Aber es läßt sich gegen die Allgemeingültigkeit, die manche Utilitarier dafür behaupten, doch auch einiges einwenden. Ich glaube, die meisten Menschen geben sich in dieser Beziehung dem Irrtum hin, welchen SAINT COIT so vorzüglich nachgewiesen hat, daß sie nämlich noch immer den Endzweck und das Kriterium des Handelns miteinander verwechseln. Zugegeben, daß die vorliegende Handlung stets nach dem Prinzip des allgemeinen größten Glücks beurteilt werden kann und soll - und daß diese Beurteilung gerechtfertigt und notwendig ist, ist ja nachgewiesen worden - so ist damit noch gar nichts über den Endzweck meines Handelns gesagt. Mein Wille war sich dieses Kriteriums in den meisten Fällen gar nicht bewußt, ich handelte, weil mein Gewissen es so verlangte und aus keinem anderen Grund, "das Streben nach Gewissensfrieden war der Endzweck meines Handelns". Es ist in der Tat diese Stimme des Gewissens die letzte und höchste Sanktion, zu welcher das Handeln des Menschen kommen kann; nach den Ansprüchen dieses höchsten Tribunals in uns fällen wir das Verdikt über unsere Handlungen, seine Billigung und seine Mißbilligung entscheiden souverän über ihren sittlichen Wert. Es kann nun sogleich vom Standpunkt des Evolutionismus dagegen gehalten werden, daß dieses Gewissen keine letzte Tatsache ist, daß wir es nicht als unentstandenes, sich selber stets gleiches Prinzip der Beurteilung der Handlungen aufzufassen haben, sondern daß es geworden ist wie jedes andere Ding, daß es sich allmählich entwickelt hat, und daß diese Entwicklung durchaus nicht überall in allen Menschen das gleiche Produkt hervorgebracht hat. Man kann die Wahrheit dieser Bemerkungen vollständig zugeben und doch ihre Anwendbarkei auf den vorliegenden Fall leugnen. Es sind zwei ganz verschiedene Frage, die nur infolge der aus einem popularisierenden Darwinismus stammenden Begriffsverwirrung miteinander häufig verwechselt werden, was etwas ist, und wie es geworden ist. Ich kann z. B. mit DARWIN vollkommen davon überzeugt sein, daß das Gewissen das Produkt der überwiegenden Gattungsinstinkte über die individuellen Instinkte ist, aber nimmt das dem Gewissen, welches sich nun einmal in mir autoritativ vernehmen läßt, irgendetwas von seiner Bedeutung? Wird der jetzt existierende Mensch deshalb ein anderer, wenn man ihn als aus einer niederen Tierspezies entwickelt oder aus einem paradiesischen Zustand gefallen annimmt? Mag das Gewissen entstanden sein, wie und wo man will; das ist eine Frage der Wissenschaft, durchaus nicht verschieden von der über das Verschwinden des ZWischenknochens beim Menschen; was mir zum Handeln not tut, das ist, daß das Gewissen nun in mir vorhanden ist, Gehorsam fordert und ich ihm zu gehorchen habe. Einen anderen, tiefer treffenden Einwurf hat der Verteidiger dieser Ansicht von seiten des Utilitarismus zu gewärtigen. Es könnte nämlich scheinne, daß damit der Standpunkt des individuellen Hedonismus wieder als höchstes Prinzip in die Moral eingeführt würde. Denn wenn jemand nach seinem Gewissen handelt, so tut er das deshalb, weil ihm entgegen zu handeln die Qualen des verletzten Gewissens hervorrufen würde, also handelt man der Norm des Gewissens gemäß, weil man auf dem Standpunkt des Eudämonismus steht, weil sich beim entgegengesetzten Handeln ein Überschuß an Unlust für das handelnde Individuum ergeben würde. Das sind gewiß ganz schwerwiegende Einwendungen, die sogar in neuester Zeit in SIGWART einen Anwalt gefunden haben; ich glaube aber, daß ihre