ra-2W. HerrmannJ. G. FichteM. DrobischFeuerbachR. Otto    
 
GUSTAV GLOGAU
Vorlesungen über
Relisionsphilosophie

[1/2]

"In ihrer Reife ist die Religion eine Ansicht, die der sinnlichen Wahrnehmung völlig entgegengesetzt ist: das wahrhaft Seiende liegt jenseits alles Sinnlich-Wirklichen, und dieses ist Mittel zur Annäherung an jenes; der Umschwung zu dieser religiösen Gesinnung die geistige Wiedergeburt; religiöses Leben das höchste praktische Gut, religiöse Erkenntnis das eigentliche Ziel des Denkens."

"Was sind denn nun überhaupt die Objekte, die der Naturforscher als sinnlich gegeben ansieht? Sinnlich gegeben sind nur die Empfindungen: rot, süß usw. Erst das allen Menschen gleicherweise eingepflanzte Kausalitätsbedürfnis setzt diese Erleidnisse als Eigenschaften eines sie verursachenden Etwas, eines Dinges; das Objekt ohne Subjekt, das die Naturwissenschaft als das Gegebene ansieht, ist ein X. Der Geist also ist der Schöpfer der Dinge. Unsere Objekte sind Ausdruck unserer eigenen Schöpferkraft."

"Unser Interesse, unsere Gesinnung entscheidet darüber, was wir als das Letzte, das Zwingende ansehen, nicht der Verstand; was ich selbst will, was mein ganzes Interesse ausfüllt, das bestimmt meine Überzeugung."

"Wenn wir die Natur nicht als das Letzte ansehen, sondern uns selbst, unser sittliches Wesen, besser wissen als die ganze Natur, so sinkt diese herab zum Mittel, zum Mittel dafür, daß ich werde, was ich werden soll. Meine Bestimmung aber ist die Ebenbildlichkeit Gottes. So kann die Verflechtung des menschlichen Geistes in den Naturzusammenhang nur die Bedeutung haben, daß sie die Anregung hergibt für die Herausschälung und Entwicklung des im menschlichen Geist keimhaft liegenden sittlichen Wesens. Die Welt ist bloß Mittel. Die Einsicht in dieses Verhältnis reinigt den menschlichen Geist. Jetzt ist Gott, das Beste, auch das Erste, und alle Dinge müssen denen, die Gott lieben, zum besten dienen. Jetzt ist das Vollkommene nicht mehr das Letzte, sondern der absolute Geist liegt gar nicht in dieser Reihe der Weltentwicklung, sondern außerhalb der Welt, die seine Schöpfung ist."


Vorwort

Die Vorlesung, welche hier im Auszug geboten wird, ist vom verstorbenen Professor Dr. GUSTAV GLOGAU im Sommersemester 1886 in Kiel gehalten worden. Es ist die Religionsphilosophie eines völlig modernen Denkers, der, weit entfernt von abstrakten Konstruktionen, ganz auf dem Boden der natürlich und geschichtlich gegebenen Tatsachen steht. Die Eigenart seiner Auffassung liegt darin begründet, daß er von der Völkerpsychologie STEINTHALs seinen Ausgangspunkt genommen hat und bei der Darstellung seines psychologisch gegründeten Standpunktes (Abriß der philosophischen Grundwissenschaften, zwei Bde.) bestrebt ist, die Ergebnisse der klassischen Periode unserer deutschen Philosophie "in einem völkerpsychologischen Sinn umzugebären" (vgl. "Der Philosoph Glogau über Offenbarung" von JOHANNES La ROCHE, Berlin 1893).

GLOGAU nannte das Kolleg, mit dem wir es hier zu tun haben, eine erste Zusammenfassung; er hatte vorher noch nicht über Religionsphilosophie gelesen. Der behandelte Gegenstand sollte (mit der Naturphilosophie zusammen) den Hauptinhalt eines dritten Bandes seines Abrisses der philosophischen Grundwissenschaften bilden. Ein plötzlicher und frühzeitiger Tod verhinderte das Erscheinen dieses Bandes. Daß GLOGAU sich aber in seinen letzten Lebensjahren besonders mit diesen höchsten metaphysischen Fragen beschäftigte, zeigen andere Schriften aus dieser Zeit, z. B. über TOLSTOI, vor allem aber das dritte Kapitel der "Die Hauptlehren der Logik und Wissenschaftslehre" (1894, Kiel und Leipzig).

Man könnte nun wegen dieses Teils der Logik und Wissenschaftslehre die Herausgabe unserer Vorlesung für überflüssig halten; denn es ist dort Wesen und Grenze des spekulativen Erkennens, sowie speziel die spekulative Auflösung von Raum und Zeit, ausführlicher und bestimmter behandelt, und es sind auch die Begriffe der Schöpfung und Erhaltung kurz und präzise angedeutet. Indessen ist die Darstellung in einer Vorlesung einmal naturgemäß weniger gedrängt und leichter faßlich als in einem Kompendium und jeder, der eine Schrift GLOGAUs in den Händen gehabt hat, wird diesen Vorzug der Vorlesung zu schätzen wissen. Sodann aber ist es eine erste Zusammenfassung, in die noch nicht so viel hineingearbeitet ist. Schließlich mögen zwar an den betreffenden Stellen der "Logik und Wissenschaftslehre" einzelne Partien ausführlicher behandelt sein, es fehlen dafür andere, die wir im ersten und dritten Teil der Vorlesung, der religiösen Psychologie und Ethik, finden.

Um die Übersichtlichkeit der Darstellung nicht zu stören, ist von allen Hinweisen auf Stellen anderer Schriften GLOGAUs abgesehen; sie könnten sonst fast zu jedem Paragraphen gegeben werden. Nur an drei Stellen ist auf die "Logik und Wissenschaftslehre" verwiesen worden, weil hier eine wesentliche Ergänzung des Gebotenen in Frage in Frage kommt.

Die Paragrapheneinteilung und die Unterabteilungen, welche über die am Ende der Einleitung von GLOGAU gegebene Disposition hinausgehen, sind von mir, dem Herausgeber, hinzugefügt.



Einleitung
Aufgabe der Religionsphilosophie

1. Wer heute über Religionsphilosophie vortragen will, ist gezwungen, vorher die Frage zu beantworten: Kann Religion überhaupt den Anspruch erheben, beachtet zu werden? Die allgemein verbreitete Auffassung verneint diese Frage; sie stellt Verstand und exakte Wissenschaft als das Ideal, die übersinnliche Welt aber als eine Schwärmerei hin, angeblich im Sinne KANTs. Demgegenüber unterscheiden wir zwischen Naturwissenschaft und naturwissenschaftlicher Aufklärung. Die erste bleibt mit ihrer Methode innerhalb des Gebietes, worauf diese zugeschnitten ist; dabei erweist sich diese Methode als äußerst fruchtbar. Die letzte dagegen glaubt in der naturwissenschaftlichen Methode eine allgemeingültige gewonnen zu haben und überträgt sie auf das derselben völlig heterogene Gebiet des Geistes, so daß ein inneres Leben des Gemüts dem ertöteten Blick dieser Aufklärung zu einem bloß mechanischen Naturprozeß wird. Die naturwissenschaftliche Aufklärung wird in praktischer Richtung vertreten durch die Sozialdemokraten, in wissenschaftlicher aber durch Kräfte zweiten Ranges. Die wahrhaft wissenschaftlichen Naturforscher dagegen haben stets die Geisteswissenschaft als ein heterogenes Gebiet anerkannt. Dem bloßen Verstand aber kann eben die Religion nie entspringen. Diese quillt aus dem Gewissen, so daß mit der ganzen Ansicht der naturwissenschaftlichen Aufklärung im Grunde nichts weiter gesagt ist, als daß die Religion mit einem Verstand nicht zu fassen ist.

