HorkheimerW. StarkP. SzendeMH | ||||
Der neueste Angriff auf die Metaphysik [1/2]
Sie lassen sich aber nicht begründen, ihre Behauptung gerät fortwährend mit dem Denken in Konflikt, das sie stützen soll. Dies zeigt sich in zwei verschiedenen geschichtlichen Prozessen: in der gegenseitigen Destruktion der metaphysischen Systeme und in einer Ausmerzung ihrer Begriffe aus der vorhandenen Wissenschaft, in welcher die von der Metaphysik in Anspruch genommene natürliche Vernunft ihre eigentliche Stätte hat. In den wissenschaftlichen Lehrbüchern des 20. Jahrhunderts ist nur wenig von der Substanz als solcher, wenig vom Menschen und von der Seele, gar nicht von einem Sinn die Rede. Die Wissenschaftler hegen auch keineswegs die Vorstellung, daß ihre Theorien etwa aus logischen Rücksichten der Lehren über solche Gegenstände als Voraussetzung oder auch nur als Ergänzung bedürften. Sie sind im Gegenteil damit beschäftigt, ihre Entwürfe selbständig, ohne Hilfe der Metaphysik, auf immer einfachere Prinzipien zurückzuführen, metaphysische und moralische Kategorien haben in ihrer Ansicht keinen Platz. Dies bedeutet nicht, wie man zuweilen meint, daß die Wissenschaft eine eigene Welt hinter der wirklichen erreicht, so daß schließlich die Beziehung zwischen beiden ganz verschwindet oder verhüllt ist. Die mathematischen Formeln, in denen die physikalischen Vorstellungen formuliert sind, enthalten vielmehr die Erkenntnis, die aufgrund der entfalteten Technik mit den geschärften Instrumenten und den verfeinerten, rationalisierten Rechenmethoden über die Körperwelt als isolierte Sphäre bis jetzt erreicht ist. Die Kompliziertheit des Zusammenhangs zwischen der Welt der Wahrnehmung und der Physik schließt nicht aus, daß er jederzeit nachgewiesen werden kann. Die gegenwärtige Wissenschaft ist das Wissen, das die gegebene Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit der Natur entwickelt hat. In der Gegenwart, in der die herrschenden gesellschaftlichen Formen weitgehend zu Hemmungen der menschlichen Kräfte geworden sind, bieten gerade die abstrakten Zweige der Wissenschaft, Mathematik und theoretische Physik, die vornehmlich verzerrte Erkenntnis als der unmittelbar mit dem Leben zusammenhängende Wissenschaftsbetrieb, dessen Nützlichkeit seinen realistischen Charakter scheinbar jedem Zweifel enthebt. Obgleich nun die Wissenschaft die Erkenntnis über die Natur formuliert, mit der diese Gesellschaft es zu tun hat, fahren die Menschen fort, sich der alten Denkformen weiter zu bedienen, die in der Theorie erledigt sind. Erschienen sie in der wissenschaftlichen Arbeit bloß als überflüssig, so stünde dieses Beharren nur zum Prinzip der Denkökonomie, diesem Kennzeichen des bürgerlichen Geistes, im Widerspruch. Aber in der Wissenschaft stellt sich die Nichtigkeit vieler solcher Wesenheiten heraus. Wie die Begriffe des absoluten Raums und der absoluten Zeit sind auch andere metaphysische Kategorien als unhaltbar erwiesen worden. Auch die Vorstellungen der Substanz, der Kraft, der *Kausalität, der Seele, des seelisch-leiblichen Zusammenhangs sind zumindest in ihrer traditionellen Fassung mit den heutigen theoretischen Verfahrensweisen in Konflikt geraten, ohne daß doch die Struktur des allgemeinen Bewußtseins sich deshalb verändert hätte. In der Tat ist dieser Zustand bloß die äußerste Fortsetzung eines Widerspruchs, der sich durch die neuere Periode hinzieht. Das öffentliche Bewußtsein des Bürgertums und seine Wissenschaft haben noch nie recht zueinander gepaßt. Die religiöse Idee einer ursprünglich gesetzten Ordnung aller Dinge, in der auch der Mensch seine Stätte hat, ist schon in der Wissenschaft des siebzehnten Jahrhunderts aufgegeben. Soweit der Mensch bei DESCARTES nicht ein bloßer Mechanismus ist wie das Tier, eine Sammlung von blind umgetriebenen Korpuskeln, besteht sein Wesen im bloßen Denken, im Ich, über das die cartesische Wissenschaft selbst so wenig auszusagen vermag wie KANT über das Ich der reinen und ursprünglichen Apperzeption, nämlich das alles, was wir wissen, eine notwendige Beziehung darauf hat. Im Übrigen wurde dieser höchste Punkt der Philosophie, dieser Grundbegriff der neueren Weltanschauung, mehr dem Glauben überlassen als der Wissenschaft, welches nichts damit tun kann. Auch die Psychologie führt nicht aus dem blinden Spiel der Materie heraus. Sie hat sich schon früh als eine Lehre vom Ablauf der Affekte konstituiert, die nach DESCARTES so wenig zum Wesen des Ich gehören, daß sie es vielmehr bloß stören und zu vernichten drohen. Wenn die Metaphysiker seit Jahrhunderten fortfahren, davon zu reden, daß eine Seele existiert, die ethischen Geboten unterworfen ist und ein ewiges Schicksal hat, so verraten sie ihre Unsicherheit allein schon durch den Umstand, daß ihre Systeme an den entscheidensten Stellen durch bloße Meinungen, unwahrscheinliche Behauptungen und Fehlschlüsse geflickt sind. Sie drücken dabei das widerspruchsvolle Bewußtsein der Gebildeten nach seinen verschiedenen Gestalten aus. Die wissenschaftliche Erkenntnis des Zeitalters wird formell für richtig gehalten; zugleich wird in metaphysischen