Scheinbarkeit lediglich darauf beruth, daß die eigentliche Fragestellung verschoben worden ist. Es ist ja ohne weiteres zuzugeben und ist auch schon zugegeben worden, daß jedes Wollen nach der Richtung und unter dem Gesichtspunkt daraus sich ergebender möglicher Lust und Unlust beurteilt werden kann. Aber es handelt sich hier gar nicht darum, sondern um die Frage, ob Rücksicht auf Lust und Unlust in mein sittliches Handeln eintritt, ob ich vor der Vornahme einer sittlichen Handlung die etwaigen Gewissensbisse im Unterlassungsfall, die etwaigen sonstigen unangenehmen Folgen im Begehungsfall gegeneinander abwäge und mich dann dafür oder dagegen entscheide. Und da wird, glaube ich, jeder in Selbstbeobachtung nur einigermaßen Erfahrene die bewußte Vornahme eines solchen Kalküls leugnen. Sollte aber alsdann gegen diese Ausführung eingewendet werden, daß eine derartige Berechnung unnötig ist, weil sie schon unzähligemal gemacht und ihre Resultate eben das Gewissen sind, so gehört das in die Theorien über die Entstehung des Gewissens, aus denen der Utilitarismus keinen Vorteil ziehen darf und die auch für den vorliegenden Fall irrelevant sind. Es kommt darauf an, was ich bewußt beim sittlichen Handeln in mir wahrnehmen kann, und da finde ich allerdings einen sehr starken Appell des Gewissens, aber durchaus keine utilitarische Berechnung, oder wenn eine solche vorgenommen wird, keinen Einfluß davon auf den Charakter meiner Handlung als sittlich oder unsittlich. Es ist sehr gut möglich, daß ein Mensch sich zu einer Handlung entschließt, von der er klar voraussieht, daß die daraus entstehenden üblen Folgen sich gar nicht vergleichen lassen mit den Lustempfindungen, die ihm ein gutes Gewissen bereiten wird, und es ist geradezu ein praktisches ad absurdum Führen dieses individuell utilitarischen Erklärungsversuchs, wenn zu den unmittelbaren Folgen einer solchen Handlung auch der Tod des Handelnden, der dann die Freuden seines guten Gewissens auch nicht mehr lange genießen kann, gehört. Zweifelsohne ist das Kriterium des Utilitarismus ein berechtigtes, aber es ist weit davon entfernt, das einzig berechtigte zu sein, und gerade je innerlicher, sozusagen, das zu beurteilende Phänomen wird, desto weniger angebracht erscheint seine utilitarische Betrachtung. Es ist auch nicht berechtigt, alle Handlungen, die sich vor mir selber oder anderen vom utilitarischen Standpunkt aus rechtfertigen, als aus utilitarischer Erwägung hervorgegangen anzusehen. Sehr häufig findet hier eine interessante Umkehrung des wahren Sachverhalts statt. Es kann eine Handlung aus ganz unutilitarischem Gehorchen der Stimme des Gewissens wirklich entstanden sein. Denke ich aber dann über sie nach, das heißt, diskutiere ich mit mir selbst darüber oder komme ich in die Lage, diese Handlung anderen Menschen gegenüber rechtfertigen zu müssen, so suche ich nach einem allgemein verständlichen Prinzip, nach welchem die Handlung als zu Recht bestehend erscheint, und wir haben bereits gesehen, daß dieses Prinzip das des Utilitarismus ist. So erscheint der Utilitarismus deshalb viel häufiger als Motiv der Handlung, als er es in der Tat ist, weil wir ihn infolge einer ex post factulo [nach geschehener Tat - wp] Konstruktion dazu machen, um sie vor anderen und uns selbst rechtfertigen zu können. Müssen wir somit zum Utilitarismus greifen, um die Berechtigung einer Handlung darzutun, so ist es ein ganz anderes, wenn wir über ihren sittlichen Wert mit uns zu Rate gehen. Hier kann