2. Was ist dann aber die Aufgabe einer Religionsphilosophie? Sie will nicht wie die Religionsgeschichte die einzelnen wirklichen Religionen herausstellen, sondern diese in ihren himmelweit verschiedenen Systemen zertrümmernd, das allen gemeinsame Wesen herausschälen, die Religionsidee, die bei der einen konkreten Religion mehr, bei der andern weniger mit phantastischen, sinnlich-egoistischen Elementen verquickt auftritt und verschiedene Stufen der Entwicklung zeigt. Der Mensch ist ein sinnliches Naturwesen der kausalen, als geistiges Vernunftwesen der inneren Notwendigkeit unterworfen. Die Anlage zur inneren Notwendigkeit hat jeder im Gewissen und auf diese Seite des Menschen geht die Religion zurück. Die Tatsache der geschichtlichen Entwicklung dieser Anlage macht, daß wir die Religionsgeschichte als Fundament gebrauchen müssen und aus ihr das Wesen der Religion zu bestimmen haben. Die so gewonnenen Prinzipien sucht die Religionsphilosophie dann der philosophischen Betrachtung der Dinge einzureihen; das geschieht im zweiten und dritten Teil, während im ersten Teil die "religiöse Psychologie" die Religionsidee entwickelt. Dieser Bestimmung der Aufgabe der Religionsphilosophie entsprechend ergibt sich folgende

Disposition:
3.
    I. Teil: Die Prinzipien der Religion und ihr Verhältnis zu den anderen Zweigen des Geisteslebens (religiöse Psychologie).

    II. Teil: die religiöse Erkenntnis oder die Lehre von Gott als dem wahrhaft Seienden (religiöse Metaphysik):
      a) an und für sich (Gottes Wesen und Eigenschaften);
      b) in seinem Verhältnis zur Welt (Schöpfung, Erhaltung, Regierung der Welt);
      c) in seinem Verhältnis zum Menschen
    III. Teil: Die Umwälzung der Lebensführung durch die religiöse Erkenntnis (religiöse Ethik).

I. Teil
Die Prinzipien der Religion und ihr Verhältnis zu
den anderen Zweigen des Geisteslebens

(religiöse Psychologie)

1. Wir werden hier in historisch-philologischer Weise zunächst die historischen Keimpunkte des religiösen Lebens bloßlegens, um die treibenden Mächte, die letzten Prinzipien desselben, zur Einsicht zu bringen. - Die Tatsache aber, daß der sinnliche nur dem Genuß nachgehende Mensch schließlich dieses letzteren überdrüssig wird, zeigt, wie im natürlichen Menschen neben dem sinnlichen Keim des geistigen ruht; die positive Seite der hervorbrechenden Unruhe ist eben die Überzeugung eines höheren befriedigenden Daseins, das allerdings auf diesem Weg nicht erreicht ist.


a) Die Elemente der konkreten Religionen

2. Das erste Element, das wir in den wirklichen Religionen antreffen, wollen wir das praktisch-utilistische nennen. Schon auf der niedersten Stufe des Völkerlebens sehen wir ein Hinausgehen über das bloße sinnliche Dasein: Die Dämonologie der niederen Völker. In ihr hat sich die Ahnung von höheren Mächten mit den sinnlich egoistischen Triebfedern verschmolzen zur Vorstellung von bösen feindlichen Mächten (das Angenehme prägt sich dem Bewußtsein nicht so sehr ein wie der Schmerz). Diese Mächte muß ich besänftigen und sie lassen (vermenschlichte Anschauung) mit sich handeln. Hierin zeigt sich die Auffassung eines dauernden Rechtsverhältnisses, was am prägnantesten in der israelischen Vorstellung des Bundes mit Jahweh hervortritt. Die Furcht vor bösen Mächten und der daraus hervorgehende rechtliche Verkehr mit ihnen, der Kult, machen das erste Element der Religion aus. Sünde ist hier eine Vernachlässigung des Verkehrs. (Dieses Gefühl Abhängigkeit zu nennen ist nicht gut; denn der Verkehr ist nicht der eines Sklaven mit dem Herrn, sondern eines Gleichen mit einem nur Übermächtigen.)

3. Das zweite Element der wirklichen Religionen ist das kosmologisch-metaphysische, der Versuch, die innere Unruhe, die praktisch, wie eben angedeutet, zum Kult führt, zu den übrigen Erscheinungen in Beziehung zu setzen. Hierzu gehört auch das Setzen eines bösen Geistes, wovon vorhin gesprochen wurde. Aber gerade diese Annahme eines bösen Dämons zeigt auch, daß die Unruhe, das überschwengliche Ahnen, indem es sich den herrschenden Vorstellungsgruppen anpaßt, seine Tiefe verliert (Dialektik des Geschehens). - Es ist leicht ersichtlich, daß in einer gesunden Religion diese beiden ersten Elemente auf das Innigste miteinander verbunden sein müssen.

4. Indem sich aber die Zeremonien immer weiter ausbreiten und in bestimmte Sühnen und Weihen, Sitten und Gebräuche spezifizieren, um gemäß dem Rechtsverhältnis die Gunst der Götter in den je bestimmten Lebenslagen zu erreichen, ist eine besondere Kaste nötig. Diese macht es sich zur Aufgabe, den Willen der Götter genau kennenzulernen; sie wird so von jedem einzelnen als Mittler zwischen ihm und der Gottheit zur Rate gezogen.


b) Kurze Andeutung der Entwicklung
zur Geistesreligion

5. Die Götter sind eine Projektion des herrschenden Volksgeistes aufgrund jenes überschwenglichen Ahnens von höheren Mächten. Daher muß eine Veredlung des Volksgeistes dem Göttlichen zugute kommen. Da aber die Götter ewig die gleichen bleiben, so kann dieser im eigensten Innern erlebte Umschwung in der Götterwelt nur als ein Kampf verschiedener Götterdynastien angeschaut werden. So werden die Götter aus bösen feindlichen Mächten immer mehr (vermenschlichte) Ideale, die das sittlich Gute wollen, und die Abhängigkeit von ihnen beglückt: Gott wird als Geist aufgefaßt. Hiermit aber tritt das Verhältnis von Gott und Welt als Problem auf, den anthropomorphistischen Polytheismus lösend. In ihrer Reife ist die Religion eine Ansicht, die der sinnlichen Wahrnehmung völlig entgegengesetzt ist: das wahrhaft Seiende liegt jenseits alles Sinnlich-Wirklichen, und dieses ist Mittel zur Annäherung an jenes; der Umschwung zu dieser religiösen Gesinnung die geistige Wiedergeburt; religiöses Leben das höchste praktische Gut, religiöse Erkenntnis das eigentliche Ziel des Denkens.