Ansichten fortgefahren. Die Wissenschaft als Spiegel der sinnlosen Realität in Natur und Gesellschaft hätte die unbefriedigten Massen und das denkende Individuum einem gefährlichen und verzweifelten Zustand überlassen, weder im eigenpsychischen noch im öffentlichen Haushalt war ohne eine überwölbende Ideologie auszukommen. So hielt man beides, Wissenschaft und metaphysische Ideologie, nebeneinander aufrecht. Das ganze neuere Denken hat sich mit diesem Widerspruch abgemüht. Schon die traditionelle, vom Mittelalter überkommene Aufgabe der Philosophie bestand darin, die in der Religion enthaltene Weltauffassung mit den Mitteln der bloßen Vernunft, d. h. wissenschaftlich zu konstruieren. Die cartesianische Lösung mit den zwei Substanzen herrscht heute noch im allgemeinen Bewußtsein als plausibelste Auskunft vor. Danach gibt es einerseits die Sinnenwelt, mag diese nun realistisch oder spiritualistisch gedeutet werden. In ihr lassen sich Regelmäßigkeiten beobachten und errechnen, sie existiert jedoch nicht durch sich selbst und ist der allgemeinen Vergänglichkeit anheimgegeben. Andererseits ist der Mensch ein geistbegabtes Wesen und nimmt an einer höheren Ordnung teil, sei es nun, daß sein Charakter und seine Taten als ein Ausfluß transzendenter Mächte und Entscheidungen angesehen werden, sei es, daß sie transzendente Konsequenzen haben; jedenfalls gehört der Mensch mit seinem eigentlichen Sein anderen Zusammenhängen als der natürlichen oder bloß menschlichen Geschichte an. So war der Glaube an einen Sinn mit der Wissenschaft verbunden. Ihre Beobachtungen und Theorien zu leugnen, war ohnehin absurd. Ihre Lehrgebäude sind selbst nichts anderes als die verfeinerte Erfahrung des bürgerlichen Individuums. Aber diese Gesellschaft kann auch der Jllusion nicht entraten. Metaphysische Jllusionen und höhere Mathematik bilden gleichermaßen Elemente ihrer Mentalität. Die Philosophie bezeichnet bloß den kulturellen Ort, an dem die Bestrebungen, beides notdürftig zusammenzubringen, systematisch betrieben werden. Jeder Gelehrte, ja in gewissem Maß jeder Angehörige der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt, vollzieht für sich irgendeine Lösung des Problems oder hat es doch unbestimmt im Hintergrund des Bewußtseins. Man braucht sich bloß in die Denkwürdigkeiten und Biographien der typischen Vertreter dieser Epoche versenken. Bei den exakten Wissenschaftlern pflegt mit zunehmender Isolierung ihrer Interessen die Naivität der Lösungen in einem krassen Mißverhältnis zur Differenziertheit ihres wissenschaftlichen Verfahrens zu stehen. Der Schöpfer der Quantentheorie, MAX PLANCK, ist aufgrund seiner wissenschaftlichen Erfahrung von der durchgängigen Bedingtheit allen Geschehens, auch in der "Geisteswelt", durch natürliche Vorgänge überzeugt. Andererseits mag er den metaphysischen Begriff der Willensfreiheit nicht entbehren, die moralischen und politischen Auffassungen, zu denen er sich bekennt, setzen ihn voraus. Seine Lösung lautet:
Die verschiedenen Versuche der Harmonisierung lassen sich nach den zwei Extremen hin gruppieren: das eine ist die Behauptung der Wissenschaft als der einzig möglichen Erkenntnisform, vor der die Reste metaphysischen Denkens in zunehmenden Maß zu verschwinden haben, das andere die Bagatellisierung der Wissenschaft als einer durch untergeordnete Belange der menschlichen Existenz bedingten intellektuellen Technik, von der sich die wahre Einsicht emanzipieren muß. Romantischer Spiritualismus, Lebensphilosophie, materiale und existentiale Phänomenologie sind die typischen Richtungen dieser wissenschaftsfeindlichen Ansicht in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Als Ausläufer der Religion bewahrt auch die neue Metaphysik den Glauben, daß der Mensch von sich und für sich mehr erwarten darf als sein gegenwärtiges Schicksal unter den Verhältnissen der bestehenden Welt. Sie ist der Ausdruck des Ungenügens an dem, was der Mensch jetzt gilt und von sich erfährt. Worin diese Geltung besteht, die das metaphysische Denken zu kompensieren strebt, ist rasch erklärt. Das tritt hervor, sobald einer ohne Geld, Beziehungen, großen Namen, ohne zu den Mächtigen zu gehören oder ihnen wenigstens angenehm zu sein, eben bloß als Mensch mit allen Möglichkeiten des Menschen dasteht. Dann wird er gewahr, daß nichts weniger bedeutet als die Berufung auf eben diese Qualität, sie steht so nieder im Kurs, daß sie nicht einmal notiert wird. Die strenge Wissenschaft, die für den Begriff des Menschen höchstens im Sinne der Biologie Verwendung hat, spiegelt sein Schicksal in der Wirklichkeit, ansich ist der Mensch bloß ein Exemplar. Die Qualität der Menschheit begründet im öffentlichen Geist nicht den Anspruch auf Dasein, ja nicht einmal auf einen Aufenthalt. Die besonderen sozialen Umstände, deren es zur Begründung des Anspruchs bedarf, werden durch den Vorweis von Papieren dokumentiert. Wenn diese nicht genügen oder gar nicht vorhanden sein, ist der Mensch im besten fall ein Fremder und erfährt die Antwort auf seinen Anspruch an jedem Schalter, vor dem er erscheint. Die Kategorie des Fremden