ich nur an das eigene sittliche Gefühl appellieren, nur seine Billigung kann eine von mir begangene Handlung sanktionieren; die Anerkennung oder der Tadel, den andere Menschen meinen Handlungen haben angedeihen lassen, ist gänzlich wertlos vor diesem inneren Tribunal, denn nur das handelnde Subjekt selbst, dieses aber mit Bestimmtheit, kann wissen, ob seine Handlung der Norm seines Gewissens gemäß war und nur nach diesem Gesichtspunkt bezeichnet es seine Handlungen mit den Prädikaten "gut" oder "böse" und es kann sich leicht ereignen, daß die utilitarisch wertvollste Handlung sich hier als böse herausstellt, während eine indifferente oder gar schädliche Handlung dem handelnden Subjekt die volle Sanktion des Gewissens einträgt, das dieselbe als eine gute bezeichnet. Wenn aber dies der Fall ist, so ist es gänzlich untunlich, mit Sicherheit aus den Handlungen eines Menschen einen Rückschluß auf den Charakter zu machen, ihn gut oder böse zu nennen. Das ist schon ein Fehler gegen die Logik, welche lehrt, daß dieselbe Wirkung von verschiedenen Ursachen herrühren kann. Daß so häufig dagegen verstoßen wird, hat seinen Grund darin, daß die gleiche Erziehung, dieselben Lebensbedingungen, die gleiche Volksgenossenschaft naturgemäß in der Mehrzahl der Individuen dieselben Anschauungen über Gut und Böse erzeugt, und daß wir somit mit empirischer Bestimmtheit im Kreis der gewöhnlichen Erlebnisse einen Schluß auf die Gesinnungen unserer Mitmenschen zu tun vermögen, der gleichwohl, logisch betrachtet, nicht gerechtfertigt ist. Zur Einsicht über die Nichtigkeit dieses Schlusses gelangen wir erst im persönlichen oder geistigen Verkehr mit den sittlichen Anschauungen anderer Völker und Zeiten und durch die Erkenntnis der Tatsache, daß oft gerade sittlich hochstehende Individuen sich nicht mit den sittlichen Anschauungen ihrer Umgebung für einverstanden erklären können. Es soll damit aber durchaus nicht die Willkür des Individuums, wie sie die Romantiker zu predigen pflegten, als berechtigt anerkannt werden, denn diese berücksichtigten nur die eine Seite des Problems. So sehr zugegeben werden muß, daß jedes Individuum vollkommen berechtigt ist, nach der Norm seines Gewissens, und mag diese noch so sehr von der Sittlichkeit seiner Umgebung abweichen, zu handeln, so unterließen es doch die Advokaten jener Freiheit des genialen Individuums, darauf hinzuweisen, daß andererseits jede Handlung der Beurteilung dieser Umgebung in ihrer utilitarischen Beziehung auf Recht und Unrecht zu unterliegen hat. Es ist dies ein Punkt, der umso wichtiger ist, je häufiger in der praktischen Rechtspflege dagegen verstoßen wird. Sehr häufig, wenn sich der Richter davon überzeugt hat, daß eine Handlung gemäß der Norm des Gewissens entstanden ist, sieht er von der Strafe ab. Nichts kann verkehrter sein. Denn das Gesetz sagt nicht von einem Gewissen oder der ethischen Würde einer Handlung; es konstruiert einen hypothetischen Fall und der Richter hat sich lediglich davon zu überzeugen, ob in den Bedingungen des realen Falles die Merkmale, die der Gesetzgeber dem konstruierten gegeben hat, erfüllt werden. Insofern ist sein Verfahren ebenso wissenschaftlich wie das eines Chemikers, der eine Verbindung auf ihre Zusammensetzung hin analysiert. Erst bei der Strafabmessung kommt dann die nicht mehr wissenschaftliche Ansicht, die sich der Richter über die sittliche Wertigkeit des Handelnden gebildet hat, zum Ausdruck. Die Frage, ob bestraft werden soll oder nicht, ist davon