c) Die Offenbarung und ihr Verhältnis
zum Verstandesdenken


1. Die Offenbarung und die mit ihr
zusammenhängenden Geistestätigkeiten

6. Wir kommen zur Darlegung der formalen Prinzipien der Religion. Wie unsere sinnliche Erkenntnis auf den Gegenstand, so führen wir auch den Inhalt des Religiösen auf ein Etwas zurück. Wie wird dieses Etwas nun aber im geisten Prozeß erfaßt? Die Antwort lautet: durch die Offenbarung. Und was heißt das? Die gemeine Auffassung erklärt: die Götter haben es dem Seher gesagt. Nominell nun würde die Offenbarung so definiert werden: wenn ich jemandem offenbare, so rede nicht ich, sondern etwas, das mich determiniert, zwingt, ist es, das redet. Die Offenbarung ist also der geistige Zustand des Außer-sich-seins, einer höheren Macht unterworfen und wiederum zu derselben erhoben: der Zustand einer besonderen Gärung der Geisteskräfte, der Trunkenheit. bei der sinnlichen Trunkenheit ist die Erschütterung des Geistes sekundär; nur die vorhandenen Vorstellungsgruppen können erregt werden. Die dämonische Erregung, die freilich schon geistig ist und als solche den Geist zu erweitern strebt, vergreift sich in ihrem Objekt, verliert dadurch die Erweiterung und sucht nur sich: das gesteigerte Ungöttliche. In der rein geistigen religiösen Erregung dagegen ist die Seele erweitert, dem Alltagsschlummer entrückt, einem Höheren geöffnet.

7. Nehmen wir das Erzittern dieses innersten, jenseits allen Erkennens liegenden, unsagbaren Kerns der Genialität, so ist Genialität, die den Dingen des Alltagslebens zugute kommt und in gesteigerten Gestalten, Idealen, hervortritt, die je besondere künstlerische Phantasie, Genialität aber, die dem abstrakten Gedanken zugute kommt, philosophische Genialität. Bricht sie aber in unmittelbarer Weise hervor, so haben wir den Zustand der Inspiration, der religiösen Erregung, die sich ja allerdings äußern muß in der je eigenartigen Vorstellungsweise des betreffenden Volkes. Dies ist aber eben der Zustand der Offenbarung.

8. Wodurch aber bezeugt das religiöse Genie die Wahrheit des Offenbarten? Dadurch, daß er es für wahrer hält als sein Leben und sich dafür ans Kreuz schlagen läßt: durch die alles überragende felsenfeste Sicherheit gegen den sinnlichen Menschen Ausdruck findet.

9. Was nun in diesem enthousiasmos erlitten wird, wird aus einem Übersinnlichen als zureichender Ursache abgeleitet, aufgrund eben des Kausalitätsbedürfnisses des endlichen Geistes, das die sinnlichen Dinge den Inhalt dessen wiederholen läßt, was sinnlich erlitten ist. Unser Doppelwesen ist der Grund der zwei Welten.

10. Der objektiv bleibende Niederschlag dessen, was wir Offenbarung und Glauben nannten, ist das Wort Gottes, die Tora der Juden. In diesem Wort steckt latent die Energie jener Entzückung, so daß es auf fruchtbarem Boden hierzu entzündet. ("Das Wort Gottes ist eine Kraft, selig zu machen alle, die daran glauben"). - Vom toten geschriebenen Wort aber ist das lebendige Wort der Rede unterschieden. Dieses ist gleichsam verkörpert in der Kirche. Die Sakramente aber sind symbolische Handlungen in Bezug auf diese religiöse Gemeinschaft. Aber das objektive Wort Gottes in der Bibel und die objektive religiöse Gemeinschaft in der Kirche, beide müssen sich in jedem einzelnen subjektiv beleben in seiner Wiedergeburt, indem er den alten Adam absterben läßt und dem objektiv Gewordenen in sich auch subjektive Wahrheit verleiht. Dem Religiösen ist (gemäß dem Kausalitätsgesetz) das ganze Leben der Kirche ein genauer Abdruck der Transzendenz.


2. Verstandesdenken und Religion

11. Es gibt noch eine zweite Art, zu den religiösen Objekten zu gelangen, nämlich durch bloßes Denken. So hat KANT, auf die Tatsache des kategorischen Imperativs sich gründend, die Religion durch logisches Denken entwickelt ("Theologische Urteilskraft", § 86). Wer nämlich die Tatsache des moralischen Gesetzes anerkennt, der muß zugeben, daß der Zweck der Schöpfung außerhalb der Natur darin liegt, daß das Gute wird; die Natur kann nur Mittel zu diesem Zweck sein. Der Urgrund muß also eines gesetzgebendes Oberhaupt sein, das wir unter allen Prädikaten denken, diewir Gott gewöhnlich zuschreiben. Erst aus dieser Auffassung können wir die Zweckmäßigkeit der Natur verstehen. Weil weiter der höchste Zweck in der gesamten Natur, uns selbst mit eingeschlossen, nicht verwirklicht wird, so müssen wir ein überirdisches Leben annehmen.


3. Verhältnis von Denken und Glauben
hinsichtlich der Religion

12. Wie verhält sich nun das Erkennen zum Glauben, die zweite Quelle zur ersten? Alle Religionen zivilisierter Völker haben sich mit dieser Frage beschäftigt, namentlich auch das Christentum. Das Verstandeserkennen kam zum Glauben hinzu schon in PAULUS' Rechtfertigungslehre. Dann aber trat dies hauptsächlich ein in der Dogmenbildung bei den Kirchenvätern, wo die Ergebnisse der griechischen Philosophie mit der Person und den Lehren des Erlösers in Einklang gesetzt wurden.

13. Wir stellen uns in dieser Frage auf die Seite ANSELMs, der da sagte: der Glaube muß das ursprüngliche sein. Da die sinnliche Welt und die überirdische so absolut heterogen erscheinen, so kann der Mensch, der zunächst nur Bürger der sinnlichen Welt ist, nur durch ein überschwengliches Ahnen über diese hinauskommen, durch die fides qua creditur [der Glaube, mit dem geglaubt wird - wp]. Dieses unbestimmte Ahnen gewinnt allerdings unter dem logischen Denken die feste Einheit eines Systems, wird eine fides quae creditur [der Glaube, der geglaubt wird - wp]. Aber dieses Hinzukommen des Verstandes ist natürich nur von denen zu verlangen, die dazu vermögend sind; von jedem zu fordern ist nur der Glaube. - Wir sagen also mit ANSELM: credo ut intelligam [ich glaube, damit ich erkennen kann - wp], Wir sagen nicht: intelligo ut credam [ich gebrauche den Verstand, um zum Glauben zu kommen - wp]. Wir haben eine fides quae praecedit intellectum, [der Glaube, der dem Verstand vorausgeht - wp], die zur fides quaerens intellectum [Glaube, mit dem verstanden wird - wp] werden kann, soweit das Vermögen eines jeden reicht (vgl. GLOGAU, Das Vorstadium und die Anfänge der Philosophie, Kiel und Leipzig 1895, Seite 4f).