ist nur die andere Seite des bürgerlichen Selbstinteresses, und von den freien Städten im Mittelater über landesherrliche Territorien und über Nationalstaaten bis zu den feindlichen Massenheerlagern, zu denen die Vaterländer nun geworden sind, wurden beide Momente nicht in einer neuen Einheit aufgehoben. Das ich des Bürgers hat den Fremden sich gegenüber als sein ihn bestimmendes Gegenteil. Jener weiß von sich als von einem, der nicht irgendeiner ist. Irgendein Mensch ist etwas Verächtliches. Weil aber in der Warengesellschaft die Gleichheit aller trotz dieser Besonderung jedes einzelnen mit zum gemeinen Bewußtsein gehört, so verachtet sich der Bürger im Grunde ebenso beharrlich, wie er sich achtet und sein Interesse verfolgt. Jedes Individuum steht im Mittelpunkt seiner Welt und weiß zugleich, daß es in der wirklichen überflüssig ist. Aus dieser Erfahrung des Alltags, die - mag einer noch so sehr von ihr absehen - in seine Seele gegraben ist, sollen die metaphysischen Träume einen Ausweg bilden. Dieses isolierte und nichtige Individuum denkt sich durch ihre Vermittlung in die Vereinigung mit übermenschlichen Mächten hinein, mit der allgewaltigen Natur, dem Strom des Lebens oder einem unerschöpflichen Weltgrund. Die Metaphysik unterlegt seinem Dasein einen Sinn, indem sie sein Schicksal in dieser Gesellschaft als bloße Erscheinung versteht, die durch innerliche Entscheidungen, durch die metaphysische Freiheit der Person ihre Würde erhält und zur eigentlichen, echten Existenz in Beziehung steht. Die Degradierung des Zeugnisses der Erfahrung gegenüber einer metaphysischen Scheinwelt ergibt sich aus dem Konflikt zwischen dem emanzipierten Individuum der Industriegesellschaft und seinem Schicksal in ihr. Die philosophische Bagatellisierung der Wissenschaft ist im Privatleben eine Beschwichtigung, in der Gesellschaft ein Betrug. Die positivistische Tendenz hingegen ist allen Jllusionen feindlich. Einzig die Erfahrung, die gereinigte Erfahrung in der strengen Form, die sie in der Naturwissenschaft erhalten hat, heißt nach ihr Erkenntnis. Wissen ist nicht Glauben oder Hoffen, und was die Menschheit weiß, ist in der Wissenschaft am angemessensten formuliert, mögen im übrigen Beobachtung und Sprache des Alltags, von denen die Wissenschaft ja ihren Ausgang nimmt, als grobe Behelfsmittel daneben weiter Dienste leisten. In der Geschichte der Philosophie läßt sich diese Tendenz nicht auf einzelne Namen fixieren. Sie ist auch bei Metaphysikern wie DESCARTES und SPINOZA zu finden, andererseits enthält der Positivismus von COMTE und SPENCER, von dem sie den Namen hat, noch zuviel weltanschauliches Beiwerk, um sie rein zu verkörpern. Der gegenwärtige Positivismus pflegt sich selbst einerseits auf HUME, andererseits auf LEIBNIZ zu berufen. Den skeptischen Empirismus vereinigt er mit einer Rationalisierung der Logik, die er für die Wissenschaften produktiver machen will. Sein Ideal ist die Erkenntnis als mathematisch formulierte, aus möglichst wenig Axiomen zu deduzierende Universalwissenschaft, ein System, das die Berechnung des wahrscheinlichen Eintritts aller Ereignise sicherstellt. Auch die Gesellschaft soll physikalisch erklärt werden. Damit ist man nur noch weit zurück. Man darf jedoch hoffen, daß viel später einmal auch dieses Stück Erfahrung sowohl weiter ausgebaut wird, als auch mit den Voraussetzungen des Gesamtsystems in eine gehörige Verbindung kommt. Die Ereignisse in der Menschenwelt werden sich schließlich mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit voraussehen lassen wie andere Vorgänge. Bei den gesellschaftlichen und sogenannten geistigen Gegenständen muß man bloß noch länger auf eine zukünftige fachwissenschaftliche Untersuchungen warten als auf dem Gebiet der Psychologie oder Biologie überhaupt. Neben der Wissenschaft gibt es noch die Kunst. Soweit Metaphysik nicht bloßer Unsinn ist, gehört sie der Dichtung an. Erkannt wird in der Wissenschaft. Was der Mensch ist, erfährt er außer durch den Gang des täglichen Lebens in der Lehre von seinem Körper und etwa noch in der Psychologie, die darauf zurückführbar ist. Die Unterscheidung zwischen dem, was einer ist, und als was er erscheint, ist ganz bedeutungslos. Angesichts des autoritären Regierungssystems in Deutschland, an dessen geistiger Vorbereitung die Nachkriegsmetaphysik ihren guten Anteil hat, übt diese neopositivistische Denkart auch auf weite dem Faschismus entgegengesetzte Kreise eine Anziehung aus. Der philosophische Kampf gegen metaphysische Begriffe bezog sich schon in seiner besten Zeit nicht bloß auf das Jenseits, sondern auch auf die menschenfeindlichen organizistischen Theorien des Staates und der Gesellschaft. Die Jllusion der Gottesvorstellung wurde schon früh zusammen mit der Fetischisierung des Staates kritisiert, was noch der modernen positivistischen Begriffsklärung zugute gerechnet wird. Die Römer verehrten ihre Republik, so heißt es in einem der bedeutenden Dokumente der Aufklärung (4),
Die Vereinigung des Empirismus mit der modernen mathematischen Logik macht das Wesen dieser neuesten positivistischen Schule aus.