gänzlich unabhängig zu entscheiden. Das Verlangen der absoluten Unterwerfung des Individuums unter die Werturteile sittlicher Art, welche die Umgebung in Sitte und Recht verkörpert hat, würde jeden Fortschritt in der Ethik unmöglich machen; die Forderung der absoluten Freiheit für das sittliche Handelns des Einzelnen würde den schrankenlosesten Individualismus zur Folge haben; ein beständiger sicherer Fortschritt ist nur möglich, wenn es dem Individuum freisteht, mit seinen sittlichen Anschauungen in den Kampf zu treten gegen die der Gesamtheit, dafür zu leiden, und sie so zum Sieg zu führen. Denn ohne Märtyrer hat sich noch nie eine neue große ethische Wahrheit durchgesetzt und eine solche, die nicht genug Kraft besaß, sich ihre Märtyrer zu erziehen, verdient keinen Sieg. Es würde eine unnötige Arbeit sein, aus den Tatsachen der Anthropologie nachzuweisen, daß für alle Sätze, die uns das Gewissen als allgemeingültig vorschreibt, sich Ausnahmen und Beispiele von Geboten des Gegenteils auffinden lassen. Mag auch noch so viel als ungenaue Beobachtung angezweifelt werden, mögen auch namentlich die französischen Philosophen des vorigen Jahrhunderts die Differenzen absichtlich noch mehr betont haben, sie als noch prinzipieller dargestellt haben, als sie es ohnehin schon sind, so bleibt doch nach Abzu all dieser Faktoren ein so großes Material gut gesicherter Tatsachen übrig, daß wir uns der Einsicht nicht mehr verschließen können, daß nur ein Allgemeines in den sittlichen Handlungen als solchen übrig bleibt, nämlich die gemeinsame Form des Imperativs "du sollst", und daß alle näheren Bstimmungen dieses "du sollst" der Zeit, dem Ort, dem Menschen nach verschieden sind oder als verschieden gedacht werden können. Mit demselben Anspruch an Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit tritt bei mir das eine, bei einem anderen Menschen das inhaltlich gerade entgegengesetzte Gebot auf; beim Vollbringen der identischen Handlung fühlt sich das Gewissen des einen Menschen beschwert, das des anderen erleichtert. Es ist auch unmöglich, ein intuitives Kriterium für die Billigung des einen, die Mißbilligung des anderen Gewissens zu erhalten. Denn wenn ich lediglich mein eigenes sittliches Gefühl zu Rate ziehe, so wird dieses selbstverständlich eine tiefe moralische Abscheu vor der Handlung des Wilden, der seine eigenen Eltern tötet, empfinden, ich werde alles daransetzen, ihn von seinem Unrecht, von seiner moralischen Verworfenheit zu überzeugen; werde dann aber vermutlich erfahren, daß er die Tatsache, daß meine Eltern über eine bestimmte Altersgrenze leben, ebenso zu meinem Nachteil auslegt, daraus ebenso ungerechtfertigte Schlüsse auf meinen sittlichen Charakter macht, mich vielleicht ebenso von meinem Unrecht überzeugen will, wie ich es ihm gegenüber getan habe. Wer aber gibt mir das Recht, meinen kategorischen Imperativ dem Inhalt nach dem seinigen vorzuziehen? Greife ich aber zu anderen Argumenten, um den Gegner von der Verwerflichkeit seines ethischen Standpunktes zu überzeugen, wie das aus der Nützlichkeit und aus der Vorzüglichkeit der Zivilisation hergenommene, so hat erstens schon DIDEROT in feinster Weise die Ungültigkeit dieser Art der Argumentation nachgewiesen, dann aber sind dies verstandesmäßige Kriterien, die vielleicht wohl zeigen können, daß eine Art des Handelns zu wohltätigeren Konsequenzen führt als die andere, niemals aber, daß die ethische Würde des nach dem einen Prinzip Handelnden höher steht als die des