14. Hiermit erkennen wir freilich etwas anderes an als die Scholastiker und schon die patres [Ordenspriester der röm.-kath. Kirche - wp]. Denn jenen war das in den Konzilien Fixierte ein tatsächlich Feststehendes, das nicht betastet werden durfte, diesen das Leben und Sterben des göttlichen Erlösers. Hier wird also nicht die religiöse Gesinnung als solche als Grundlage genommen, sondern die religiöse Gesinnung, wie siie schon in gewissen (zeitgemäßen) Ideen fixiert, tatsächlich geworden war. Weiter aber müssen Tatsachen durch das logische Denken gereinigt und so in irgendeiner Weise aufgefaßt werden, so daß schon die Herausstellung der Tatsachen von der herrschenden Vorstellungsweise sehr abhängig ist. -

15. Der Skeptizismus, der sich zwischen Verstand und das Gemüt stellt, ist nicht imstande, charaktervolle Handlungen zu bewirken. Eine innerliche Bejahung nur, ein religiöser Schwung, ein Willensentschluß, zieht zur religiösen Gesinnung empor. - Geschichtliche Entwicklung der Offenbarung: je nach der Stufe des Volkes fühlt dasselbe das Göttliche als strenge strafende oder als gütige gnädige Macht, der Gott des alten und des neuen Bundes, vermittelt durch die Tat des religiösen Genies.


d) Die religiöse Anlage und ihr Verhältnis
zum Guten, Schönen und Wahren

16. Nachdem wir uns gegen den Rationalismus gewehrt haben, wollen wir uns die religiöse Anlage näher ansehen. Die religiöse Anlage ist identisch mit der Anlage zur Sittlichkeit. Wenn das Natürlich-Egoistische die Richtung hat auf sinnliche Geltung, so ist die Sittlichkeit eine bewußte, selbstlos, freudige Hingabe. Die Möglichkeit zu einer solchen Hingabe sehen wir schon im natürlichen Menschen, z. B. in der unbewußten Aufopferung der Mutter für das ind usw. Die Sittlichkeit offenbart sich zunächst in der Achtung, der Achtung vor anderen und vor sich selbst; das ist aber noch ein negativer Ausdruck: keine Übergriffe machen. Erst die religiöse Steigerung der Sittlichkeit zur hingebenden, uneigennützigen Liebe ist ein voller Ausdruck der Sittlichkeit; der zu verwirklichende Zweck liegt jenseits aller endlichen Wesen, alle sind ihm in gleicher Weise untertan. Der Höhepunkt dieser Liebe ist das: "Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen". Der Zweck, dem sich die Liebe ganz hingibt, gebietet uns im einzelnen konkreten Fall: Du sollst! Dies gibt eine Knechtschaft in Bezug auf das Übersinnliche, dagegen eine Freiheit in Bezug auf das Sinnliche, während die Freiheit des Tieres sich ausweist als Knechtschaft des Sinnlichen. Jene ist Autonomie, diese Heteronomie; Autonomie ist also Ausdruck einer übersinnlichen Weltordnung. Das ist es, was wir als den ideellen Kern des Menschen bezeichnen, der sich als bloße Ahnung jedem im Gewissen offenbart.

17. Die Entwicklung dieses Kerns (des Ideals, der Idee an und für sich) geschieht in vielfacher Richtung. Zunächst erscheint er im praktischen Verhalten als ethisches Gesetz und fordert das Gute. Sodann zeigt sich dem reflektierenden Bewußtsein der Wiederschein der Idee innerhalb der wirklichen Dinge der Natur und der Geschichte als das Schöne. Mit dem logischen Denken erfaßt, ersteht die Idee als das Wahre. Das Gute ist das praktische Eintreten des ganzen Menschen für die Idee, im Gefühl der Idee; das Schöne ist das Anschauen der Idee im Sinnlich-Anschaubaren; das Wahre ist die begriffliche Erkenntnis des im Gewissen unmittelbar Erlebten, im Schönen Angeschauten. Das Religiöse ist die Einheit, das volle Hervorbrechen des ideellen Kerns, der im Guten, Schönen, Wahren auch, aber jeweils eigenartig, hervortritt. So ist das Religiöse die Heiligkeit und Seligkeit, die cognito intuitiva dei [intuitive Erkenntnis Gottes - wp], der amor dei intellectualis [intellektuelle Liebe zu Gott - wp].

18. Die klassischen Völker für das ideelle Leben sind: die Römer für das sittlich Gute (im engeren Sinne, nicht in der religiösen Steigerung), die Griechen für das Schöne und Wahre, die Israeliten für das Religiöse. -


II. Teil
Die religiöse Erkenntnis oder die Lehre von
Gott als dem wahrhaft Seienden

(religiöse Metaphysik)

19. Was hat nun die Philosophie von der religiösen Erkenntnis und dem religiösen Leben zu sagen? Davon handeln der zweite und der dritte Teil. - Der Gegensatz von Schein und einer zu suchenden Wahrheit ist uralt. Wollen wir zur Wahrheit, so müssen wir den schein dialektisch zerstören, damit der Trieb für das Wahre frei wird. Der erste Standpunt nun der Weltanschauung ist derjenige, der das Sinnliche für das wahre Sein nimmt; die Sinnlichkeit entfaltet sich eben zuerst. Auf diesem Standpunkt kann nur der Egoismus herrschen, weil etwas Höheres als das Sinnliche nicht anerkannt wird (und man hat auch wirklich die ganze Ethik, das ganze Rechtsleben aus dem Egoismus abgeleitet). Diese Weltansicht muß von nun als unhaltbarer Schein aufgedeckt werden.

20. Wie lassen sich folgende Tatsachen mit dem Egoismus in Verbindung bringen? Eine Mutter pflegt ihr Kind, von dem sie den sicheren Tod vor Augen hat, mit der größten Aufoperung. Was ist nun Dankbarkeit? Was ist die Aufopferung des Soldaten in der Schlacht? Selbst unseren Feind können wir anerkennen, bewundern. - Wenn dies alles im Grunde Egoismus wäre, so müßten diese Gefühle verschwinden, sobald man sie durchschaut hat. Würde das aber an jemandem bemerkt, so würden alle ihn zum Pöbel zählen, wenn sie in ihrer Theorie auch noch so sehr zum Egoismus neigen würden; es besteht eben vielfach ein glücklicher Widerspruch zwischen Ansichten und Tund bei den Menschen. -

21. Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus lassen sich diese Tatsachen nicht erklären. Dieser Standpunkt reicht nur aus bei der körperlichen Welt, nicht aber bei der geistigen. Denn soweit wir auch die Bewegung der Atome zerlegen: niemals kommen wir auf diesem Weg zur sinnlichen Empfindung oder zum Gefühl, den Elementen des Geisteslebens. Es hilft auch nicht, die körperlichen Atome als zugleich empfindend anzunehmen; denn in der körperlichen Welt ist nur der Begriff der Kraft entscheiden. - Wie steht es dann überhaupt mit der Basis der Naturwissenschaft? Sie sieht den Begriff der Materie als das sinnlich Gegebene an. Dem ewigen Fluß muß ein Ewig-Unveränderliches zugrunde liegen, das fordert die Logik. Die Ganzen sind im Wechsel, also kan in diesen als solchen das Sein nicht liegen. Die kleinsten, das Ganze ausmachenden Teilchen sind das Ewig-Bleibende. Ihre Verbindungen und Scheidungen geschehen gesetzmäßig nach in ihnen liegenden Kräften. - Das ist die Grundlage der naturwissenschaftlichen Auffassung. Ist nun aber die Kraft der Atome auch körperlich? Weiter: das Atom ist zugleich körperlich und unkörperlich (unteilbar). Wie steht es mit der Stetigkeit der Körper? Schon auf dem eigenen Gebiet der Naturwissenschaft bestehen also Widersprüche, sodaß wir von ihr auf Gebieten, die ihr nicht zukommen, keine Belehrung annehmen. - Damit ist der materialistische Standpunkt negativ dialektisch widerlegt. -