Da es hier nicht darauf abgesehen ist, den Werdegang der Vereinigung zu schildern, sondern den Mangel dieser Denkart und ihren Zusammenhang mit der Geschichte des Bürgertums aufzuweisen, so wird auf Schattierungen nicht eingegangen. Der logische hat mit dem älteren Empirismus die Ansicht gemeinsam, daß alles inhaltliche Wissen über Gegenstände in letzter Linie aus den Tatsachen der Sinneserfahrung fließt. Es hat sich ergeben, meint auch RUDOLF CARNAP, daß alle Begriffe "auf Wurzelbegriffe zurückzuführen sind, die sich auf das Gegebene, die unmittelbaren Erlebnisinhalte, beziehen." (6) Soweit es sich um das Zutreffen oder vielmehr um die Wahrscheinlichkeit von Theorien handelt, verweisen die Wissenschaften auf Beobachtung und Erfahrung als letzte Instanz. Auf die möglichst geschickte Voraussage des Eintreffens von Sinnesdaten laufe, wenn man sie im Ganzen betrachtet, die Erkenntnisarbeit auf allen Gebieten hinaus. Bereits in dieser Ansicht besteht freilich ein gewisser Unterschied zwischen dem traditionellen Empirismus und seinen modernen Nachfolgern. Jener behauptete den Anspruch der Individuen, daß die Gesellschaft um ihretwillen funktioniert, auch gegenüber der Wissenschaft; sie hatte sich vor dem Einzelnen zu bewähren. Dies geschah durch die Versicherung, daß sie nur behauptet, was jeder sehen und hören kann. Dem Bürger wurde gezeigt, daß Physik und alle Wissenschaft nur der abgekürzte Ausdruck, die gereinigte Gestalt seiner eigenen alltäglichen Erlebnisse ist, nichts weiter als eine Veranstaltung zur rascheren Orientierung in der Wirklichkeit, wie er sie selbst, wenn auch weniger systematisch, im praktischen Leben übt. Die Lehre vom Menschen bildet daher, wenn auch in beschränkter Form, den Inhalt dieser Philosophie. Es wird gezeigt, wie die Wissenschaft mit der Sinneserfahrung anhebt und sich wieder stets an ihr zu orientieren hat. LOCKE will auf
Im neusten Empirismus wird vollends davon abgesehen. Der Zusammenhang tritt nicht einmal mehr in einer Theorie der Entstehung von Begriffen und Urteilen hervor. Da die Physik als fest umgrenzte intellektuelle Technik es immer schon mit geformten Urteilen von Beobachtern und nicht unmittelbar mit den Wahrnehmungen zu tun hat, so bedeutet das Kriterium der Erfahrung hier nicht die Empfindung selbst, wie bei LOCKE oder HUME, sondern jeweils das fertige Urteil über die Empfindung. Es sei die ausschließliche Aufgabe der Wissenschaft, ein System aufzubauen, aus dem Sätze abgeleitet werden können, die eindeutig durch Urteile von Beobachtern, durch "Protokollsätze", bestätigt werden. Ein deskriptives Zeichen gilt als ausgewiesen, wenn es durch Definitionen oder mittels neu aufgestellter Grundsätze auf Zeichen zurückzuführen ist, die in Protokollsätzen vorkommen. (9) Mit diesem Gegebenen habe daher die Wissenschaft und somit auch die wissenschaftliche Philosophie nur in der Form von Sätzen über das Gegebene zu rechnen. Der Wissenschaftler kümmert sich um die Welt nur, soweit sie sprachlich fixiert ist. Er hält sich an das, was in angemessener Form zu Protokoll gegeben wird. Die Analyse des Umwandlungsprozesss vom Erlebnis bis zum Protokoll gehört in die empirische Psychologie. Diese mag auf gleiche Weise Feststellungen über das Verhalten von Versuchsperonen treffen, wie die Physik über das Verhalten anderer Körper. Auch die Psychologie hat es nicht unmittelbar mit den Wahrnehmungen zu tun. Nicht die Selbstbeobachtung, sondern die durch objektive Beobachter bestätigten, also in Urteilen formulierten Tatsachen bilden auch hier den Stoff. Das Unsagbare und das Ungesagte sollen für das Denken keine Rolle spielen, sie dürfen noch nicht einmal erschlossen werden. Mag nun die Weise, in welcher der Begriff des Erkenntnismaterials in den einzelnen Phasen des Empirismus gefaßt wird, eine Verflachung des bürgerlichen Denkens anzeigen, eine zunehmende Abneigung, den unmenschlichen Dingen auf den menschlichen Grund zu sehen, so ist doch das Prinzip, daß unser Wissen über die Welt von den Sinnen ausgeht, dasselbe geblieben. Sofern seine Bedeutung sich darin erschöpft, daß jede Behauptung über irgendein Seiendes in Natur oder Geschichte schließlich auf eine entsprechende Erfahrung hinweist, steht es einzig zum reinen Jenseitsglauben im Gegensatz. Der Rationalismus hat diesem Prinzip gar nicht widersprochen, er