entgegengesetzt Handelnden. Man hat es schließlich auch versucht, die Ausdehnung des Gewissens als Kriterium zu nehmen, die Stärke seines Eingreifens, die Häufigkeit der von ihm beurteilten Fälle als bestimmend für seine Vorzüglichkeit gelten zu lassen. Daran ist so viel wahr, daß ceteris paribus [unter vergleichbaren Umständen - wp] der mit einem empfindlicheren Gewissen Begabte auch der bessere Mensch sein wird. Absolut genommen aber kann man diesen Satz nicht als gültig anerkennen. Man braucht nur an gewisse wilde Stämme, wie an manche christliche Sekten zu denken, die eine Menge von Dingen, die heute als Adiaphora [nicht Unterschiedenes - wp] betrachtet werden, mit den peinlichsten Gewissensskrupeln behandelten, und wir werden alsdann wenig geneigt sein, diese Auswüchse als konstituierende Merkmale für das Höchste, was es überhaupt in dieser Welt gibt, für die moralische Güte eines Menschen zu betrachten. Wir müssen uns eben mit lediglich formaler Bestimmung des Kriteriums der eigenen sittlichen Handlungen begnügen. Mußten wir uns soeben für einverstanden mit den Ausführungen DIDEROTs über die Unerweislichkeit eines moralischen Vorzugs der sittlichen Anschauungen des Europäers vor denen irgendeines anderen Volkes erklären, so fehlt doch viel, daß wir damit auch seinen Folgerungen über die Verwerflichkeit des Einwirkens in moralischer Hinsicht auf anders denkende Menschen beistimmen würden. Denn wenn auch die theoretische Untersuchung, namentlich die des Evolutionismus, jede sittliche Überzeugung als notwendig geworden und den Bedürfnissen der sie teilenden Menschen bewunderungswürdig angepaßt darstellen mag, so hindert das nicht, daß ich praktisch meine sittlichen Ideale als die höheren betrachte, daß die ethischen Imperative mit dem Ansruch auf Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit in mir auftreten und daß, um diesen Anspruch zu verwirklichen, ich die ethische Aufgabe habe, die mich umgebenden Individuen von ihrer Geltung und Majestät zu überzeugen. Es ist nach dem Vorhergegangenen klar, daß diese Überzeugung nicht auf dem Weg der Beweisführung oder der Aufzeigung irgendwelcher utilitarischer Vorteile vor sich gehen kann, denn auf diese Weise würden mir nicht rein sittliche Motive zum Handeln gegeben werden und alsdann wäre jeder Sieg der früheren Gewissensimperative gerade eine sittliche Handlung. Sondern das Gemüt selber muß ergriffen werden, das bei der utilitarischen Betrachtungsweise ganz sich verlierende Motiv der Reue (2) muß hervorgerufen und hieraus der neue Inhalt des Gewissens sich ergeben. Dies sind die notwendigen Momente einer Umwandlung des Gewissens und diese sind durch eine noch so tiefgehende Einwirkung auf den Intellekt nur in den seltensten Fällen zu erzielen, wogegen bei jeder großen sittlichen Bewegung, die die Menschheit ergriffen hat, die Fälle nach Tausenden zu zählen sind, in welchen durch Predigt, durch Lehre, durch Beispiel derartige vollständige Umänderungen des Charakters vorkommen. Es ist dies kein Beweis gegen die absolut autoritative Stellung des Gewissens im Seelenleben des Menschen. Denn das neu entstandene Gewissen wird nicht mit kritischem Zweifel betrachtet und es nicht an die Möglichkeit einer nochmaligen Umwandlung gedacht, sondern sowie es sich des neuen Inhalts bemächtigt hat, wirkt es nur mit noch größerer Kraft und Autorität. Aus dem Gesagten folgt auch, daß die wissenschaftliche Begründung, mit der die neue sittliche Idee sich vor dem Verstand legitimiert, ein