22. Was sind denn nun überhaupt die Objekte, die der Naturforscher als sinnlich gegeben ansieht? Sinnlich gegeben sind nur die Empfindungen: rot, süß usw. Erst das allen Menschen gleicherweise eingepflanzte Kausalitätsbedürfnis setzt diese Erleidnisse als Eigenschaften eines sie verursachenden Etwas, eines Dinges, das (anschauende) Bewußtsein lokalisiert sie räumlich-zeitlich; das Objekt ohne Subjekt, das die Naturwissenschaft als das Gegebene ansieht, ist ein X. Daß wir Menschen nun alle gleiche Objekte wahrnehmen, kommt eben daher, daß wir alle Menschen sind, daß wir aber in je bestimmten räumlich-zeitlichen Lagen jeweils Bestimmtes wahrnehmen, wie das kommt, das mag Gott wissen. - Der Geist also ist der Schöpfer der Dinge. Unsere Objekte sind Ausdruck unserer eigenen Schöpferkraft. Damit ist der Materialismus positiv widerlegt (vgl. "Logik und Wissenschaftslehre", § 258-265).

23. Wie ist denn nun aber jene Gebundenheit zu erklären, jener Zwang im Wahrnehmen, Empfinden und Handeln, wenn es nicht ein außernhalb der Vorstellung liegendes, fremdes und zwingendes Etwas sein kann? Unser Interesse, unsere Gesinnung entscheidet darüber, was wir als das Letzte, das Zwingende ansehen, nicht der Verstand; was ich selbst will, was mein ganzes Interesse ausfüllt, das bestimmt meine Überzeugung. Zwei Arten des Interesses gibt es, das am Sinnlicen und das am Guten. Die Weltanschauung aufgrund des ersteren ist widerlegt und auf den Boden des Sinnlichen verwiesen. Das zweite Interesse bezieht sich auf unsere sittliche Bestimmung, das Allergewisseste, was ich habe. Es muß also die Weltansicht, die mit diesem Interesse übereinkommt, festgegründet sein. Dem sittlichen Trieb aber ist die ganze Welt nur Objekt und Sphäre der Pflichten: die sinnliche Welt ist das proteron pros hemas [was zuerst bewußt wird - wp], das ansich Gewisse, das proteron te physei [der Natur nach Früheres - wp] ist unsere sittliche Bestimmung; zu Gott hin strecken wir uns und nehmen unseren Ausgangspunkt von der sinnlichen Gewißheit. - Was also aus der Tatsache des Gewissens folgt, sind notwendige Postulate ("Postulate der praktischen Vernunft", Kant), die wir jetzt des näheren betrachten wollen.


a) Von Gott an und für sich
(Gottes Wesen und Eigenschaften)


1. Das spekulative Erkennen der Religionsphilosophie

24. Das erste Postulat, das aus dem Gewissen entspringt, ist das Dasein Gottes, des Urgrundes des Seins, aus dem die Forderungen des Gewissens hervorgehen; das verlangt das Kausalitätsgesetz. Aber bloße kausale Vermittlungen führen nicht zur Erkenntnis Gottes. Gott als letzte, auf sich selbst ruhende Ursache, die substantia per se concipitur [Substanz ansich begriffen - wp]. Dieses innerliche Erkennen geschieht nur imm eigenen unmittelbaren Erleben: wer sich in Abhängigkeit von Gott weiß und fühlt, erkennt sich (wenn er überhaupt über das rein Unmittelbare hinausgeht) als Erscheinung eines in sich ruhenden ewig gleichen Seins. Hiermit ist aber zugleich die Unmöglichkeit gegeben, lückenlos aus Gott die ganze Erscheinungswelt abzuleiten, die Unzulänglichkeit aller Theosophie und Theogonie, wozu von jeher der menschliche Geist sich gedrungen fühlt. Wir können nur stammelnd die wirklichen Dinge mit der durch sich selbst gewissen höchsten Idee in Verbindung zu bringen suchen.

25. Dies geschieht im spekulativen Erkennen. Die Spekulation entspringt also aus berechtigten Motiven, entzieht sich aber mit Bewußtsein den Forderungen des empirischen Erkennens auf eine strenge Kausalbeziehung; die spekulative Weltbetrachtung ist aber immer sittlich. Spekulativ also kommen wir zu der uns möglichen Erkenntnis Gottes.

26. Wie die Mathematik, deren Ergebnisse so unterschütterlich sind, von durch sich selbst klaren, ursprünglichen Anschauungen, den Axiomen und von Postulatsätzen ausgeht, so müssen auch wir in unserer Untersuchung von etwas Unmittelbarem, durch sich selbst Gewissem, mit unserer eigensten Natur Gegebenem ausgehen. - Die Geometrie fordert: zieh diese Linie! Bist Du imstande, dies in richtiger Weise zu vollziehen, so wirst Du unmittelbar diese und jene Eigenschaften einsehen. Genauso fordert die Religionsphilosophie: Geh in Dich und erfasse Dich selbst. Bist Du überhaupt dazu berufen, in unsere Lehren mit einzudringen, so wirst Du ohne Frage unmittelbar folgendes in Dir finden Ich gehöre der Endlichkeit an, dem Wechsel. Ich wechsele mit der Zeit, mein Bewußtsein hat einen Anfang, hat ein Ende. Ich gehöre der Unendlichkeit, dem Seienden an; denn alles, was in mir wechselt, wechselt eben in mir, dem Bleibenden. Ich kann mich aber als solches Bleibendes nur dadurch erfassen, daß ich mir bewußt bin, daß ich einem höchsten Ganzen als Glied eingefügt bin. Nur dadurch, daß ich mich ahnend in der Unendlichkeit verliere, erfasse ich mein unendliches Wesen. - So kommen wir zu dem merkwürdigen Grundsatz: "Ich bin nicht Ich, obwohl ich Ich bin; ich bin gesetzt durch das, was da in Wirklichkeit ist." - Das ist der Boden, auf dem die Religionsphilosophie baut, und die Vollziehung dieser Grundhandlung ist die Voraussetzung für alle jetzt folgenden Entwicklungen. Das in Wirklichkeit Seiende ist eben dasjenige, was wir mit dem Namen Gott meinen. -


2. Die Eigenschaften Gottes

27. Wir können von Gott Eigenschaften aussagen, einmal, indem wir uns der Unendlichkeit von außen gegenüberstellen und sie mit unserer Endlichkeit vergleichen, sodann, indem wir, soweit es uns möglich ist, uns in das innere Leben der Gottheit versenken und, ihr Leben in unserem innersten Sein mitlebend, uns der Eigenschaften bewußt werden. So unterscheiden wir äußere und innere oder wesentliche Eigenschaften.