hat es nur nicht isoliert zum Grundsatz der Philosophie gemacht. In den rationalistischen Systemen des 17. Jahrhunderts steht es im Zusammenhang einer Gesinnung, nach der nicht so sehr die Aufmerksamkeit auf das einzelne Seiende, so wie es nun einmal besteht, entscheidend ist, als die Fähigkeit, das Seiende in Gedanken und in Wirklichkeit zu konstruieren. Vom Glauben an die vollständige Beherrschbarkeit der Natur und der Menschenwelt bestimmt, hält sich der Rationalismus an das Problem der intellektuellen Durchdringung der Welt, an die Verfahrensweisen der Vernunft. Die Mathematik galt dem Rationalismus als Mittel zur Erzeugung der Gegenstände aus Prinzipien, die das Subjekt in sich selbst zu entwickeln vermag. Die höchsten Einsichten fallen mit den Gründen des Seins zusammen, sie sind nicht aus Einzelerfahrungen abgezogen oder willkürlich festgesetzt. Sie machen die eigenste Natur des vernünftigen Denkens aus, dessen konstruktiver Gewalt sich schließlich jedes Geheimnis entschleiern muß. Jedes Seiende hat sich in einer Wahrnehmung zu legitimieren. Aber wenn wir es bloß auf diese Weise kennen, ist es noch ein Ding-ansich; erst wenn wir es machen können, wird es zu einem Ding für uns. Das ist die rationalistische Ansicht. Im Gegensatz dazu bedeutet für den Empirismus der Ausweis durch Wahrnehmung das A und O. Er hält sich an das, was ist, an die Feststellung. "Die Welt ist alles, was der Fall ist ... Die Welt zerfällt in Tatsachen", heißt es im philosophischen Hauptwerk seiner modernen Anhänger. (10) Soweit die Zukunft in Frage kommt, ist nicht Konstruktion, sondern Induktion die kennzeichnende Leistung der Wissenschaft. Je öfter etwas da war, umso gewisser wird es in aller Zukunft da sein. Die Erkenntnis bezieht sich einzig auf das, was ist, und seine Wiederholung. Neue Formen des Seins, vor allem solche, die der geschichtlichen Aktivität des Menschen entspringen, liegen jenseits der empiristischen Theorie. Gedanken, die nicht allein aus dem schon herrschenden Bewußtsein aufzunehmen, sondern im Zusammenhangmit eigener Zielsetzung und Entschlußkraft zu fassen sind, alle über das Vorhandene und sich Wiederholende hinausreichenden geschichtlichen Tendenzen, gehören nach dieser Auffassung nicht unter die Begriffe der Wissenschaft. Der Empirismus versichert zwar unermüdlich seine Bereitschaft, jede Ansicht aufzugeben, wenn die zukünftige Erfahrung ihn eines besseren belehren sollte. "Keine Bestimmung der physikalischen Sprache ist endgültig gesichert", und die Nachprüfung betrifft "im Grund keine einzelne Hypothese, sondern das ganze System der Physik als ein Hypothesensystem" (DUHEM, POINCARÉ). (11) Der Empirismus reduziert jedoch die Nachprüfung auf neutrale, objektive, wertfreie, das heißt trotz allem isolierte Gesichtspunkte. Man ändert entweder die physikalischen Grundsätze, mit denen eine Beobachtung in Konflikt gerät, oder erkennt die Feststellung nicht an. Darin steckt aber keine Notwendigkeit, der Gesichtspunkt des Zweckmäßigen, der hier entscheidet, läßt sich nicht selbst theoretisch bestimmen. (12) Dem Denken wird die Funktion abgesprochen, die Beobachtungen sowie die Art, in der die Wissenschaft sie zusammenfaßt, aufgrund einer auch die Wissenschaft selbst und ihre Formen noch einbeziehenden Theorie zu beurteilen. Der Empirismus setzt die je anerkannte Wissenschaft in ihrer gegebenen, mit dem Bestehenden versöhnten Struktur und Betriebsweise als höchste geistige Autorität überhaupt. Sie gilt ihm als bloßer Ordnungs- und Umordnungsapparat von Fakten, gleichviel welche Fakten sie aus der Unendlichkeit von Fakten aufnimmt; gerade als ob die Auswahl, Beschreibung, Anerkennung und Zusammenstellung in dieser Gesellschaft keinen Akzent und keine Richtung hätte. Die Wissenschaft wird danach wie ein System von Schläuchen gleichsam bloß immer mehr angefüllt und durch Reparaturen instand gehalten. Dieses Tun, das man früher die Tätigkeit des Verstandes nannte, steht dem Empirismus entsprechend nicht selbst wieder in Zusammenhängen, die ihm erst rückwirkend Richtung und Sinn verleihen. Alles, was im Idealismus Idee und Zielsetzung, im Materialismus gesellschaftliche Praxis und bewußte geschichtliche Aktivität hieß, hat dem Empirismus entsprechend, soweit er es überhaupt als Voraussetzung der Erkenntnis zuläßt (OTTO