sehr sekundäres Moment ihrer Wirksamkeit ist. Die Persönlichkeit des Vertreters, die sittliche, unmittelbar an das Gemüt sich wendende Kraft seines Beispiels, seines Lebens, seiner Lehre, das ist das Entscheidende, dadurch siegt der neue ethische Gedanke, nicht aber durch eine theoretische Begründung. Es ist dafür in unserer Zeit vielfach das Verständnis verloren gegangen, wie man aus den staunenden Betrachtungen entnehmen kann, wie es das Christentum doch vermocht hat, das fest abgeschlossene, wissenschaftlich so viel ausgebildetere System EPIKURs zu überwinden. Es kam hierbei eben auf die wissenschaftliche Begründung gar nicht an und wo dies christliche Apologeten versucht haben, konnten sie gegenüber den heidnischen Angriffen ihr Feld kaum behaupten. Aber das waren nebensächliche Streitigkeiten; der Kernpunkt des Kampfes war der Streit der sittlichen Idee des Christentum mit der des Epikurismus, und das war der Sieg mit der sittlicheren, tatkräftigeren, opferungsfähigen christlichen Moral. Wenn nun doch jede sittliche Überzeugung sich mit diesem für sie unwesentlichen Rüstzeug umgeben hat, so hat dies seinen Grund im Einheitsbedürfnis unseres Erkennens. Es ist eine unerträgliche Forderung, diesen Zwiespalt zwischen den Ergebnissen des theoretischen Denkens und den Postulaten des praktischen Bedürfnisses dauernd nebeneinander zu dulden, und wenn somit immer wieder eine Synthese zwischen beiden gesucht wird, so ist kein Zweifel, welche Seite als die berechtigte höhere und wertvollere bevorzugt werden wird. Denn dieser Kampf zwischen dem radikal Guten und dem radikal Bösen, der sich fortdauernd im Kampf des Gewissens gegen die Neigungen und Wünsche vollzieht, ist für den Menschen die wertvollste Erfahrung, und so sieht er sich dazu getrieben, diesen Kampf als einen objektiv bestehenden anzunehmen, ihn aus seiner Seele hinaus zu versetzen in jedes Werden und Geschehen. Auch für dieses nimmt er alsdann gute und böse miteinander im Kampf befindliche Mächte an und als höchstes Resultat dieser anthropomorphisierenden Anschauung der Natur gelangt er zu der Annahme einer letzten höchsten sittlichen Potenz, die entweder eine ihm entgegengesetzte ebenso mächtige Gewalt des Bösen bekämpft oder sich bemüht, einen indifferenten Stoff zu durchdringen, zu "vergotten". Dies ist das Grundschema aller ethischen Religionsbildung und in unendlicher Umformung tritt dieser Gedanke der Konstruktion des Weltalls vom Standpunkt der höchsten sittlichen Erfahrung, die wir an uns machen können, stets wieder hervor. Damit aber hat die praktische Funktion des Menschen denselben Fehler gemacht, den wir vorhin auf seiten der theoretischen nachzuweisen uns bemühten. Sie hat ihren gesicherten intuitiven Standpunkt gegenüber dem theoretischen Erkennen aufgegeben und muß sich nun auch jede theoretische Kritik gefallen lassen, der sie alsdann auf die Länge Widerstand zu leisten vollkommen ungeeignet ist. Jedes Lehrgebäude, das eine ethische Religion zur Erklärung der Erscheinungen verwendet, muß notwendig von der fortschreitenden Wissenschaft nach kürzerer oder längerer Zeit als ungenügend nachgewiesen werden. Ähnlicher Art ist der Fehler, den die intuitive Moral begeht, wenn sie, nicht zufrieden mit der allgemeingültigen Form des Sittengesetzes, nun auch versucht allen Vernunftwesen gemeinsame inhaltliche Bestimmungen aufzuweisen. Den Anlaß zu diesem Fehler bietet die Tatsache, daß die sittlichen Gebote im Individuum stets auch inhaltlich mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit auftreten und daß auch tatsächlich dieselben sittlichen Gebote in demselben Inhalt sich bei der großen Mehrzahl der Menschen aufweisen lassen. Allein dies ist eine Frage, die nicht mehr a priori aus dem sittlichen Gefühl heraus entschieden werden kann, sondern der Empirie unterliegen muß und wenn auch der Schluß, den die empirisch-anthropologische Betrachtung von den Handlungen auf die Gesinnungen machen kann, nie apodiktischer Natur sein wird, so hat sie doch das Recht, diejenigen Handlungen, die bei einem bestimmten Komplex von Individuen (Stamm, Volk) mit der allgemeinen Billigung sanktionierten Handlungen als dem sittlichen Gefühl der Mehrzahl entsprechend anzusehen. Und schon auf dieser Grundlage wird es ihr gelingen, dergleichen Übergriffe des Intuitionismus als unberechtigt abzuweisen, indem sie für jeden scheinbar allgemeingültigen Satz eine negative Instanz nachzuweisen vermag. Wie schon bemerkt, wird dadurch das Streben, die in mir gültigen ethischen Sätze zu allgemeingültigen zu machen, nicht beeinträchtigt. Es ist der Zweck dieser Untersuchung gewesen, die prinzipielle Verschiedenheit der theoretischen Behandlung der Ethik und des praktischen sittlichen Handelns so viel wie möglich aufzuzeigen. Nicht nur um den heute nur allzuhäufigen Vermittlungsversuchen zwischen beiden entgegenzutreten, sondern weil diese Verschiedenheit der letzte Ausdruck ist für zwei ewig sich bekämpfende Richtungen der Weltanschauung. Wenn KANT an der bekannten Stelle von den zwei Dingen spricht, die das Gemüt mit immer neuer Bewunderung und Ehrfurcht erfüllen: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir, so hat er damit die Ausgangspunkte dieser beiden Weltanschauungen bezeichnet. Denn wenn in der ursprünglichen Synthese Subjekt-Objekt vom zweiten Glied ausgegangen wird, so versenkt sich der betrachtende Blick in die Regelmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Natur. Es entsteht die Weltanschauung, die sich bemüht, die Welt als einen gesetzmäßigen, kausal-bestimmten Mechanismus aufzufassen, als deren Typus die Astronomie, die unendliche Fülle zugleich und Regelmäßigkeit der Gestirne im Weltraum zu gelten hat. So schreitet diese Art der theoretischen Weltanschauung fort, bis sich zuletzt das Individuum in den Zwang der kausalen Bedingtheit so fest eingepreßt sieht, daß ihm damit die Möglichkeit des eigenen Handelns, der sittlichen Betätigung als genommen erscheint. Entweder sieht es wie der Weise SPINOZAs untätig dem Verlauf der Leidenschaften und Affekte zu und vergißt über ihrer Erkenntnis das Handeln, oder es sieht in den Schlußsätzen jedes materialistischen Systems sich selbst als ein Konvolut [Bündel - wp] von Atomen, das gleich bereit wiederum zu zerfallen, einen Anlaß zu einem sittlichen uninteressierten Handeln nicht mehr zu finden vermag, dem seine Seele in der LAPLACEschen Formel nicht vorkommt. In beiden Fällen ist es die sittliche Betätigung des Individuums, die dem wissenschaftlichen Standpunkt eine unüberwindbare Schranke gegenüberstellt, es ist das Subjekt, von dem die objektive Betrachtung abstrahieren zu können meinte und das sich dann nie in seinen Berechnungen vorfinden kann. Oder aber man geht von einem sittlichen Bewußtsein aus. Ich fühle, daß ich nicht nur ein gleichgültiges Rad im kausalen Getriebe des Weltalls, sondern eine nur einmal vorhandene Möglichkeit bin, die sittlichen Ideale in mir zu realisieren. Alsdann erscheint alles klein und