α) Die äußeren Eigenschaften Gottes

28. Die äußeren Eigenschaften sind wesentlich negative Prädikate. Sie scheiden sich in metaphysische und logische.

29. In metaphysischer Hinsicht ist Gott das Absolute, der Seier, wie die Juden sagen, oder nach SPINOZA die substantia, die in se est et per se concipitur [real und ansich begriffen - wp] und deshalb nicht durch äußere Vorstellungen erkannt werden kann, die absolute Sonne, aus welcher und durch welche alles ist. Insofern Gott die Ursache des Alls ist, ist er allgegenwärtig; weil alles aus ihm ist und deshalb in seiner Hand steht, ist er allmächtig; weil alle Weisheit der Welt nur Erscheinung, gebrochener Strahl des Urgrundes sein kann, ist er allweise. So ist er die Weisheit, das Leben. -

30. Ist Gott die Wahrheit, so ist er in logischer Beziehung die summa veritas per se subsistens [die höchste Wahrheit als Selbstseiender - wp]. Er ist der Ort, in dem die Ideen ihr reines Sein, ihre Begründung haben. Denn die Ideen sind nicht bloß Begriffe, wie der Fernstehende meint, sondern sie haben Sein, aber in voller Reinheit nur in Gott, im höchsten Sein. (Wir stehen somit auf dem Standpunkt der mittelalterlichen Realisten, nicht der Nominalisten.) Weil der Mensch aus Gott ist, so müssen auch die in ihm lebenden Ideen aus Gott sein. -


β) Die inneren Eigenschaften Gottes,
sein Wesen.

31. Indem wir jetzt zu den inneren Eigenschaften Gottes, die sein Wesen ausmachen, übergehen, stellen wir folgende Betrachtungen an. Wir verwerfen es als eine vermenschlichende Vorstellung, wenn die Scholastiker sagen, Gott drücke per ementiam das aus, was der Mensch ist, er sei der allerverständigste, der allgütige usw. SPINOZA hat gezeigt, wie diese Prädikate gar nicht auf Gott passen. Können wir denn wohl bei Gott von einem Willen sprechen? Dem menschlichen Willensentschluß geht immer eine Einsicht voraus: Zuerst mußt Du etwas erkennen, ehe Du es wollen kannst. Diese Scheidung geht aus der endlichen Beschränktheit hervor, kann also bei Gott nicht stattfinden. Daher leugnet SPINOZA (und ich mit ihm) von Gott, was wir Wille und Intellekt nennen; solche Prädikate sind bloße Vermenschlichungen.

32. Wir fragen weiter: Ist Gott ein Geist oder ist er mit Materialität behaftet? Materialität ist Erscheinung, Auffassungsweise des Bewußtseins. Insofern nun Gott Anschauungen hat, wie der Mensch, hat er Materie; der tote Stoff der Naturwissenschaft ist dagegen ausgeschlossen. Wir müssen also sagen: Gott ist ein Geist.

33. Weil wir Gott vorhin einen menschlichen Intellekt und Willen abgesprochen haben, so liegt die Annahme nahe, Gott als unbewußten Geist anzusehen. HARTMANN zeigt dementsprechend, wie überall alles Weiseste und Beste aus dem Unbewußten hervorgeht. Indessen, was wir in unserem endlichen Sein unbewußte Zustände nennen, das sind Hemmungen und Schranken eines bewußten Geisteslebens. Ich kann nur eine ganz beschränkte Zahl von Gedanken im Augenblick lebendig haben, aller übrige Inhalt meines Innern bleibt unbewußt; das ist eine Folge der hemmende Beschränktheit des endlichen Wesens. Diese Hemmungen fallen selbstverständlich im Unendlichen fort und es ist deshalb hier nicht gestattet, von einem Unbewußten zu reden. Wir müssen im Gegenteil, im Vergleich zu unserem endlichen Bewußtsein, von einem Über-Bewußtsein sprechen.

34. Worin sollte auch wohl die Geistigkeit eines von Natur unbewußten Lebens des Unendlichen bestehen; da wäre ja nichts Geistiges, sondern bloß blinder Drang. - Bei einem endlichen Wesen können wir sehr wohl begreifen, wie in ihm neben dem bewußten Zustand unbewußte existieren können und müssen. Denn das endliche Wesen hat nur ein kleines Stückchen der Wirklichkeit als klare Erkenntnis in sich. Es trägt aber den Kern des Absoluten in sich, und weil es denselben nicht zu durchdringen vermag, so kann dieser Kern dem individuellen Geist als etwas Unbegreifliches erscheinen. Allerdings, je älter wir werden, umso mehr hellen wir das auf, was als drängende Ahnung von Anfang an in uns existiert. Aber alles können wir nicht durchdringen; sonst wären wir Gott. - Unbewußtheit also, um es noch einmal zu sagen, ist Schranke, Hemmung. Wenn daher, wie HARTMANN nachweist, die Tatsachen zeigen, daß ein unbewußter Instinkt das Beste für unser Tun hergibt, daß die Natur sehr weise ist, aber ohne Bewußtsein, so ist das Ausdruck des Über-Bewußten der Substanz, die uns in sich hegt, aus der wir sind, von der wir aber das Wenigste und nur in höchst determinierter Weise zur Klarheit bringen können. - So müssen wir also das Unendliche als überbewußte Geistigkeit bezeichnen.

35. Hier taucht nun die weitere Frage auf: Sollen wir dieses Wesen des Unendlichen als Persönlichkeit bezeichnen? Gott ist Einer, ist schaffende Macht. Diese schaffende Einheit aber bedingt noch keine Persönlichkeit. Denn was nennen wir in der Endlichkeit Persönlichkeit? Ein Selbstbewußtsein, das sich kraft dieses Selbstbewußtseins unterscheidet von anderen Personen wie von Dingen. Dies kann aber, wie klar ist, in Gott nicht sein (hierbei blieb SPINOZA stehen) Aber vielleicht muß man sagen, daß Gott sich in sich selbst unterscheidet. Denn wäre Gott ein unbewegliches, nie sich änderndes starres A, das alles, was seinen Inhalt ausmacht, auf einmal anstarrt, und in seinem Anstarren verhaart, dann hätte er weder ein Leben in sich, noch würde er die Welt schaffen. Sobald wir nun aber von Gott ein Abrollen seines Inhalts unterscheiden, so hat er für sich eine Lebendigkeit, die über die substantia des Spinoza hinausgeht.