NEURATH) (13), mit der Wissenschaft wesentlich nur als Beobachtungsgegenstand und nicht als konstitutives Interesse und Direktiv zu tun. Es existiert kein an den Methoden und Resultaten der Wissenschaft orientiertes, mit bestimmten Interessen verflochtenes Denken, das ihre Begriffsbildung und ihre Gesamtgestalt, so sehr es von ihnen abhängt, auch wieder kritisieren dürfte. Es gibt überhaupt keine Kritik einer Fachdisziplin außerhalb einer Fachdisziplin, kein Denken, das, mit den Kenntnissen der Zeit ausgerüstet, auf bestimmte historische Ziele lossteuernd, den Fachleuten etwas zu sagen hätte. Ein solches Denken und das von ihm in den Erkenntnisprozeß eingehende kritische, dialektische Element, durch das eben dieser mit dem geschichtlichen Leben in einer bewußten Verbindung gehalten wird, ferner die damit zusammenhängenden Kategorien, wie der Unterschied von Wesen und Erscheinung, Identität im Wechsel, Vernünftigkeit von Zielsetzungen, ja der Begriff des Menschen, der Person oder gar der Gesellschaft und Klasse in einem Sinn, der bestimmte Aspekte und Stellungnahmen voraussetzt, all dies existiert für den empiristischen Gelehrten nicht. Soweit er solche Begriffe ausnahmsweise gebraucht, haben sie rein klassifikatorische Bedeutung wie etwa zoologische Gattungen. Eben deshalb steht die Gestalt der Erkenntnis und damit des Seins, soweit wir von ihm wissen können, für ihn so fest wie nur je für einen Dogmatiker. Im Grunde ist die empiristische der rationalistischen Denkart auch hierin verwandter, als sie meint. Trotz des Kampfes gegen den rationalistischen Grundbegriff, die synthetischen Urteile a priori, die sachhaltigen Aussagen, denen keine Erfahrung widersprechen kann, setzt der empiristische Philosoph die Form des Seins als konstant. Für einen Empiristen "ist es absurd, von einem einzigen und totalen System der Wissenschaft zu reden." (14) Und doch setzt die Versicherung, die richtige Gestalt der gesamten Erkenntnis sei mit Physik identisch, die Physik sei die große "Einheitswissenschaft", in der alles aufgehen muß, bestimmte Formen als konstant. Sie stellt ein Urteil a priori dar. Es wird behauptet, der Sinn aller Begriffe der Wissenschaft sei durch physikalische Bestimmungen zu definieren, und davon abstrahiert, daß schon der Begriff des Körperlichen im physikalischen Verstand ein sehr besonderes subjektives Interesse, ja die gesamte gesellschaftliche Praxis involviert (15). Der naiv-harmonistische Glaube, der einer solchen Idealvorstellung von Einheitswissenschaft und schließlich diesem ganzen neuen Empirismus zugrundeliegt, gehört der entschwindenden Welt des Liberalismus an. Man kann sich mit jedem über alles verständigen. Das ist nach den empiristischen Philosophen ein "glücklicher Umstand", den man nicht etwa selbst erst zu begreifen hat, um die Bedeutung und Reichweite dieses Konsens zu bestimmen, sondern als "ganz allgemeinen ordnungshaften Zug der Erfahrung" (16) eben hypostasiert [dem bloßen Wort reale Existenz unterschieben - wp]. Schon ERNST MACH hatte die subjektiven Faktoren, die er nur als Einfluß der "Nerven unseres Leibes" (17) auf die Wahrnehmungen zuließ, als grundsätzlich eliminierbar angesehen. Die Naturwissenschaft ermittle diese Abhängigkeit, indem sie Ereignisse nicht von einem Subjekt, sondern von vielen beobachten läßt. Dadurch gelingt es, die zufällige Verschiedenheit der individuellen Nervensysteme auszuschalten und die reine Abhängigkeit der beobachteten physikalischen Ereignisse zu konstatieren.
Es gibt danach keine Verschiedenheit theoretischer Strukturen, die auf geschichtlich bedingten Interessengegensätzen beruth und anstatt durch ein "gemeinsames Experiment" etwa durch ein konsequentes Zuwiderhandeln ausgetragen wird. Das harmonische Verhältnis der Subjekte zueinander wird auch zu einem Faktum, und zwar zu einem solchen, das noch allgemeineren Charakter hat als selbst ein Naturgesetz, gewissermaßen zu einem ewigen Faktum - das mit den rationalistischen und transzendentalen Prinzipien also direkt zusammenfällt.
Ebenso wie die Handlungen von Individuen durch Verfahrensweisen vorherzusagen sind, die mit den Prognosen physikalischer Prozesse genau übereinstimmen, so lassen sich auch Prognosen über gesellschaftliche Gruppen machen. Die empiristische Theorie der Gesellschaft ist der "Sozialbehaviorismus".