nichtig gegenüber dieser größten Aufgabe; die ganze Natur, die Welt wird Substrat der sittlichen Betätigung des Ich, ich komme zum System FICHTEs, die individualistisch-teleologische Auffassung wird zur Herrin über die mechanische erhoben, und mß ebenso wie das System FICHTEs an der Konstruktion des Objekts, von welchem sie abstrahierte, scheitern. Beide Weltanschauungen haben von jeher ihre Jünger gehabt, je nach dem ganzen Charakter der die Menschheit bewegenden Interessen trat bald eine, bald die andere mächtig hervor; ihre Verschiedenheit aber läßt sich nur aufzeigen; ihre Versöhnung oder Vereinigung ist, so osf sie auch versucht worden ist, stets auf die Länge unmöglich geworden; immer wieder wird die auf das vorsichtigste abgesteckte Grenze überschritten werden, denn am mächtigsten im menschlichen Geist wirkt das Einheitsstreben, welchen die Nebenordnung zweier voneinander distinkter Prinzipien unerträglich ist und welches heute noch wie zur Zeit des ARISTOTELES ausruft:
[Eine Vielherrschaft ist niemals gut. Nur einer sei der Herrscher. - wp]
1) Es ist merkwürdig, zu beobachten, wie diese Anlehung an die Praxis des täglichen Lebens BENTHAMs konsequenten Geist mitunter irregeführt hat. So führt er in seiner Tafel die Rubrik "Soziale Folgen" auf, aber es ist fraglich, ob der Utilitarier diesen Posten überhaupt in Rechnung setzen darf. Er darf das eigentlich erst, wenn die Summe schon gezogen ist, denn erst dann wird in seinen Augen z. B. die Trunkenheit zum Laster, wenn diese Summe negativ ist. Vorher aber will er dies erst untersuchen. Wäre die Trunkenheit eine Tugend, so könnten die sozialen Folgen nichts daran ändern; im Gegenteil, der Trunkenbold könnte sich ihnen mit berechtigtem Stolz entgegenwerfen und müßte suchen, reformierend zu wirken, denn sonst müßte, wenn die sozialen Folgen irgendeiner Tugend, z. B. der richtigen Einsicht über die Verderblickeit des Duells, negativ wären, diese negative Zahl unter Umständen die Summe negativ machen können, was doch durchaus nicht im Sinn der utilitaristischen Moral, am wenigsten aber im Sinn BENTHAMs wäre. Wir haben also in der Einführung sozialer Folgen in den utilitaristischen Kalkül lediglich durch eine Ausschließung dieses Postens; die Moral wird freier und reiner, wenn man sich entschließt, zwar die vielen Vorteile, die eine solche Anlehnung an die bestehende Moral bietet, daran zu geben, dafür aber derartige Inkonsequenzen, wie die vorhin angedeutete, zu vermeiden. 2) Vgl. PAUL RÉE, "Das Gewissen", wo die Theorie aufgestellt und utilitarisch konsequent verfochten wird, daß die Reue nur dann ethischen Wert hat, wenn sie als Warnung gegen die Wiederholung desselben Verbrechens auftritt, woraus sich dann mit Notwendigkeit die Konsequenz ergibt, daß es richtig ist, nach einem gewöhnlichen Mord Reue zu fühlen, weil ich dasselbe Verbrechen nochmals begehen kann, dagegen die Reue nach der Ermordung des Vaters nur insofern berechtigt ist, als sie mich von der Begehung eines anderen Mordes abhält, ein Mehr von Reue aber über die Ermordung des Vaters nicht angebracht ist, weil ich meinen Vater nie zum zweitenmal ermorden kann. Gäbe es ein Verbrechen, das ganz als ein einmaliges Faktum dastünde, so wäre über diese die Reue ansich verwerflich und es läßt in gewissem Sinn jedes Verbrechen, wie jede Handlung, sich so auffassen. Das eigentlich sittliche Problem der Reue hat RÈE nicht ergriffen, weil es ganz außerhalb der utilitarisch-evolutionistischen Betrachtungsweise liegt. |