36. Dieser Begriff ist uralt. Die Eleaten freilich bleiben mit ihrem Einen, Unbeweglichen bei SPINOZAs unpersönlicher Substanz. Aber schon PLATO untersucht die (dialektische) Lebendigkeit des Urgrundes, der deshalb eine Persönlichkeit in einem eminenten Sinn zugestanden werden muß. - Dasselbe tut die christliche Religion in der Dreieinigkeitslehre. Freilich erst im Johannesevangelium findet sich der Versuch, sich GOTT in sich lebendig zu denken. Dies geschieht aufgrund jener platonischen Anschauung im Parmenides und Sophistes, die in Alexandrien mit dem jüdischen Messiasbegriff zusammengegangen sind und die logos-Lehre hervorgerufen haben. Der ursprüngliche alexandrinische spekulative Begriff des logos aber ist in der Entwicklung der Kirche stets lebendig geblieben. So unterscheidet die Mystik den historischen Christus von dieser Geburt des lebendigen Christus im Einzelnen; die ganze Mystik ist bestrebt zu zeigen, wie Gott zu Gott wird, indem er sich selbst gebiert. Die neueren Versuche, die Trinität [Dreifaltigkeit - wp] sinnvoll zu deuten, kommen nicht über die älteste Religionsphilosophie ANSELMs hinaus: Die memoria, das Primitivbewußtsein, ist die erste Person Gottes, das Sich-denken Gottes; das Bewußtsein des Bewußtseins, die intelligentia, ist die zweite, und der Drang, sich in der Trennung der memoria und der intelligentia sich nicht zu verlieren, die Liebe des Sohnes zum Vater, der amor, ist die dritte Person, der heilige Geist. Das ist die innere Trinität Gottes, zu welcher nach dem Fleischwerden des Sohnes die äußere hinzukäme; hier wäre der Sohn das Licht der Welt, der heilige Geist aber die Gemeinschaft des göttlichen und des menschlichen Geistes. - Wir fassen also die Trinitätslehre so: der Vater ist es, aus dem alles wird, der Sohn, durch den alles wird, der heilige Geist, zu dem alles wird. Wir wissen aber, daß dies schließlich nur Symbol ist, für die in Gott zu denkende innere Lebendigkeit. Allerdings werden wir bald sehen, wie sich dieses Symbol doch recht weit ins Einzelne verfolgen läßt, wie hier der Zentralpunkt aller Theosophie und aller Lehre von der Weltschöpfung getroffen ist.

37. Nun sei noch zum Schluß ein kurzer Blick auf die sogenannten Beweise Gottes geworfen. Es werden unterschieden:
    1. der ontologische Beweis (Descartes, Anselmus)

    2. der kosmologische Beweis (Leibniz),

    3. der physiko-teleologische Beweis,

    4. das moralisch-praktische Argument (Kant) und

    5. das Argument e consensu gentium [allgemeine Übereinstimmung - wp].
Jedes dieser Argumente hat etwas sehr Berechtigtes und Tiefes, vorausgesetzt, daß sie nicht beanspruchen, die Gottesidee zu schaffen; denn das kann nur jene Grundhandlung tun. - In ihrer Vereinzelung aber hängt diesen Beweisen etwas Philiströses an.


b) Gott in seinem Verhältnis zur Welt
(Schöpfung, Erhaltung, Regierung der Welt)


1. Der Schöpfungsbegriff

38. Nicht in der isolierten Gottesidee besteht die Religionsphilosophie, sondern darin, daß wir rückwärts das Geschaffene in das Licht des Schaffens rücken. Die ganze Umwälzung nun des geistigen und sittlichen Lebens durch die Religion hängt auf das Innigste zusammen mit der Betrachtung, die wir jetzt anstellen, über den Schöpfungsbegriff. Die Motive, aus denen Schöpfungsbegriff entspringt, sind tief ethischer Natur. Der Schöpfungsbegriff ist notwendig, sobald man nicht bei der Welt als dem Letzten stehen bleibt, sondern, wie wir es getan haben, einen außerweltlichen Gott setzt.

39. Weshalb wir nicht bei der Welt stehen bleiben können, haben wir schon gesehen, wollen es aber noch einmal auf folgende Weise darstellen. Wir mögen die Welt naturwissenschaftlich, wir mögen sie fichtisch ansehen: was die Welt in sich trägt, kommt nur stückweise heraus, sie ist ein Prozeß der Notwendigkeit, strenger Kausalität, der namentlich alles, auch das Schönste, in unbarmherzigerweise zerreißt, einen Greuel der Verwüstung scheut, wenn Neues entstehen soll. Dieser Prozeß aber geht vom Niederen zum Höheren. Blieben wir also bei der Welt stehen, so müßten wir für möglich halten, daß das Unvernünftige der Vater der Vernunft, das Beste nicht das Erste, sondern das Letzte ist. Das widerspricht aber dem Kausalitätsgesetz, wonach die Wirkung nicht mehr in sich enthalten kann, als die Ursache: was keine Vernunft in sich enthält, kann auch keine aus sich erzeugen.

40. Wie kommen wir nun aber zum Schöpfungsbegriff? Wenn wir die Natur nicht als das Letzte ansehen, sondern uns selbst, unser sittliches Wesen, besser wissen als die ganze Natur, so sinkt diese herab zum Mittel, zum Mittel dafür, daß ich werde, was ich werden soll. Meine Bestimmung aber ist die Ebenbildlichkeit Gottes. So kann die Verflechtung des menschlichen Geistes in den Naturzusammenhang nur die Bedeutung haben, daß sie die Anregung hergibt für die Herausschälung und Entwicklung des im menschlichen Geist keimhaft liegenden sittlichen Wesens. Ich bin Selbstzweck, die Ebenbildlichkeit Gottes, die Welt ist bloß Mittel. Die Einsicht in dieses Verhältnis reinigt den menschlichen Geist. Jetzt ist Gott, das Beste, auch das Erste, und alle Dinge müssen denen, die Gott lieben, zum besten dienen. Jetzt ist das Vollkommene nicht mehr das Letzte, sondern der absolute Geist liegt gar nicht in dieser Reihe der Weltentwicklung, sondern außerhalb der Welt, die seine Schöpfung ist.

41. Was trieb denn nun Gott zur Schöpfung der Welt? Ihm fehlte doch nichts. Nur aus der Tiefe unserer sittlichen Selbsterkenntnis können wir den Grund schöpfen; die Tatsache der sittlichen Liebe gibt den Leitfaden. In der (sittlichen) Liebe mache ich mich Dir zum Mittel, weil in in Dir das Vollkommene erblicke, dem ich mich zum Dienst weihe. Die sittliche Liebe ist gegenseitige Hingabe, die unser Wesen läutert und doppelt. Ich verliere mich und gewinne mich durch dieses Verlieren; jeder macht sich zum Mittel des andern und wird selbst zum Zweck gemacht. Liebe ist somit eine Freude am Wachsen des andern und zweitens eine dadurch erhöhte eigene Seligkeit. So aber müssen wir uns das Motiv der Schöpfung denken: aus Freude an fremder Freude schuf Gott die Welt, aus Liebe. Wir finden uns ohne Verdienst vor uns sollen uns ihm wieder hingeben in freier Hingabe. Wie Gott sich uns zum Mittel macht, daß die endlichen Geister werden, so sollen wir uns ihm wieder zum Mittel machen; Gottes eigene Seligkeit erhöht sich, indem das Werk gelingt.

42. Diese tief ethische Fassung allein begründet den Schöpfungsbegriff. Deshalb ist er auch bei den heidnischen Völkern nicht zu finden und die Griechen kommen z. B. über den rohen Begriff der Zeugung nicht hinaus. Worauf es aber ankommt: es liegt unserem Schöpfungsbegriff die Anschauung eines dauernden Wechselverhältnisses zwischen Gott und dem Menschen zugrunde. Nicht passiv, wie ein totes Gefäß sind wir geknetet, sondern erschaffen, um mitzuwirken am Zweck der Weltschöpfung, zur Erzeugung des gottgewollten, der Schöpfung zugrunde liegenden Plans in eigener Hingabe.