Unter der bürgerlichen Produktionsweise, deren Wissenschaft mehr auf die Resultate der Abstraktion als auf die theoretische Rekonstruktion des Ganzen abzielt, gelten Tiere, Menschen und Gesellschaft gleicherweise als Summen von Dingen und Ereignissen; der Prozeß, wie diese Abstrakta im Zusammenhang der gesellschaftlichen Praxis zustandekommen, fällt nicht ins Bewußtsein. Der Empirismus hält es jeweils auf der erreichten Stufe fest. Soweit er an die Genesis erinnert wird, verweist er das Problem an die psychologische oder soziologische oder sonst eine Disziplin, die schon dafür sorgen wird. Seine Behauptungen laufen darauf hinaus, daß alles, was man konstatieren kann, immer nur Gegenstände sind und nichts als Gegenstände. Wenn wir unsere Willensakte analysieren, kommen wir auf Wünsche, Gefühle, Vorstellungen und Bewegungen, die miteinander zusammenhängen. Es sei ein Widersinn, vom Subjekt oder auch von einer Wirklichkeit zu reden, die nicht gegeben sein könnten, die vor oder hinter den einzelnen Tatsachen und ihren Zusammenhängen lägen. Wenn wir vom Subjekt allein reden, ohne weiterzugehen, ist es ein isolierter Gegenstand, eine körperliche Ereignisreihe wie jede andere, und als solche wird es ausschließlich angesehen. Wie sollte man sonst in einer Welt der Mißverständnisse Einigung darüber erzielen. Und hinter dieser oder sonst einer sprachlichen Festlegung, die treffend sein mag oder nicht, verschwindet das reale Subjekt. Man soll davon nicht einmal sprechen dürfen - ebensowenig wie, nach den logischen Empiristen, von einer bewußtseinsunabhängigen Wirklichkeit. Mit so einer zweifelhaften Sprachreinigung glaubt man die Probleme aus der Welt geschafft zu haben. Die Auffassung, daß die Wissenschaft sich darin erschöpft, gegebene Tatsachen zu konstatieren und zu ordnen, um künftige vorauszusagen, isoliert die Erkenntnis, ohne die Isolierung wieder aufzuheben. Die Konsequenz ist ein von den Empiristen gespenstisch verzerrtes Bild der Welt, das sie als solches nicht erkennen. Sofern die Wissenschaftler handeln, werden sie nach dieser Überzeugung aus Gelehrten zu Handelnden, sie verwandeln sich in Elemente, Gegebenheiten, Tatsachen, umsogleich wieder Gelehrte zu werden, wenn sie davon reden. Als Wissenschaftler nimmt sich der geschulte Spezialist für eine Kette von Urteilen und Schlüssen, als sozialer Faktor erscheint er sich als bloße Gegenstand. Dasselbe gilt für jedermann. Die Person fällt in zahllose Funktionen auseinander, der Zusammenhang ist unbekannt. In der Gesellschaft ist der Mensch einerseits Familienvater, andererseits Geschäftsmann, andererseits Gedanke, oder vielmehr: er ist gar nicht Mensch, sondern all das und noch vieles andere in einer schicksalhaften Reihenfolge. Ebenso besteht Wissen aus Tatsachen und Handeln aus Tatsachen; die Komponenten des Wissens, die Wahrnehmungen, Begriffe und Fakten kann man zu nichts anderem, etwa zum Subjekt, erkennend in Beziehung setzen, weil das andere dabei selbst zur Tatsache würde und somit kein anderes wäre. Logisch gesehen, beruth diese unangreifbare Abgeschlossen heit der Wissenschaft auf der Hypostasierung des abstrakten Begriffs des Gegebenen oder der Tatsache. Während seit DESCARTES bloß das als existierend gelten sollte, was jeder einzelne feststellen konnte, wurde im Empirismus durch die Preisgabe des Subjekts als der kritisch sichtenden Instanz der Unterschied zwischen dem Begriff des Gegebenen und dem des Etwas überhaupt verwischt, so daß Gegebenes, Tatsache und Gegenstand nur noch scheinbar etwas Bestimmtes besagen. Mit dem Besonderen und Unterschiedenen sollen es nur die Fachwissenschaften zu tun haben, die Philosophie dagegen nur mit dem Nebel des Allgemeinen, den Tatsachen als solchen, den bloßen Aussagen, der Sprache unabhängig vom Inhalt, der puren Form. Dem anonymen Verwertungsprozeß der Gesellschaft bleibt es überlassen, wie bei anderen differenten Branchen die Produkte beider Zweige zusammenzubringen. Über die Elemente der Erkenntnis, das Allgemeine und das Besondere, wird so wenig durch Vernunft bestimmt wie über sonstige Elemente der gesellschaftlichen Reproduktion. Vernunft gibt es bloß innerhalb der Einzelbetriebe und Fächer, das heißt sie existiert nur als Verstand. Diese nichtssagende Allgemeinheit des Gegebenen, als welches die Welt aufzufassen der Philosophie bei einer solchen Teilung übrigbleibt, wird durch den Begriff des Empirismus, den man als spezifische Lehre festhält, weiterhin als Besonderes und Bestimmtes hingestellt, das einzige, woran zu glauben sein soll. Im älteren Empirismus war die Gleichsetzung der ganzen Welt mit bloßen Gegebenheiten, diese Einebnung der gesamten Praxis gegenüber dem Erkennen, durch religiöse oder skeptische Gedanken vermittelt und zumindest dadurch als problematisch dargestellt. Die Unfähigkeit, das Bestehende als Ergebnis des gesellschaftlichen Lebensprozesses zu begreifen, an dem das Individuum selbst teilnimmt, die Entfremdung des Produkts der gesellschaftlichen Tätigkeit gegenüber den isolierten Individuen, eine Entfremdung, die auch als Hypostasierung von Tatsachen erscheint, wird bei BERKELEY im offen religiösen Glauben empfunden, die Tatsachen sollen dem Individuum von Gott gegeben sein, und bei HUME in der eingestandenen Verzweiflung an der Lösung ihrer Herkunft. Bei ihnen ist die Fragwürdigkeit der hermetischen Isolierung der Erkenntnis wenigstens durch die Erinnerung daran, und bestehe sie bloß in der Skepsis, noch offengehalten. HUME versank zuzeiten über dieses Resultat in "philosophische Melancholie"
Man kann die Wissenschaft von allen übrigen Sphären des gesellschaftlichen Lebens trennen, man kann sie als Feststellung und Vorhersage von Tatsachen auffassen. Aber wir wissen mindestens seit HEGELs Phänomenologie, daß das Unmittelbarste, die Gegebenheit der Empfindung und Wahrnehmung, bloß dem beschränktesten Verstand als ein Letztes erscheint und in Wahrheit vermittelt und abhängig ist.
1) MAX PLANCK, Vom Wesen der Willensfreiheit, Leipzig 1936, Seite 20/21. 2) PLANCK, a. a. O. Seite 24 3) PLANCK, a. a. O., Seite 24 4) Lettre de Thrasibule á Leucippe. In: M. FRÉRET, Oeuvres Complétes, London 1775, Bd. IV, Seite 5/6. 5) Actes du Congrés International de Philosophie Scientifique, Nr. 1, Paris 1936, Seite 11. 6) RUDOLF CARNAP, Die alte und die neue Logik, in "Erkenntnis", Bd. 1 (1930), Seite 23/24. 7) JOHN LOCKE, Über den menschlichen Verstand, Leipzig 1897, Bd. 1, § 2 (übersetzt von Th. Schulze). 8) HUMEs "Traktat über die menschliche Natur". Übersetzt von THEODOR LIPPS, Hamburg und Leipzig 1895, Seite 4. 9) Vgl. CARNAP, Die logische Syntax der Sprache, Wien 1934, Seite 247. 10) LUDWIG WITTGENSTEIN, Tractatus Logico-Philosophicus, London-New York, 1922, Seite 30. 11) CARNAP, a. a. O., Seite 246. 12) In der Ansicht, die Lösung des Konflikts zwischen Tatsache und Theorie sei selbst nicht theoretisch faßbar, stimmt der logische Empirismus mit der vorherrschenden Erkenntnistheorie überein. "... hier tritt das Genie in seine Rechte", erklärt auch HERMANN WEYL, Philosophie der Naturwissenschaft, in "Handbuch der Philosophie, Abteilung 2, München und Berlin 1927, Seite 113. 13) Vgl. vor allem: OTTO NEURATH, Soziologie im Physikalismus, "Erkenntnis", Bd. 2, 1931, Seite 423f; und Empirische Soziologie, Wien 1931, Seite 128f. 14) OTTO NEURATH, L'Encyclopédie comme Modéle, in "Revue de Synthése", Bd. XII, Nr. 2, Paris 1936. 15) Die philosophischen Folgen des Umstands, daß die puren körperlichen Dinge der Physik in Abstraktion von allem Subjektiven, von der gesamten menschlichen Praxis, wie konkrete Realitäten genommen werden, erörtert HUSSERL in einer soeben erschienenen Arbeit (Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, in "Philosophia, Bd. I, Belgrad 1936, Seite 77f). Sie ist mir erst nach der Abfassung des obigen Artikels bekannt geworden. Wenn sich diese später Publikation des letzten wirklichen Erkenntnistheoretikers auch nicht speziell auf die "physikalische Bewegung" (Wiener Kreis, logisierender Empirismus)" bezieht, sondern auf den Physikalismus überhaupt, dessen Idee in einem historischen Rückblick entwickelt wird, so haben die Hypostasierungen, die HUSSERL aufdeckt, auch zu dieser neuesten Abart geführt. Der unkritische Objektivismus, die Verabsolutierung der Fachwissenschaft, die - von der heutigen Problematik aus gesehen - mannigfache Affinität von Empirismus und Rationalismus, die Entgiftung der HUMEschen Skepsis bei den Nachfolgern, alle diese auch im Text berührten Verhältnisse werden in der Analyse HUSSERLs vermerkt und zu erklären versucht. Bei aller Gegensätzlichkeit der Denkart HUSSERLs zu der hier vertretenen Theorie hat seine Altersstudie mit ihrer höchst abstrakten Problematik mehr mit den gegenwärtigen geschichtlichen Aufgaben zu tun als der sich zeitgemäß dünkende Pragmatismus oder das vermeintlich dem "Mann am Schraubstock" angepaßte Rede und Denken mancher jüngeren Intellektuellen, die sich schämen, es zu sein. - Eine kritische Analyse der HUSSERLschen Philosophie wird in einem unserer nächsten Hefte erscheinen. 16) CARNAP, Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft, in "Erkenntnis", Bd. 2, 1931, Seite 445/47. 17) ERNST MACH, Die Analyse der Empfindungen, Jena 1922, Seite 28/29 18) MACH, a. a. O., Seite 281/82 19) CARNAP, a. a. O. 20) CARNAP, a. a. O. 21) CARNAP, a. a. O., Seite 463. 22) LEIBNIZ, Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie, Bd. II, Leipzig 1906, Seite 299 (übersetzt von BUCHENAU). 23) Vgl. BERTRAND RUSSELL, Mensch und Welt, München 1930, Seite 246/47 (übersetzt von KURT GRELLING). 24) HANS HAHN, Logik, Mathematik und Naturerkennen, Wien 1933, Seite 9 25) "Le Gutenberg", Organe de la Federation Suisse des Typographes, vom 26. 8. 1936. 26) OTTO NEURATH, Empirische Soziologie, Wien 1931, Seite 105 27) NEURATH, a. a. O., Seite 67 28) NEURATH, a. a. O., Seite 66 29) NEURATH, a. a. O., Seite 106 30) NEURATH, a. a. O., Seite 131 31) HUME, a. a. O., Seite 346/47 32) HEGEL, "Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie", Werke, Bd. XVI, Seite 108 (Jubiläumsausgabe Bd. I, Seite 253). 33) ERNST CASSIRER, Philosophie der symbolischen Formen, 1. Teil, Berlin 1923, Seite 233 34) CASSIRER, a. a. O., Seite 232 |