43. Die christliche Religion verfolgt das Wechselverhältnis nur in praktischer Hinsicht, auf Seiten des Menschen; auf Seiten Gottes gibt sie vorsichtig nur die symbolische Andeutung der Trinität. Anders die Theosophie. Sie untersucht kühn, der nüchternen praktischen Religion gegenüber, auch die zweite Seite. Theosophen gab es schon vor Christus, aber am tiefsten erst im Mittelalter: die deutsche Theologie, JAKOB BÖHME. Diese lehren: durch die Schöpfung der Welt wird Gott erst voll zu Gott; denn dadurch erst erhlt seine Liebe und Gnade einen Gegenstand in der geschaffenen Welt.

44. Woraus, so fragen wir weiter, schuf Gott die Welt? Die Antwort des Monotheismus lautet: aus Nichts. Es war über Gott kein Fatum, keine über ihm wogende Materie, die z. B. PLATO noch voraussetzt. Aus Nichts, das heißt allein aus sich. So ist die Welt also durch und durch göttlich. Es haftet ihr nicht der Schmutz der gegenständlichen Materie an. An dieser gegenständlichen Materie krankt noch das ganze Altertum. Wer sich aber tragen läßt von der kantischen Anschauungsweise, dem hört der Schmutz der Materie auf.

45. Wir können Gottes Schaffen nach Analogie mit dem Schaffen des Dichters [dilt] auffassen: Gott rief, was potenziell in seinem Innern war, ins Dasein, stellte es sich gegenüber. Doch ist diese Analogie nur halb: der Dichter bedarf eines Stoffes, um, was er in sich trägt, darzustellen. Alle Analogie versagt hier eben: wie ein Etwas aus dem Nichts erhoben werden kann, dafür kennen wir nichts Entsprechendes. Die Analogie wird jedoch immer wieder versucht. Während die heidnischen Völker beim rohen Begriff der Zeugung stehen bleiben, gibt die monotheistische Spekulation die treffendste Analogie: Verhältnis des Sprechenden und des Wortes; denn das lebendige Wort des Sprechenden erweckt Leben.

46. Unserer monotheistischen Fassung gegenüber stehen die anderen des spinozistischen Pantheismus, des englischen Deismus und des Atheismus. SPINOZA entkleidet die Welt aller Selbständigkeit: sie ist bloßes Akzidenz [Beiwerk - wp] der göttlichen Tätigkeit. Demgegenüber will meine Auffassung eine gewisse Selbständigkeit der Welt aufrechterhalten, die Transzendenz Gottes und seine Immanenz in Bezug auf die Welt vereinigen. Behauptet SPINOZA die Immanenz Gottes, so betonen die englischen Deisten die Transzendenz: Die Welt ist von Gott gemacht und nun wickelt sie sich ab nach den hineingelegten Naturgesetzen, ohne Gottes besondere Tat. Überspannt der Spinozismus einseitig die Erkenntniskraft des Geistes (die Welt muß mit Gott völlig identisch sein, wenn ich nur Gott richtig erkenne), so überspannt der Deismus den Freiheitsbegriff (Gott darf nach der Schöpfung nicht mehr in den Weltlauf hineinsprechen, weil sonst Naturgesetze und ein freies Handeln des Menschen unmöglich wäre). Beide Ansichten münden in den Atheismus, der die Identität von Gott und Welt in der Weise durchführt, daß er den Geist als bloßes Nebenprodukt der Materie ansieht, also Gott und Materie identifiziert. Von deistischer Seite geht der Weg in den Atheismus folgendermaßen: wenn die Natur ihr Geschehen ansich und der Mensch sein Handeln durch sich unabhängig von Gott hat, was soll ich dann eigentlich mit dem Begriff Gottes.

47. Wenn also der Pantheismus durch die strenge Notwendigkeit der Substanz die Selbständigkeit der Welt ganz und gar aufhebt und der Deismus sie zu sehr verselbständigt, so unterscheidet sich eben hierin unser Schöpfungsbegriff, daß er beiden Seiten, Gott und Welt, ihr Recht zu lassen sich bestrebt. Er hält den wirklichen Unterschied zwischen Gott und Welt fest und sucht doch die engste Verbindung herzustellen. Nach ihm ist Gott nicht an und für sich eins mit der Welt, sondern nach der religiösen Auffassung will und kann Gott allerdings eins werden mit dem endlichen Geist. Indem so Gott und Welt sich gegenüber eine relative Selbständigkeit behalten, so ist auch das Sich-Auflehnen gegen Gott, die Sünde, erklärbar.


2. Die geschaffene Welt im Licht
des Schöpfungsbegriffs

48. Wie stellt sich nun unsere Anschauung von der geschaffenen Welt dar? Als das Ziel der Schöpfung ist von uns jene Liebesgemeinschaft gefaßt, in der der Mensch zur Ebenbildlichkeit Gottes emporringt. Wir haben ferner gesehen, daß, was wir die Außenwelt, das reale Sein nennen, gar nicht auf eigenen Füßen steht. was wir die reale Welt nennen, ist zunächst eine notwendige äußere Anschauung eines Anschauenden. Nun ist allerdings diese äußere Anschauung notwendig entsprungen aus Gründen, die gar nicht in unserer Hand liegen, also unserer Willkür entrückt sind: sie hat einen Sinn in theoretischer und praktischer Bedeutung, sie ist ein phaenomenon bene fundatum [wohlbegründete Erscheinung - wp] (LEIBNIZ). Ich leugne also gar nicht weder das Dasein der Sinneswelt noch ihre gute Begründung. Ich sage nur: die breiten Flächen usw., die Du wahrnimmst, haben keine Realität für sich, sondern existieren nur in Dir, dem Anschauenden, nur das innere Wesen ist. Dementsprechend sage ich (mit LEIBNIZ und FICHTE) weiter: Der Schöpfungsakt bestand in der Erschaffung endlicher Geister, die endlichen Geister allein sind das Existierende, die Dinge sind sekundär, wir schauen die Dinge in Gott. Die Fülle der endlichen Geister ist von vornherein in bestimmte Zusammenhänge und Wesensbeziehungen gestellt, die die göttliche Innerlichkeit wiederholen. Jeder der endlichen Geister erlebt diesen explizit gegebenen Schöpfergedanken implizit, indem er sich dem Zusammenhang hingibt. Auf der niedersten Stufe erscheinen jene Wesensbeziehungen, die Welt, als bloße sinnliche Anschauung, in einem unverstandenen Zusammenhang auf mich wirkend. Durch die Tat des erkennenden und handelnden Menschen aber schwindet diese Welt der Anschauung und vertieft sich mehr und mehr und wird verinnerlicht bis zu dem Satz: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde.

49. Wenn wir die sogenannte Außenwelt als ein Kapitel ansehen, von dem, was im Zusammenhang der Geister geschieht, in der sich die inneren Beziehungen der Geisterwelt äußerlich darstellen, so sehen wir die Möglichkeit unendlich verschiedener Seinsweise. Da ist neben der des Menschen die des Wurms, der Pflanze usw. Diese verschiedenen Seinsweisen der sinnlichen Welt weisen auf die Existenz von (uns unbekannten) Seinsweisen, die höher als die des Menschen liegen. (Man vgl. hierzu GLOGAU, "Logik und Wissenschaftslehre", § 269)

LITERATUR Gustav Glogau, Vorlesungen über Religionsphilosophie, [nach einem Stenogramm im Auszug hg. von Hans Clasen] Kiel und Leipzig 1898